Luzernerinnen organisieren Treffen zu weiblicher Sexualität

«Der Samichlaus hat eben doch eine Klitoris»

Nanu? Die Klitoris wurde 1559 von Realdo Colombo entdeckt. (Screenshot: Le clitoris – Animated Documentary/Lori Malépart-Traversy)

Wo kann man in Luzern über seine Menstruationstassen, die weibliche Lust und Sexualität sprechen? Wohl nicht an vielen Orten. Deswegen laden Frauen des Frauenstreiks Luzern regelmässig zu Treffen. Dieses Mal zum Thema Klitoris.

In Aufklärungsbüchern wird sie oft vergessen oder höchstens als kleiner Punkt dargestellt. Vielfach wird sie unterschätzt, dabei gilt sie als das Organ des weiblichen Körpers, die alleine für die Lust da ist: die Klitoris. Und von wegen «Punkt» – denn so klein, wie früher angenommen, ist die Klitoris gar nicht. In erregtem Zustand kann sie bis zu zehn Zentimeter gross werden.

Eine Gruppe von Frauen des Frauenstreiks Luzern widmete der Klitoris einen ganzen Abend. Jeweils einmal im Monat laden sie zu einem Lesezyklus. Frauen tauschen sich übers Menstruieren aus, Menstruationstassen und sexuelle Gewalt. Von «da unten» war auch am Montagabend in der Zwischennutzung «Räzel» an der Luzerner Horwerstrasse nie die Rede. Sondern von Vagina, Vulva, Klitoris, und und und …

«Les femmes sont chanceuses»

Wie vor jedem Treffen steht ein Zeitungsbericht, ein Film oder Podcast am Anfang der Diskussion. Alle nehmen ihre Gedanken zum Beitrag mit, den sie gelesen oder gehört haben. Am Montag war das ein französischer Animationsfilm – «Le clitoris»:

Die weibliche Sexualität zum Thema machen

Doch weshalb braucht es diese Lesezyklen? «Es wird ständig über Sex gesprochen», sagt Eva, die die Arbeitsgruppe Sexualität mitgründete (siehe Box). «Aber selten ehrlich. Vieles findet keinen Platz – und nicht selten sind das Themen über die weibliche Sexualität.»

Es ist mit ein Ziel der Treffen, dass Frauen untereinander in einem geschützten Rahmen über die weibliche Sexualität sprechen können. Gerade wenn man das Gegenüber nicht kenne, sinke die Hemmschwelle, sagt Miriam. Durch die Lesezyklen habe sie selbst gemerkt: «Es ist gar nicht mal so schwierig, über die weibliche Sexualität zu sprechen.»

Auch geht es darum, herauszufinden, was man sagen möchte und was nicht. «Wenn eine nichts sagen möchte, ist das absolut in Ordnung», sagt Lea. «Es soll aber eine freie Entscheidung sein. Und nicht, weil man sich aus Scham nicht traut, etwas zu sagen oder einem die Worte fehlen.»

Der nächste Lesezyklus

Der nächste Lesezyklus findet am 27. Januar zum Thema «Sexualaufklärung» statt. Das Treffen ist offen für alle. Zu welchem Medienbericht du deine Gedanken mitbringen kannst und der genaue Treffpunkt werden noch kommuniziert. Mehr Infos gibt's bald hier.

Hinter den Treffen steht die Arbeitsgruppe Sexualität. Die vier Frauen Eva, Miriam, Lea und Eva organisieren die Treffen.

Von Freud und vorgetäuschten Orgasmen

«Les femmes sont chanceuses, elles possèdent le seul organe du corps humain qui sert uniquement au plaisir: Le clitoris», heisst es im französischen Animationsfilm. Also tauschen die Frauen sich bei einer Tasse Tee, spanischen Nüssen und Guetsli über die Klitoris aus. Das klingt beispielsweise so: «Sigmund Freud ist und bleibt der Erzfeind der Klitoris», sagt Eva.

Freud entwarf 1905 das Konzept des vaginalen Orgasmus. Dass frau nur kommen darf, wenn sie vaginal stimuliert wird. Frauen, die durch klitorale Stimulation zum Höhepunkt kämen, seien unreif, meinte der Tiefenpsychologe. Doch darüber, ob es den vaginalen Orgasmus überhaupt gibt oder ob er ein Mythos ist, scheiden sich die Geister. Auch noch im 21. Jahrhundert.

Nach Freud geht die Diskussion weiter, ob es wichtig sei, zwischen vaginalem und klitoralem Orgasmus zu unterscheiden. Darüber, wie kopflastig alles sei, wenn frau beim Sex «unbedingt vaginal» kommen muss. Es wurde über die weibliche Masturbation gesprochen, die viel «kopfmasturbiert» sei. Und dass wohl die meisten Frauen schon mal einen Orgasmus vorgetäuscht haben, um dem Mann nicht vor den Kopf zu stossen.

Die spanische Nuss, die Klitoris

Ganz so einfach, offen über alles zu sprechen, sei es jedoch nicht immer, sagt Eva. «Ich habe gemerkt, dass ich mit meinen Freundinnen und Freunden oftmals nicht so offen über Sexualität spreche. Weil es das Gefäss nicht gibt, sich einmal zwei Stunden hinzusetzen und gemeinsam über Sex zu sprechen.»

Wenn sich Frauen untereinander zu Themen über die weibliche Sexualität austauschen können, bringe das eine Stärke mit sich: «Es geht um Empowerment», sagt Miriam.

Ist von Feminismus die Rede, geht es oftmals um frustrierende Dinge, sagt Lea. Wie fehlende Gerechtigkeit, sexuelle Belästigung, Gewalt. Anders bei den Lesezyklen. Hier geht es um einen lustvollen, frohen Austausch, in einer lockeren Atmosphäre.

Miriam nimmt eine spanische Nuss aus dem Samichlaus-Säckli, das Eva zuvor auf den Tisch gestellt hat. Sie schält die Nuss, halbiert sie und sagt: «Sieht aus wie eine Klitoris. Der Samichlaus hat eben doch auch eine.»

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