Grafiker Erich Brechbühl

Der «Zen-Meister» vom Löwenplatz

In der Stadt angekommen: Kaum tritt Erich Brechbühl fürs Foto vor sein Atelier, wird er angequatscht. (Bild: lru)

Gründer des Kulturkellers im Schtei, Präsident des Plakatfestivals «Weltformat», aktivster Konzertbesucher der Stadt und einer der erfolgreichsten Grafiker Luzerns. Und fast nebenbei ist Erich Brechbühl einer der nettesten Menschen der Stadt. Wir haben ihm dennoch ein böses Wort entlockt.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Artikel über ihn erscheinen soll: «Luzern im März 1996, Café Brösmeli. Vis-à-vis sitzt Erich Brechbühl, sieht aus wie der nette Junge von nebenan, mit kurzen, dunkelblonden Haaren, wirkt gelassen und ein wenig verschmitzt.» Erich Brechbühl lacht, als er mit dem alten Zeitungsartikel konfrontiert wird, kann den Stolz nur schlecht verdecken. Bis in den Tages-Anzeiger schaffte es der damals 18-jährige Brechbühl. Er war drauf und dran, eine Karriere als Filmer einzuschlagen.

Aufgewachsen ist er in Sempach: Der Vater Bauingenieur, die Mutter Hausfrau, ein Bruder, eine Schwester: «Ich bin der Einzige, der jetzt in der Stadt wohnt.» Zusammen mit Marco Sieber, inzwischen Fotograf, und einigen anderen aufgeweckten Sempachern drehte Brechbühl als Jugendlicher Filme: «An Mittwochnachmittagen und in den Sommerferien haben wir uns selber organisiert, weil im Städtli nichts lief.»

Erich Brechbühl ist schon alt genug (38), um ins Schwärmen zu kommen, wenn er von früher erzählt: «Einer unserer Filme war ein Indiana-Jones-Remake. Eine Bunkeranlage diente als Inkatempel, das war grossartig.» Zum Indiana-Jones-Film gestaltete er sein erstes Plakat. Es folgte: Musisches zehntes Schuljahr in Luzern, Typographenlehre in Horw, Gründung des Kulturkellers «Im Schtei» in Sempach.

Der Abspann des Indiana-Jones-Films: «Ich stand nie gerne vor der Kamera, darum habe ich sonst alles gemacht.»

Der Abspann des Indiana-Jones-Films: «Ich stand nie gerne vor der Kamera, darum habe ich sonst alles gemacht.»

Dann beschliesst er, noch eine zweite Lehre anzuhängen, will Grafiker werden: «Ich hasse Mathi. Ich wäre nie Grafiker geworden, wenn ich dafür an die Kanti gemusst hätte». Doch der grosse Niklaus Troxler bietet ihm eine Lehre bei sich in Willisau an. «Nur er und ich in diesem Büro. Das war die einzige Lehrstelle, die ich wollte. Niklaus Troxler war schon vorher ein Vorbild für uns in Sempach, weil er mit dem Jazz Festival zeigte, dass man auch auf dem Land tolle Kultur veranstalten konnte. Er hat meine Entwicklung als Grafiker sehr geprägt. Und meine Eltern waren mega stolz.»

«Die Leute fragen immer: Wo lässt du deine Wut raus?»

«Höchstes Zen-Level erreicht»

Seit mehr als zehn Jahren wohnt Erich Brechbühl jetzt in Luzern. Nach dem Zivildienst im damaligen Jugendhaus «Wärchhof» blieb er. Längst sagt er «Milch» statt «Möuch». Der Dialekt hat sich abgeschliffen und auch sonst ist er keiner, der aneckt. Was geht ihm eigentlich auf den Sack? Erich Brechbühl grinst. «Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Ich weiss, es klingt wie ein Klischee, aber ich versuche immer das Beste aus einer Situation zu machen. Die Leute fragen mich immer: Wo lässt du deine Wut raus? Aber ich brauche das nicht. Ich habe mich im Griff.» Brechbühls Bürokollegin ist beim Thema hellhörig geworden und mischt sich ein. Sie wisse bis heute nicht, was ihn eigentlich ihn Rage bringen könne: «Erich hat das oberste Level des Zen erreicht.»

«Luzern soll die Grafikhauptstadt der Schweiz werden.»

Luzerner Grafik zieht international

Moskau, St. Petersburg und im Februar Wladiwostok. Im Moment tourt eine Ausstellung mit Luzerner Grafik durch Russland, Brechbühl hat sie mitorgansiert. Es ist nicht seine einzige: Letztes Jahr waren Luzerner Plakate in Peking und Berlin zu sehen. «An der Vernissage in Berlin waren 400 Leute, mehr als je in Luzern an einem Grafik-Anlass.» Im Ausland stösst die hiesige Grafik auf Interesse, in Luzern hingegen kann man das noch nicht behaupten: «Leute, die nicht in der Szene verkehren, wissen oft gar nicht, auf welchem Niveau hier Grafik gemacht wird.» Mit dem Plakatfestival «Weltformat», das Brechbühl mitgegründet hat, will er zu mehr Anerkennung verhelfen: «Luzern soll die Grafikhauptstadt der Schweiz werden.»

Beim Zeigen seiner alten Filme gerät Erich Brechbühl ins Schwärmen.

Beim Zeigen seiner alten Filme gerät Erich Brechbühl ins Schwärmen.

(Bild: lru)

Fürs «Weltformat», den Schtei und das Neubad gestaltet der 38-Jährige ehrenamtlich Plakate: «Das nimmt einen grossen Teil meiner Zeit ein.» Und auch andere Kulturveranstalter hätten häufig kein grosses Budget: «Mit diesen Kunden kannst du kein Geld verdienen.» Am Hungertuch muss er nicht nagen. Aber Brechbühl würde gerne mehr kommerzielle Aufträge erledigen. Die Aufgabe, ein Produkt gut zu verkaufen, reize ihn: «Ich habe da wenig Berührungsängste. Ich bin neugierig und habe noch fast nie einen Auftrag abgelehnt.» Es gäbe genug zu tun, die ganze Stadt sei zugepflastert mit Plakaten: «Aber wieso sind die alle so schlecht?»

Politisch, aber kein Politiker

Das Bekenntnis zum Kommerz überrascht. Denn bekannt sind auch einige von Brechbühls politischen Plakaten. Für den Erhalt der Industriestrasse hat er gestaltet und für ein carfreies Inseli. «Bei Politplakaten interessiert es mich, Inhalte auf den Punkt zu bringen. Und das ist gar nicht so einfach.»

«Es gibt keinen klassischen Brechbühl.»

Regelmässig für eine Partei zu arbeiten, Wahlplakate zu gestalten oder sogar selber aktiv in die Politik einzusteigen, darauf hat er aber wenig Lust: «Mich interessieren die konkreten Inhalte. Für einen Politiker kann ich zu wenig gut vor Leuten sprechen. Polemisieren ist nicht mein Ding. Mein Beitrag ist das Gestalten.»

Andere Grafiker beschreiben Brechbühls Stil als «inhaltlich». Viele Gestaltungselemente lassen sich aus dem Inhalt herleiten. Seine Plakate kommen je nach Thema sehr unterschiedlich daher: «Es gibt keinen klassischen Brechbühl. Ich mag nicht immer dasselbe machen.» Doch auch hier lässt er sich keine Kritik an Kollegen entlocken: «Es gibt verschiedene Stile und das ist auch gut so.»

«Beharrlichster Kulturkonsument Luzerns»

So vielfältig sein gestalterisches Engagement ist, so vielfältig ist auch sein kulturelles Interesse. In Brechbühls Zuhause direkt über seinem Büro am Löwenplatz brennt selten Licht. Das Kulturmagazin hat ihn einst zum «beharrlichsten Kulturkonsumenten Luzerns» gekürt. Und Brechbühl hat nachgezählt: 60 Konzerte, 23 Ausstellungen und 21 Theater hat er letztes Jahr besucht. Man könnte auch sagen: Jeden dritten Tag einen Kulturanlass.

Sein Lieblingsort in Luzern ist das Neubad, wo er selber als Vorstandsmitglied amtete: «Kultur ist häufig auch nur eine Form von Konsum. Im Neubad ist das anders.» Dort kämen verschiedene Leute zusammen, um selber aktiv zu werden. «Vielleicht ein bisschen wie in der Boa. Dass es immer noch Leute gibt, die im alten Theater ein Volkshaus einrichten wollen, finde ich huere ignorant. Haben die völlig verpennt, dass es das Neubad gibt?» Da ist es, Erich Brechbühls böses Wort.

In der Galerie sehen Sie einige von Erich Brechbühls Arbeiten aus den letzten 25 Jahren (auf die Lupe klicken, um das ganze Plakat zu sehen):

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