Krienser Pilatusarena wird 100-Meter-Marke knacken

Deshalb haben Hochhäuser in Luzern einen schlechten Ruf

Noch wächst der 15-stöckige Turm beim Krienser Mattenhof.

(Bild: sah)

Hochhäuser verkamen früher zu sozialen Brennpunkten – heute bieten sie Wohnraum für Reiche. Mit Verdichtung haben sie in der Regel wenig zu tun. Zwei Experten erklären den Widerstand gegen die Grossprojekte.

Ob der über 100 Meter hohe Turm bei der Pilatusarena beim Bahnhof Mattenhof, das 60-Meter-Hochhaus im Krienser Nidfeld oder die vor einigen Jahren gebauten Hochhäuser bei der Swissporarena – Hochhäuser liegen im Trend. Experten sprechen von einem «zweiten Bauboom von Hochhäusern».

«In den letzten zehn Jahren wurden in der Schweiz rund 140 Baubewilligungen für Hochhäuser erteilt», sagt Alex Willener. Er ist Dozent für Soziokulturelle Entwicklung an der Hochschule Luzern. Doch stehen die in die Höhe ragenden Bauten im Kontext der Wachstumskritik oftmals in keinem guten Licht. So scheiterte erst kürzlich das MParc-Projekt samt 55-Meter-Hochhaus am Ebikoner Stimmvolk. Auch gegen die Krienser Nidfeld-Überbauung wurde eine Sammeleinsprache eingereicht (zentralplus berichtete).

Zu dominant, zu sichtbar, zu gross der Schattenwurf, so die Kritiker. Ein Ausdruck von Grössenwahn, verbunden mit Verkehrschaos und Anonymität. Doch weshalb geniessen Hochhäuser einen derart schlechten Ruf?

Die Verkehrserschliessung und die Umgebungsgestaltung werden noch zu reden geben: Blick vom Kreisel Kuonimatt Richtung Bahnhof Mattenhof.

Die Verkehrserschliessung und die Umgebungsgestaltung werden noch zu reden geben: Blick vom Kreisel Kuonimatt Richtung Bahnhof Mattenhof.

(Bild: Visualisierung Raumgleiter AG, Zürich)

Ungewohnte Dimensionen irritieren Bevölkerung

«Viele Gegnerschaften entstehen schlichtweg aus den ungewohnten Dimensionen», meint Alex Willener. Er ist Dozent an der Hochschule Luzern und Projektleiter am Institut für Soziokulturelle Entwicklung. Die Dimensionen werden oft als störend und als nicht zum Ortsbild passend empfunden, meint er: «Das hat wohl zu einem guten Teil mit den Erfahrungen aus dem ersten Bauboom zu tun, bei dem viele Hochhäuser in Agglomerationen zu sozialen Brennpunkten verkommen sind.»

Dabei werden die guten Beispiele oft vergessen. So wäre zum Beispiel das Aalto Hochhaus in Schönbühl ein Erfolgsmodell, in dem die Bewohnerinnen vom Einzug an bis ins hohe Alter geblieben sind (zentralplus berichtete). «Dies hat unter anderem mit der Architektur, aber auch mit den ‹weichen Faktoren› zu tun», so Willener.

So habe es zum Beispiel einen Hauswart vor Ort gegeben, der nicht nur geputzt habe, sondern auch für die Anliegen der Bewohner ein offenes Ohr hatte. In neueren Siedlungskonzepten gebe es, so Willener, zum Teil auch Concierges oder Siedlungsanimatoren, welche das nachbarschaftliche Zusammenleben fördern.

«Der öffentliche Diskurs beschränkt sich fast ausschliesslich auf die Architektur beziehungsweise die physikalische Form.»

Alex Willener, Dozent für Soziokulturelle Entwicklung

Bei ebendiesen gesellschaftlichen Aspekten der Hochhäuser sei jedoch der Forschungsstand sehr niedrig. «Leider beschränkt sich der öffentliche Diskurs fast ausschliesslich auf die Architektur beziehungsweise die physikalische Form. Gesellschaftliche Erkenntnisse werden oft nicht berücksichtigt», so Willener. Er ist Teil einer aktuellen Forschung zu den sozialen Aspekten von Wohnhochhäusern.

Ängste vor Urbanität und Anonymität

Auch Peter Schwehr, Professor für Architektur an der HSLU beobachtet diesen Trend und die damit verbundenen Ängste. «Hochhäuser sind oftmals ein Ortsbildträger und werden mit Grossstädten assoziiert. Das Hochhaus wird deshalb oft mit Urbanisierung gleichgesetzt», meint er. Doch Schwehr weiss: «Ein Hochhaus macht noch keine Stadt.» So auch in Luzern.

Was ist überhaupt ein Hochhaus?

Was genau als Hochhaus gilt, definiert jeder Kanton der Schweiz unterschiedlich in seinem Bau- und Planungsgesetz. In Luzern gelten Bauten mit einer Höhe von über 30 Metern als Hochhaus. Dabei stellen sich für eine Baubewilligung vermehrte Anforderungen wie der Abstand zum Nachbargebäude aufgrund des Schattenwurfs, die detaillierte Materialbeschaffenheit oder die genaue Farbgestaltung.

Für die Akzeptanz sei der Massstab Mensch noch sehr wichtig. Das Hochhaus dominiert da als übergrosser Baukörper den Ort und wirkt befremdend. «Dadurch werden Gefühle der Anonymität hervorgerufen und Ängste geschürt», so Schwehr. Obwohl auch andere Gebäude gleiche Ängste schüren könnten, bietet das Hochhaus durch seine grosse Sichtbarkeit eine grosse Angriffsfläche für Kritik: «Der Bau eines Hochhauses macht einen Transformationsprozess der Stadt viel sichtbarer, als dies andere Gebäude machen.»

Mehrwert der Luzerner Hochhäuser bleibt aus

Der Mehrwert von Hochhäusern bleibe in der Schweiz jedoch durch den fehlenden Verdichtungsfaktor oftmals aus. Die in Luzern gebauten Hochhäuser würden für gut verdienende Personen gebaut und seien mit grossen Wohnungen ausgestattet. Ausserdem muss beim Bau eines Hochhauses meist aussenrum viel Platz gelassen werden (unter anderem aufgrund des Schattenwurfs).

«Häufig stehen Investorengedanken hinter dem Bau eines Hochhauses, nicht der Mehrwert für die Stadtentwicklung.»

Peter Schwehr, Professor für Architektur HSLU

«Von Verdichtung durch Hochhäuser kann also in der Schweiz nicht die Rede sein», so Schwehr. Er fügt an: «Häufig stehen Investorengedanken hinter dem Bau eines Hochhauses, nicht der Mehrwert für die Stadtentwicklung», so Schwehr. Denn gerade durch die hohe Sichtbarkeit ist ein Hochhaus auch als Statussymbol zu lesen, sowohl für die Architekten selbst, als auch für die Auftragsgeber.

Er steht deshalb momentanen Projekten, darunter dem Hochhaus in Kriens, kritisch gegenüber: «Die momentanen Hochhaus-Projekte in Luzern bringen aus meiner Sicht keinen Mehrwert für Ort und Stadt.» Grundsätzlich sehe er jedoch Potential in der Wohnform: «Wenn wir es schaffen, ein Hochhaus zu bauen, in dem eine Durchmischung der Bewohner stattfindet, suffiziente Wohnungen angeboten werden und eine Verdichtung erzielt wird, kann der Bau durchaus Sinn machen», meint Schwehr.

Luzern steht erst am Anfang

In Luzern ist man jedoch mit dem Bau von Hochhäusern erst am Anfang. Dies habe zum Teil raumplanerische Gründe, zum Teil auch mit der Sorge um den Erhalt von Landschafts- und Ortsbildern zu tun, meint Alex Willener. Aufgrund des ausbleibenden enormen Bevölkerungswachstums wie in asiatischen Städten fehle auch die Notwendigkeit für Hochhäuser: «Im Grunde genommen hat in Europa nur Frankfurt so etwas wie eine Hochhaus-Skyline», sagt Willener.

«Eine Skyline entsteht bereits jetzt in Luzern Süd.»

Alex Willener, Dozent für Soziokulturelle Entwicklung

Doch auch im Vergleich mit der restlichen Schweiz zählt Luzern bisher sehr wenige Hochhäuser. Denn unter anderem in Basel plant man bereits 160-Meter-Türme und auch in Zürich gibt es bereits etliche 100-Meter-Hochhäuser. Luzern hatte bisher das Nachsehen – noch: «Eine Skyline entsteht bereits jetzt in Kriens beziehungsweise in Luzern Süd», meint Willener.

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