Michael Portmann der Luzerner Band Cold Reading

Der Traum der Europa-Tournee – nach 20 Jahren Musik

Michael Portmann ist schon lange Teil der Luzerner Musikkultur.

(Bild: zvg)

Seit zwei Jahrzehnten treibt er sich in der Luzerner Kulturszene um. Er war in der Boa aktiv und Teil des Kollektivs «Luzern Rock City». Die Gitarrenmusik lässt ihn nicht los: Der 35-jährige Michael Portmann veröffentlicht am Freitag eine neue Platte. Seine Band Cold Reading hat Erfolg weit über die Grenzen hinaus.

Für das Treffen kommt Michael Portmann extra früher nach Luzern. Der Tag des Interviews widerspiegelt das heutige Leben des 35-Jährigen: Am Morgen unterrichtet er an der Primarschule in Olten, am Abend geht’s zur lauten Probe in den Sedel in Luzern. Portmann ist Leadsänger der Luzerner Indie-Punk-Band Cold Reading. Mit ihr feiert er diesen Freitag die Taufe der neuen EP «Sojourner» (siehe Box).

Die Band gehört zu den erfolgreichsten Musikexporten, die Luzern momentan zu bieten hat. Die Emo-Indie-Combo bespielt nicht nur in der Schweiz die Clubs, sie haben früh den Schritt nach Europa geschafft: Griechenland, Deutschland, gar das Musiker-Mekka Vereinigtes Königreich bespielten die vier Luzerner bereits.

Sedel-Band tourt durch Europa

Cold Reading besteht seit 2014. Portmann stiess dazu, als Christian Limacher und Arthur Londeix nach dem Aus des Luzerner Punk-Kollektivs Face The Front ein neues Projekt lancierten.

«Wäre ich 20, ich liesse alles stehen und liegen für die Band.»

Die Sedel-Band veröffentlichte 2016 das Album «Fractures & Fragments». Durch den Release und die Vernetzungen der Bandmitglieder in der europaweiten Indie- und Punkszene fuhren die vier Luzerner bald quer durch ganz Europa. «Es ging fast etwas zu schnell», lacht Portmann. Neben Job und Privatleben ist die Band ein «tolles, aber zeitaufwendiges Hobby».

Kann man von Punkmusik leben?

Ganz auf die Karte Musik könne er trotzdem nicht setzen, seinen Lebensunterhalt verdient Portmann als Primarlehrer. Kann man denn als Punkmusiker seinen Lebensunterhalt überhaupt mit Musik verdienen? Ja, aber: «Bei dem, was wir in unserer Nische pro Konzert verdienen, könnte man nur einen stark reduzierten Lebensstil führen – und müsste die ganze Zeit am Touren sein.» Dafür befinde er sich aber in der falschen Lebenssituation: «Wäre ich 20, ich liesse alles stehen und liegen für die Band.»

Die Band Cold Reading feiert am Freitag ihre EP «Sojourner».

Die Band Cold Reading feiert am Freitag ihre EP «Sojourner».

(Bild: zvg)

Portmann ist ein «alter Hase» im Luzerner Musikgeschäft – schon bald 20 Jahre treibt er sich um. Er war in Kollektiven wie A River Crossing oder Deus Ex Machina. Er arbeitete, spielte und veranstaltete früher in der Boa. Als «Urgestein» sieht er sich trotzdem nicht. «Dafür bin ich noch zu jung», lacht er. Portmann ist ein Veteran aus Zeiten von «Luzern Rock City», mit Deus Ex Machina war er auf dem letzten Sampler vertreten.

Damals, mit Deus Ex Machina, sei es das Ziel gewesen, einmal im Bus durch die Schweiz zu touren. Das haben sie nie erreicht. Jetzt, nach zwei Jahrzehnten als Musiker, ist Portmann mit Cold Reading so erfolgreich wie nie. Doch Portmann trauert keinen verpassten Chancen nach: «Ich habe heute einen spannenden Ausgleich zwischen Beruf und Musik.»

«Luzern Rock City war ein Kollektiv über die Genre-Grenzen hinaus.»

Wie hat alles angefangen? «Ganz zu Beginn haben wir einfach gemacht. Ich spielte kein Instrument und ein Freund fragte mich, ob ich nicht singen möchte. So kam ich zu meiner ersten Band.» Nach Punk kam Ska, nach Ska kam Hardcore. Nach Hardcore kam Post-Rock und jetzt Indie-Punk. Bei einer solchen Vielseitigkeit verwundert nicht, dass Portmann sagt: «Ich mag Genre-Bezeichnungen nicht, sie engen die Musik zu sehr ein.»

Beziehungsnetzwerke helfen

Solche Bezeichnungen führen dazu, dass sich Kleingruppen voneinander abgrenzen, so Portmann. Das sei früher besser gewesen: «Luzern Rock City war ein Kollektiv über die Genre-Grenzen hinaus. Heute backt jeder seinen eigenen Kuchen.» Luzerner seien oft kritischer mit den eigenen Künstlern als mit auswärtigen. «Dabei würde man besser zusammenspannen und sich gegenseitig pushen.»

Sänger Michael Portmann bei einem Konzert:

 

In dieser Beziehung machten es die Hip-Hopper besser. «Ich bin fast etwas neidisch auf die 041-Szene, dort ist der Support zum Beispiel auf Social Media spürbar grösser.» Auch Simon Borers «Red Brick Chapel», ein überregionales Musikerkollektiv, finde er eine tolle Idee. «Bei solchen Netzwerken braucht es jemanden, der es umsetzt und dann auch pflegt. Es braucht viel Zeit und Engagement.»

«Sojourner»-Plattentaufe

Am Freitag um 20 Uhr wird in der Jazzkantine die neue EP von Cold Reading («Sojourner») getauft. Gemeinsam mit A River Crossing, die gleichzeitig ihr neues Album «Sediment» taufen, spielen sie eine Doppelshow. Unterstützt werden die zwei Bands von Backwards Charm aus Salzburg. Der Eintritt kostet 15 Franken.

Denn genau so funktioniere auch die Szene, in der sich Cold Reading bewege: Man vernetzt sich auf internationaler Ebene – deshalb sei der Schritt ins Ausland so schnell möglich gewesen. «Unsere Subkultur ist zu klein, dass jeder sein eigenes Ding machen könnte – deshalb geht es schnell über die Grenze hinaus.»

So spielten sie bereits in Griechenland – ohne einen Song veröffentlicht zu haben. Manuel Hollinger, Tontechniker und ursprünglich aus Luzern, lebt in Griechenland und liess dort seine Kontakte spielen. Er kannte Cold Reading von Konzerten und die Musik gefiel – so half er der Band, an seinem neuen Wohnort in Griechenland zu ein paar Gigs zu kommen.

Album für nächstes Jahr geplant

Am Freitag wird nun erst einmal der zweite Release gefeiert. Zwar «nur eine EP», aber für die Band ist es eine Momentaufnahme. Und die feiert man direkt mit einer Deutschland-Tour. «Die Taufe in der Jazzkantine ist der Startschuss und das einzige Konzert in der Schweiz», sagt der Sänger. Auch deshalb dürfte das Lokal in der Altstadt zum Bersten voll werden.

Der nächste Schritt spielt sich aber nicht auf den Bühnen der Welt ab: «Wir spielen ausschliesslich in Deutschland, danach werden wir keine Gigs mehr annehmen», schaut Portmann voraus. Denn: Die Band plant bereits das nächste Album, im Sommer geht’s voraussichtlich wieder ins Studio. Man wird also auch künftig einiges zu hören bekommen aus dem Sedel.

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