Erfahrungen aus Aarau und Rheinfelden

City Managerin: Was Luzern plant, gibt’s hier schon

Sorgt für Leben in der Altstadt: Romana Waller, City Managerin von Aarau. (Bild: zvg)

Wie lässt sich das Lädelisterben verhindern, zumal «dank» Corona der Onlinehandel zusätzlich boomt? Die Stadt Luzern plant, eine sogenannte City-Manager-Stelle zu schaffen. Ein Blick nach Aarau und Rheinfelden zeigt, wie das in der Praxis aussieht.

Wer durch die Stadt Luzern spaziert, trifft nicht nur auf leuchtende Weihnachtssterne, sondern immer wieder auch auf dunkle Schaufenster. In der Coronazeit hat die Zahl der leeren Ladenflächen sichtbar zugenommen (zentralplus berichtete).

Unvermietete Läden gibt es auch in Rheinfelden. Doch dort finden Flaneure zum Beispiel eine Pop-up-Kunstgalerie. Oder ein Geschäft, in welchem unter anderem eine Schreinerei, ein Grafikbüro und ein Fotograf in der Weihnachtszeit ihre Produkte verkaufen.

Initiiert hat diese Zwischennutzungen Corinne Caracuta. Sie ist seit zehn Monaten City Managerin der 13’500-Einwohner-Stadt an der Grenze zu Deutschland. Die 37-Jährige ist zuständig für die Entwicklung der Rheinfelder Innenstadt. Sie lanciert Marketing-Kooperationen und Events, kümmert sich um leere Lokale und vernetzt Hausbesitzer und Unternehmerinnen. «Ich bin der Katalysator und biete Hilfe zur Selbsthilfe.»

Das Pendant zu einem Center-Manager in der Mall

Eine solche Stelle könnte auch die Stadt Luzern bald schaffen. Das Stadtparlament hat kurz vor der Coronakrise ein entsprechendes Postulat überwiesen. Derzeit laufen die Abklärungen, wie diese Stelle aussehen müsste und wo sie angegliedert sein soll. Eigentlich wollte der Stadtrat bis Ende 2021 das weitere Vorgehen darlegen, wegen Verzögerungen wird es nun Frühling 2022 (zentralplus berichtete).

Die Bezeichnung City Manager entstammt der Idee, analog zum Center-Manager in einem Einkaufszentrum eine Stelle für das «Openair-Einkaufszentrum Altstadt» zu etablieren (zentralplus berichtete).

Kunst belebt die Stadt: Diese leere Fläche in Rheinfelden verwandelte sich in eine Pop-Up-Galerie.
Kunst belebt die Stadt: Diese leere Fläche in Rheinfelden verwandelte sich in eine Pop-up-Galerie. (Bild: zvg)

Doch was macht eine City Managerin konkret? In der Praxis ist es ein Puzzle aus vielen Einzelteilen. Manche sind sichtbar wie die eingangs erwähnten Zwischennutzungen. Andere klein und unspektakulär wie beispielsweise die Weiterentwicklung der digitalen Sichtbarkeit des Angebots, ein Veranstaltungskalender mit Ticket-Service oder ein Online-Kanal für Gutscheine.

City Managerinnen wissen, wo weshalb welcher Laden leer steht

Der wichtigste Teil ihrer Arbeit sei das Leerflächenmanagement, sagt Corinne Caracuta. Denn jedes leere Schaufenster wirkt sich negativ auf die umliegenden Läden aus. Die City Managerin von Rheinfelden weiss stets, welche Lokale neue Mieter suchen, wer sie besitzt, warum sie leer stehen und ob man jemanden vermitteln könnte. «Wir sind eine Art Homegate der Altstadt», sagt die Aargauerin.

«Manche Eigentümer haben eine Mietpreis-Vorstellung, die weit weg ist von dem, was der Geschäftsinhaber realistischerweise an Umsatz erwirtschaften kann.»

Corinne Caracuta, City Managerin von Rheinfelden

Dazu braucht es ein grosses persönliches Netzwerk und Vernetzungs-Arbeit. Caracuta organisierte diesen Sommer zum Beispiel einen Event mit Hauseigentümern. Zum einen als Plattform für den Austausch, zum anderen, um sie für die Bedürfnisse potenzieller Mieter zu sensibilisieren. Denn bei einigen, das räumt sie ein, stehe halt die Rendite an oberster Stelle. «Manche haben eine Mietpreis-Vorstellung, die weit weg ist von dem, was der Geschäftsinhaber realistischerweise an Umsatz erwirtschaften kann.»

Wo der Einfluss an die Grenzen kommt

Man müsse deshalb das Gespräch suchen, damit zumindest die Erdgeschossflächen zu einem attraktiven Ladenmix und somit einer belebten Innenstadt beitragen. «Das ist noch nicht bei allen angekommen, aber es muss in diese Richtung gehen», glaubt Caracuta. Zumal vermietete Flächen im Parterre für das gesamte Gebäude attraktiv seien und so auch allfällige Wohnungen in den oberen Stockwerken aufwerten könnten. Auch wenn ihr Job sonst vieles gemein hat mit dem Manager-Posten in einem Einkaufszentrum: Weil die Ladenflächen meist Privaten gehören, sind ihrem Einfluss hier Grenzen gesetzt.

Corinne Caracuta ist seit Februar City Managerin von Rheinfelden.
Corinne Caracuta ist seit Februar City Managerin von Rheinfelden. (Bild: zvg)

Ähnlich äussert sich Romana Waller, seit Herbst 2020 City Managerin von Aarau. Auch sie geht aktiv auf Eigentümer zu und konnte so bereits erfolgreich leer stehende Flächen vermitteln. «Ein ganz aktuelles Beispiel ist ein urbanes Pop-up-Restaurant an zentralster Lage beim Bahnhof», erzählt die 39-Jährige. Sie sieht sich als Bindeglied zwischen Eigentümern und potenziellen neuen Mietern. Dank ihrem grossen Netzwerk kann sie Kontakte vermitteln und Kooperationen vorschlagen.

Zudem stösst sie auch Projekte zur Nutzung des öffentlichen Raums an, beispielsweise wurde in Aarau der Weihnachtsmarkt neu ausgeschrieben. «Das City Management kann Impulse setzen und vermitteln – die Entscheidung liegt aber oftmals ausserhalb des eigenen Entscheidungsspielraums», erklärt Waller. «Zudem braucht der Aufbau dieser Funktion Zeit – es ist kein Sprint, sondern ein Marathon.»

Wie die Altstadt dem Onlinehandel trotzen kann

Gleichwohl sind Romana Waller und Corinne Caracuta überzeugt, dass City Manager dem Lädelisterben etwas entgegenzusetzen vermögen – trotz Onlinehandel-Boom, der sich in der Coronakrise noch verstärkte. «Die Leute wollen ja nicht ständig zu Hause hocken und Waren bestellen», sagt Caracuta. «Sie wollen raus und etwas erleben – das hat die Pandemie auch gezeigt.»

«Es braucht auch neue Akteure, ich denke an kreative Pop-up-Stores, hybride Shopformate, Reparatur-Cafés, lokale und regionale Spezialitäten oder Raum für soziale Interaktion.»

Romana Waller, City Managerin von Aarau

Wichtig ist laut Waller ein gelungener Mix zwischen Tages- und Abendbelebung, zwischen Detailhandel und Gastronomie. Ebenso zwischen lokalen einzigartigen Boutiquen und bekannten Filialen. «Es braucht auch neue Akteure, ich denke an kreative Pop-up-Stores, hybride Shopformate, Reparatur-Cafés, lokale und regionale Spezialitäten oder Raum für soziale Interaktion.» Denn nur Waren gegen Geld tauschen zu können reiche nicht aus, um die Leute in die Städte zu locken. Vielmehr seien Begegnungsräume und Erlebnisangebote nötig – Elemente, die der Onlinehandel nicht bieten kann.

Wichtig sei, dass die Geschäfte online und offline präsent seien – und im Idealfall eine zusätzliche Dienstleistung vor Ort böten, ergänzt Corinne Caracuta. Sie erwähnt als Beispiel ein Herrenmodegeschäft, das gleich im Laden zu lange Hosen umschneidert. Oder ein Geschäft für Wohnaccessoires, das auch defekte Handtaschen der Kundinnen repariert. «Unsere Umfragen zeigen: Die Bevölkerung schätzt einen guten Ladenmix und das Engagement für eine belebte Innenstadt.»

Wär das auch was für Luzern?

Romana Waller und Corinne Caracuta sind Pionierinnen auf ihrem Gebiet, nur wenige Städte in der Schweiz kennen solche Stellen. Das hat auch damit zu tun, dass das Konzept für grössere Städte nicht 1:1 umsetzbar ist. Eine einzelne Person kann dies kaum allein bewältigen.

Die City Managerin von Rheinfelden ist in einem 70-Prozent-Pensum tätig, jene von Aarau in einem 40-Prozent-Pensum. Für Luzern dürfte eine solche Stelle kaum ausreichen. Aber das komme stark darauf an, welchen Perimeter und welche Aufgaben der City Manager betreuen solle, sagt Caracuta. «Die vielen unterschiedlichen Vorstellungen können sonst zu einem Fass ohne Boden werden und man kann sich schnell verzetteln. Umso wichtiger ist es, das Feld gleich zu Beginn klar abzustecken.»

Zudem dürfe man nicht die Erwartung haben, dass eine Person allein das Lädelisterben verhindern könne. Wo diese Stelle angegliedert und wie hoch sie dotiert ist, kann je nach Grösse der Stadt oder Aufgabenbereiche variieren. Genau das wird derzeit in Luzern diskutiert.

Wichtig sei, dass es die Stelle gebe, welche sich dieser Themen in einer Stadt annehme, und man dies nach aussen entsprechend kommuniziere, sagt Romana Waller. Oder wie es Corinne Caracuta ausdrückt: «Ein City Manager ist für jede Stadt sinnvoll.»

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Margrit Grünwald
    Margrit Grünwald, 07.12.2021, 07:27 Uhr

    Gut wäre bei der älteren Bevölkerung eine Umfrage zu machen. Diese Gruppe macht kaum Bestellungen im Internet und will die Sachen vor dem Kauf sehen oder anprobieren.

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    • Profilfoto von Adaff
      Adaff, 14.02.2022, 10:05 Uhr

      Das will ich eben auch. Ich bin Anfang 30, (sofern ich das jetzt richtig verstanden habe und damit noch nicht zur Seniorengeneration gehöre). Haptik ist oft wichtig, Gewicht und Materialeigenschaften lassen sich oft nur live erleben, Beratung durch Personal, das man auch Fragen stellen kann und in den Dialog treten kann, all das erhält man in einem echten Laden besser. Mit einem problemhaften Gegenstand (seien es nun Kleider, Bauteile, Elektronik, etc.) kann ich in einen Laden gehen, es einer Fachperson zeigen, es ihr geben, damit sie sich dem Problem annehmen kann und selbst ihre visuellen oder sonstigen Analysen durchführen kann. Solche Sachen sind online erschwert bis unmöglich.

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  • Profilfoto von Hannes Estermann
    Hannes Estermann, 06.12.2021, 20:30 Uhr

    Seit 50 Jahren wohnen wir glücklich in Rheinfeldens Altstadt.
    Seit mehreren Jahren müssen wir leider,ebenfalls eine starke Zunahme leerer Verkaufsflächen im Detailhandel fest stellen.( Schweizweites Phänomen).Es fehlt immer mehr ein austariertes Angebot ,verschiedener Anbieter mit qualitativer und vor allem nützlicher Ware.
    Ramsch lässt grüssen-bei uns nicht zu wenig !
    Selbst die Gastronomie (mit ganz wenigen Ausnahmen) wird wohl nie mehr die einst weit herum sprichwörtliche Qualität früherer Jahrzehnte erreichen.
    Trotz intensiven Bemühungen seitens der lokalen Behörde,hier ein Riegel zu schieben,wird es vermutlich trotz einer (nicht die Erste) sicher qualifizierten Citymanagerin,höchst wahrscheinlich eine unlösbare Aufgabe werden.
    Würde mich ehrlich freuen wenn dem nicht so währe.
    Die letzten,wenigen noch verbliebenen >dringend benötigtenGeiz ist geil< Mentalität zum verschwinden bringen…zum Vorteil ihrer selbst.

    FROHE FESTTAGE

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  • Profilfoto von Marcel Lingg
    Marcel Lingg, 06.12.2021, 18:51 Uhr

    Viele Aufgaben, welche nun diese «Staatstelle» übernehmen soll, werden (oder müssten) doch durch die City-Vereinigung wahrgenommen werden. Doch einmal mehr soll privates Engagement durch staatlichen, mit Steuergelder finanzierten Aktivismus abgelöst werden.

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  • Profilfoto von Kari Meier
    Kari Meier, 06.12.2021, 16:20 Uhr

    Es könnte jede Fläche vermietet werden, doch dazu müssten die Herrschaften die Mieten marktüblich ansetzen. Scheinbar geht es denen noch genug gut um sich Leerstand leisten zu können. Dabei wiess jeder, dass Leerstand der grösste Renditekiller ist.
    Beispiel Luzern, nahe Mühleplatz: 11000.-/Mt für das Ladenlokal. Das muss erstmal erwirtschaftet werden…

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