Der neue Cheftrainer gibt sich bescheiden

Der Überqualifizierte: Wieso René Weiler «nur» den FCL übernimmt

«Es geht auch darum, dass man gerne zur Arbeit geht»: der neue FCL-Cheftrainer René Weiler.

(Bild: jal)

Am Freitagnachmittag leitet René Weiler sein erstes Training beim FC Luzern. Nach Weilers erfolgreicher Tätigkeit in Nürnberg und Brüssel hat seine Verpflichtung in der Zentralschweiz viele überrascht. Doch der 44-Jährige sieht im FCL Entwicklungspotenzial – und spielt die Bedeutung des Trainers herunter.

Für den FCL ist es ein veritabler Coup: René Weiler heisst der neue Mann an der Seitenlinie. Der Winterthurer ist seit seinem Abgang letzten Herbst in Belgien mit vielen Klubs in Verbindung gebracht worden; mit vielen besseren Klubs. Dass er sich für Luzern entschieden hat, wird von manchen als Abstieg empfunden. 

In dieses Bild passt – umgekehrt – der Stolz in der Swissporarena. Sportchef Remo Meyer erschien am Freitagvormittag mit einem strahlenden Lachen an die Medienkonferenz. Ein seltenes Bild. Meyer, der sich regelmässig sichtlich über Fragen von Journalisten echauffiert, musste sich in seinem ersten Amtsjahr beim FCL allzu oft wegen schlechter Neuigkeiten den Medien stellen. Nun trat der Altbüroner für einmal gerne vor die Mikrofone und Kameras. «Das Warten und die Geduld haben sich ausbezahlt – wir dürfen unsere absolute Wunschlösung präsentieren», sagte er.

Eine Erfolgsgeschichte

Dass der FCL für René Weiler von vielen als eine Schuhnummer zu klein erachtet wird, hängt mit dem Palmarès und dem Ruf des 44-Jährigen zusammen. 2013 führte er den FC Aarau in die höchste Liga, später verpasste er mit dem 1. FC Nürnberg den Aufstieg nur knapp, in Belgien holte er mit RSC Anderlecht gleich in seiner ersten Saison den Meistertitel und den Titel Trainer des Jahres.

Endlich mit einem Lachen: Stolz präsentiert Sportkoordinator Remo Meyer den neuen Cheftrainer des FCL.

Endlich mit einem Lachen: Stolz präsentiert Sportkoordinator Remo Meyer den neuen Cheftrainer des FCL.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Dennoch musste er den Brüsseler Verein letzten Herbst verlassen, es war ein unschöner Abgang, Fans und Boulevard machten Stimmung gegen ihn. Seither wurde sein Name bei praktisch jedem Verein genannt, der auf Trainersuche war, vor der Verpflichtung von Gerardo Seoane kürzlich auch bei Meister YB. Dass seine Rückkehr in die Super League jetzt «nur» nach Luzern führt, darüber mag sich René Weiler nicht allzu lange aufhalten. «Anderlecht hat sicher andere Möglichkeiten als Luzern. Aber ich habe grosse Lust, diese Arbeit anzunehmen.» Mehr Erklärungen brauche es da nicht.

Zwei auf derselben Wellenlänge

Sie kommen dann natürlich doch noch. Denn so einfach ist es eben nicht. Schliesslich hatte er in den letzten acht Monaten immer wieder Anfragen und Angebote. Doch er spielt die Bedeutung des Trainers – und somit seines Erfolges – herunter. «Ein Trainer alleine macht einen mittelmässigen nicht zu einem Topspieler – auch ich mache aus einem VW keinen Ferrari.» Das Team sei entscheidend, die Zusammenarbeit. Wieso gerade der FCL? «Ich war nach den Gesprächen überzeugt, dass Luzern ein guter Ort ist zum Arbeiten.»

«Ich habe einen Menschen kennengelernt, der ähnlich denkt wie ich.»

Remo Meyer, Sportchef FCL

Bereits im Winter, nach der Trennung von Markus Babbel, stand Remo Meyer mit René Weiler in Kontakt. Dass es damals nicht klappte, habe verschiedene Gründe gehabt, sagt Meyer, ohne näher darauf einzugehen. Doch das damalige Gespräch hat die Basis gelegt für die jetzige Verpflichtung des Winterthurers. Wenn Remo Meyer von dieser Begegnung erzählt, klingt es wie das Treffen zweier Seelenverwandter. «Ich habe einen Menschen kennengelernt, der ähnlich denkt wie ich», sagt Remo Meyer. Er spricht von Harmonie und Ehrlichkeit, davon, dass nicht die Liga oder die finanziellen Möglichkeiten im Vordergrund stünden, sondern – eben: das Team und die Zusammenarbeit.

René Weiler erklärt, wieso er sich für den FCL entschieden hat:

René Weiler spricht von denselben Werten, wenn auch weniger pathetisch. «Es geht nicht immer nur um die Rangierung, sondern darum, dass man gerne zur Arbeit geht.» Die Erfolgsaussichten in Luzern, die dämpfte Remo Meyer am Freitag gleich selber. «Die Realität in Luzern ist ein Mittelfeldplatz, also zwischen Rang 4 und 8.» Die Rückrunde habe zwar gezeigt, dass «Ausreisser nach vorne» möglich sind. Doch da ist nicht mehr die Rede von Titeln.

Sondern davon, junge Talente zu fördern. Und das spricht auch René Weiler an: «Ich habe Freude daran, Spieler weiterzubringen, und das kann man in Luzern ganz gut.» Es ist Teil eines Gesamtpakets, das ihn am Fusse des Pilatus überzeugt hat. «Luzern hat eine gute Vereinsstruktur, gute Fans, eine schöne Stadt.» Er hoffe, dass die Fans der Mannschaft auch mal eine Niederlage verzeihen, wenn das Engagement stimmt. Ob er in Zürich wohnen bleibt, habe er noch nicht entschieden. «Es würde sich auch in Luzern gut leben lassen.»

Lieber unspektakulär

René Weiler spricht überlegt, seine Worte passen zu seinem Auftritt. Obwohl nur fünf Jahre älter als Vorgänger Gerry Seoane, wirkt Weiler erwachsener, arrivierter. Es mag seine Erfahrung sein, sein Studium in Kommunikation, bestimmt auch sein Naturell. Nur einmal lässt er sich zu kritischen Worten hinreissen: über die Medien und die Tendenz, Neuigkeiten immer möglichst schnell und spektakulär zu publizieren. Ende Mai etwa die Nachricht über seinen vermeintlichen Wechsel nach Saudi-Arabien, der ihm unzählige mitunter besorgte Telefonate beschert habe. Oder diese Woche sein Wechsel nach Luzern, der bereits publik wurde, als noch Details geregelt werden mussten. «Haareraufend» sei das. Ein weiterer Punkt, in dem René Weiler die Ansichten von Remo Meyer offensichtlich teilt.

«Ich hoffe, dass man mir gegenüber auch ehrlich sagt, was man denkt.»

René Weiler, FCL-Cheftrainer

So ruhig René Weiler am Freitag auftritt: Ihm eilt der Ruf voraus, kompromisslos zu sein, auch wenn er damit aneckt. Er selber nennt es lieber konsequent. «Ehrlichkeit ist entscheidend, wenn man Leute führen muss. Und ich hoffe, dass man mir gegenüber auch ehrlich sagt, was man denkt.» Für ihn sei das die Basis zum Erfolg, und deshalb will er in Luzern weiter an diesem Kurs festhalten.

Trotz der Gefahren, die damit verbunden sind. Auch René Weiler dürfte bekannt sein, dass FCL-Hauptaktionär Bernhard Alpstaeg gerne öffentlich Klartext spricht. Dass im Verein manchmal auch solche sportlich mitmischen, die mit seinem Fachwissen wohl nicht mithalten können. Dazu äussern mag er sich allerdings nur ganz diplomatisch. Er kenne die Verantwortlichen noch nicht persönlich, sagt Weiler. Und es gebe in allen Vereinen Menschen, welche die Meinung des Cheftrainers nicht teilen. Drohen Reibereien oder Konflikte? «Das kann ich mir, Stand heute, nicht vorstellen.» Wenn ihm das gelingt, dürfte das vielleicht der wahre Coup sein.

Ruhig und gelassen: FCL-Cheftrainer René Weiler wurde am Freitag vorgestellt.

Ruhig und gelassen: FCL-Cheftrainer René Weiler wurde am Freitag vorgestellt.

(Bild: jal)

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon