Oliver Heeb fordert mehr Dialog in Luzern

Der SVPler mit Herz fürs Eichwäldli und für die Wagenburg

Findet sowohl die Wagenburg als auch das Projekt in der alten Soldatenstube bereichernd: Ex-SVP-Grossstadtrat Oliver Heeb. (Bild: bic)

Für den ehemaligen Stadtluzerner SVP-Politiker Oliver Heeb ist klar, dass ein urbaner Lebensraum nicht auf Projekte wie die Wagenburg bei der Allmend oder das Eichwäldli verzichten kann. Dafür brauche es aber Toleranz und ein gepflegtes Miteinander – und zwar unter allen Beteiligten.

Oliver Heeb erscheint etwas zu spät zum Interviewtermin im Helvetia-Gärtli in Luzern. «Ich musste noch einen Parkplatz suchen», entschuldigt er sich, um sofort nachzuschieben: «Ich hätte es ja wissen müssen. Ich hätte in diesem Fall locker auch mit dem Velo oder dem ÖV kommen können, habe mich aber kurzfristig entschieden, den Hund mitzunehmen.»

Heeb wohnt seit kurzem in Emmen. Zuvor lebte er fast sein ganzes Leben lang in Luzern, wo er geboren und aufgewachsen ist. Man merkt schnell, dass Luzern irgendwie immer noch seine Heimat ist. Ein Jahr lang sass er für die SVP im Stadtparlament und war Mitglied der Baukommission. Dort setzte er sich intensiv mit dem Thema Wohnen auseinander.

Vom Bauern zum Konfliktforscher

«Ich bin auch als bürgerlicher Ex-Politiker der Meinung, dass das Thema Wohnen in den Städten mittlerweile eines der wichtigsten und drängendsten ist», sagt der 57-Jährige. Dazu gehört für ihn beispielsweise die Frage, ob es in Luzern genügend erschwinglichen Wohnraum gibt. So erachtet er etwa das momentane Ausmass der kommerziellen Vermietung ganzer Wohnblöcke durch Anbieter wie Airbnb als sehr kritisch. Weiter beschäftigt Heeb das Thema alternative Wohnformen und wie die verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut gebracht werden könnten.

Das mag überraschen bei einem SVP-Politiker. Erstaunlich ist bei ihm aber vielmehr, dass seine Biografie ihn zur Volkspartei führte.

Denn solche politische und gesellschaftliche Fragen trieben den Luzerner schon immer um. Deshalb hat er nach der Lehre als Landwirt die Matura nachgeholt. «Ich war als junger Mann hauptsächlich in links-alternativen Kreisen unterwegs, war Vollblutpazifist und ging darum nicht ins Militär. In diesem Milieu gehören Fragen dieser Art logischerweise zum Alltag. Darum wurde mir klar, dass ich unbedingt an die Uni musste, um mich akademisch damit auseinanderzusetzen.»

«Alternative Lebensformen sollten im Rahmen der Stadtplanung immer mitgedacht werden.»

Heeb studierte Ethnologie und Politikwissenschaft mit Schwerpunkt internationale Beziehungen, schloss das Studium aber nie ab. Nach einem Einsatz als diplomatischer Beobachter auf dem Balkan vor dem Kosovokrieg absolvierte er erfolgreich ein Nachdiplomstudium in internationaler Konfliktlösung. Der Dialog gehörte während Jahren zu seiner täglichen Arbeit.

Er lebte während Jahren im Wohnwagen

Wenig überraschend beschäftigte Oliver Heeb auch die mediale und politische Diskussion rund um die «Familie Eichwäldli», die vor kurzem die Soldatenstube räumen musste. Er ist überzeugt, dass man gemeinsame Lösungen finden kann. Dazu gehöre aber auch, dass man die Spielregeln einhalte. «Ich bin der Meinung, dass alternative Lebensformen wie in der Soldatenstube oder in der Wagenburg gleich gegenüber in einer Stadt wie Luzern möglich sein müssten. Alternative Lebensformen sollten im Rahmen der Stadtplanung darum immer mitgedacht werden. Das gilt für alle Luzerner Agglogemeinden, die zusammen unseren urbanen Lebensraum bilden.»

Den Dialog forderte Heeb, der bis vor kurzem selbst während sechs Jahren in einem Wohnwagen im Lido-Camping lebte, auch verschiedentlich in der Kommentarspalte von zentralplus. Mit ein Grund, warum wir ihn zum Gespräch getroffen haben. Dass insbesondere viele Exponenten seiner Partei gegenüber Projekten wie dem Eichwäldli eher kritisch eingestellt sind und explizit die Räumung der Soldatenstube durch die Polizei verlangten, betrachtet er aufgrund der konkreten Umstände jedoch durchaus auch als legitim.

Seine eigenen Pläne mit dem Wohnwagen seien von vielen aus seinem Umfeld teilweise kritisch beäugt worden, da viele gleich an Randständige oder Fahrende dachten, erinnert sich Heeb. Es kam bekanntlich gut: Wohnwagenbewohner Heeb, dessen Nachbar tatsächlich ein Fahrender war, wurde für die SVP ins Parlament gewählt.

Die Europafrage prägte ihn

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf stellt sich natürlich die Frage, warum Oliver Heeb überhaupt Mitglied der konservativen Volkspartei ist, der in der Schweiz mittlerweile konsequentesten Vertreterin des freien Marktes und des Neoliberalismus. «Für mich ist Sicherheit ein wichtiges Thema. Deshalb arbeite ich seit meinem Studium bei der Securitas und war bis letzte Woche bei der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen im Bereich Sicherheit in den Zentren angestellt», erzählt Heeb. Im Bereich Migration stehe er für eine harte Linie.

«Wir leben in einem liberalen Staat und nicht in einer Anarchie.»

«Der Hauptgrund für meinen Beitritt zur SVP war aber, dass mich das Projekt EU überhaupt nicht überzeugt. Wir haben in der Schweiz ein geniales politisches System – auch dank glücklicher Fügungen in der Vergangenheit, die wir nicht uns alleine auf die Fahne schreiben können. Umso mehr sollten wir es nicht aufgeben und so weiterentwickeln, wie wir es wollen.» Die SVP, in der sich Heeb am linken Flügel verortet, sei die einzige Partei gewesen, die bei diesen Themen Hand geboten habe.

Will den Austausch fördern: Oliver Heeb im Helvetiagärtli in Luzern (Bild: bic).

«Die Gemeinden könnten noch aktiver sein»

Die wichtigste politische Theorie sei für ihn der Liberalismus, sagt Heeb. Er ist es, der beim SVPler Oliver Heeb Sympathien für die Wagenburg und die «Familie-Eichwäldli» aufkommen lässt. «Ich finde, jeder soll auf seine Art glücklich werden. Entscheidend ist einfach, dass man sich an die Regeln hält. Wir leben in einem liberalen Staat und nicht in einer Anarchie.»

Als ehemaliger SVP-Grossstadtrat würde es Heeb deshalb begrüssen, wenn betroffene Gemeinden zum Beispiel ein Gefäss schaffen würden, an die sich Grundeigentümerinnen wenden könnten, wenn sie eine Zwischennutzung realisieren möchten. «Hätte es ein solches gegeben, hätte man vielleicht auch den Knatsch rund um die Soldatenstube verhindern können.»

«Dies sind die Orte, wo Leben stattfindet, wo man interessante Leute kennenlernt.»

Dass gemeindeübergreifend gedacht werden müsse, sei gerade bei der Wagenburg bei der Allmend wichtig, für die Heeb innerhalb der Stadt Luzern keinen neuen Standort ausmachen kann. Gäbe es entsprechende Flächen, wäre er jedoch der Erste, der ein Projekt dieser Art unterstützen würde, führt er aus. Zumal Verzicht auf Luxus und Besitz längst nicht mehr ein rein linkes Thema sei. Das zeige insbesondere in den USA die «Tiny-House-Bewegung» (tiny bedeutet auf Deutsch winzig). Oft seien es aber Leute aus dem linken politischen Spektrum, die einfach am lautesten seien.

Ein Hoch auf das Unorganisierte

«Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Bewohner der Wagenburg bereit sein müssen, auch Standorte etwas ausserhalb der Kernstadt sowie den vorgegebenen Rahmen zu akzeptieren», betont Heeb. Dass es Kollektive gibt, die dafür bereit sind, zeigt das Projekt «Sur la Plage» im Ibach. «Damit dies und Projekte wie in die Soldatenstube möglich sind, muss man miteinander reden und keinen Kindergarten veranstalten», lautet Heebs Botschaft an die «Familie-Eichwäldli». Denn er sei überzeugt, dass man sich finden würde. Auch wenn Diskussionen in der nahen Zukunft nun vielleicht unter dem Schatten der Entwicklungen um die Soldatenstube stünden.

«Ich persönlich finde das sehr schade. Denn mir gefällt das Improvisierte im Eichwäldli und ich war schon mehrmals kurz davor, dort einen Kaffee trinken zu gehen», erzählt er. «Dies sind die Orte, wo Leben stattfindet, wo man interessante Leute kennenlernt und wo nicht alles auf den Kommerz ausgelegt ist. Das finde ich enorm spannend und macht einen wichtigen Teil des Urbanen aus», sagt Heeb zum Schluss.

Die ehemalige Soldatenstube ist mittlerweile verlassen und soll abgerissen werden (Bild: ber)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Xaver Inglin
    Xaver Inglin, 03.07.2021, 13:22 Uhr

    «Dies sind die Orte, wo Leben stattfindet, wo man interessante Leute kennenlernt und wo nicht alles auf den Kommerz ausgelegt ist. Das finde ich enorm spannend und macht einen wichtigen Teil des Urbanen aus», sagt Heeb zum Schluss.

    … das gefällt mir sehr gut.
    … genau solche Orte brauchen wir für eine lebenswertes Leben!

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