10 der putzigen Tiere geschossen oder überfahren

Der Waschbär wird in Luzern zunehmend heimisch

Putzig ist er, kann aber für grossen Schaden sorgen: Waschbär.

(Bild: Screenshot ntv)

Seit den 60er-Jahren leben Waschbären in Schweizer Wäldern. Jetzt haben die drolligen, aber unerwünschten Kleinbären Städte erobert. Spuren gibt es auch in unserer Region. Tatsächlich wurden in Luzern auch in diesem Jahr wieder Tiere überfahren und geschossen.

Letzte Woche wurde dokumentiert, wie ein Waschbär bei Zürichs Opernhaus neugierig (oder gar hungrig?) zwischen Passanten herumwatschelte und dann einen raschen Abgang machte. Sehr zum Erstaunen der Kulturmenschen – die aber zur Szenerie mehrheitlich lächelten.

Was in Zürich neu ist, ist bei der Golden Gate Bridge in San Francisco oder im Tierpark Goldau sehr beliebt: Der Mensch mag den Waschbären. Denn die putzigen Allesfresser sind auf den ersten Blick drollig und niedlich. «Trash Panda» nennt man sie in den USA: Panda der Güselkübel.

Spitzbuben mit Zerstörungspotenzial

Und sind sie auch nett? Nein: Der Waschbär ist ein Spitzbube mit Zerstörungspotenzial. Wissenschaftlich gehört der Waschbär zur Klasse der Säugetiere (Mammalia), zur Ordnung der Raubtiere (Carnivora) und zur Familie der Kleinbären (Procyonidae). Aber er ist als sogenannter Neozoon (Neubürger) auch ein Kulturfolger. Das heisst: Wie der Fuchs folgt auch er den Menschen. In Deutschland sind Waschbären schon eine veritable Seuche. Es hindert sie auch nichts, Städte zu erobern.

«Es ist realistisch, dass einige Tiere bei uns leben und vielleicht sogar für Nachwuchs sorgen.»

Christian Hüsler, Wildhüter Kanton Luzern

Und in unserem Einzugsgebiet? Christian Hüsler, Fachbearbeiter Jagd und Wildhüter vom zuständigen Amt Landwirtschaft und Wald (lawa) des Kantons Luzern, erklärt, dass in der Stadt und Agglomeration Luzern in letzter Zeit Sichtungen von Waschbären gemeldet wurden. «Es ist realistisch, dass einige Tiere bei uns leben und vielleicht sogar für Nachwuchs sorgen», so Hüsler.

In diesem Jahr wurde in Weggis ein Waschbär geschossen, ein weiterer vor zwei Jahren in Willisau. Im letzten Jahr wurden drei im Kanton Luzern auf Strassen überfahren. Der Peak mit vier geschossenen Tieren war vor zwei Jahren. Macht in den 10er-Jahren rund zehn geschossene und überfahrene Waschbären in der Region. Alles Einzelgänger, die wegen der geringen Fluchtdistanz und der Anpassungsfähigkeit nahe an Menschen gerieten. Zu nahe.

Dunkelziffer

Da lässt sich also mit einer Dunkelziffer rechnen, da das Säugetier sich gerne versteckt hält. Seine Statistiken lassen Hüsler zum vagen Schluss kommen: «Es könnte sich durchaus langsam eine Population etablieren.»

Der Jagdexperte weiss, dass es Jahrzehnte braucht, bis sich aus wenigen Einzeltieren eine eigenständige Kolonie entwickeln kann. Christian Hüsler warnt aber: «Sobald eine gewisse Populationsgrösse erreicht wird, steigen die Bestände exponentiell an.»

Zur Pelztierhaltung eingeführt

Die ersten Waschbären wurden vor etwa 80 Jahren zum Zwecke der Pelztierhaltung aus Nordamerika nach Deutschland eingeführt. Hüsler: «Die zwei etablierten Kolonien, bei Kassel und Berlin im Norden Deutschlands, sind freigelassen worden und entwichen aus einer Pelztierfarm.»

Diese wenigen Tiere benötigten rund 30 Jahre, bis ihr Bestand in deutschen Wäldern und Städten auf 300 Waschbären angewachsen war. Hüsler: «Weitere 15 Jahre später lag der Bestand bereits bei 20’000 Tieren.»

Der Waschbär ist in Deutschland längst eine Plage und verursacht Schäden. Dazu das SWR-Video von 2017:

Dank ihrer grossen Fruchtbarkeit zählt man heute in Deutschland bereits weit über eine Million – obwohl jedes Jahr von Jägern mehr als hunderttausend Waschbären geschossen werden. Seit letztem Jahr steht der Waschbär in Deutschland sogar auf der «Liste unerwünschter Spezies».

Das natürliche Habitat des Waschbären ist der Wald, wo das wendige Tier gern auf Bäume klettert und eine Gefahr für heimische Vogelarten darstellt. Bei Hunger geht der bis 70 Zentimeter lange und maximal neun Kilo schwere Kleinbär überallhin. Und er frisst alles: Gemüse, Gras, Früchte, Nüsse, Insekten, Mäuse, kleine Vögel.

Bei uns seit Mitte der Sechzigerjahre

In die Schweiz kam der Waschbär Mitte der Sechzigerjahre. Das erste dokumentierte Tier schwamm über den Rhein und erkundete den Aargau. In Zürich gibt es in letzter Zeit Anzeichen einer Häufung. «Immer wieder melden uns die Jäger, dass sie Waschbären im Wald oder in siedlungsnahen Gebieten gesehen haben», sagte Jürg Zinggeler von der kantonalen Fischerei- und Jagdverwaltung gegenüber dem «Tages-Anzeiger».

Zürich ist von Zug und Luzern nicht weit, und das Luzerner Amt bleibt aufmerksam. Denn: Viele Menschen bringen dieser Tierart, die in Nordamerika heimisch ist, Sympathien entgegen. Sie füttern die Waschbären mit Früchten und Küchenabfällen.

«Mit Fütterungen können Konflikte unter Umständen stark gefördert werden.»

Christian Hüsler

Hüsler: «Mit Fütterungen, sei es aktiv oder passiv über liegen gelassene Abfälle, können Konflikte unter Umständen stark gefördert werden.» Die deutschen Nachbarn haben gelernt: Wenn Waschbären dann fast zahm sind und immer mehr Artgenossen mitbringen, werden sie die Kleinbären nicht mehr los.

Zustände wie in deutschen Städten will man bei uns allerdings vermeiden.

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