Luzerner Kleintheater zeigt absurdes SVP-Musical

Der Roger, das «Vöukli» und die Wirbelsäule Christoph Blochers

Aus Ägypten zur SVP: Imbrahim al Merguezi, gespielt von Wael Sami Elkholy.

(Bild: zvg)

Das Kleintheater startete am Mittwoch in die neue Saison – in seine 50.! Und wie es das tat: mit einem Klamaukabend, der ganz der SVP gewidmet war. Das Musical «Sit so guet, s.v.p.» ist ein Fest für Ohren und Augen.

Die SVP greift 2019 nach der absoluten Mehrheit: 49,94 Prozent Wähleranteil vereint die erfolgsverwöhnte Volkspartei auf sich und feiert das an einem Buure-Zmorge. Die zwei SVP-Haudegen Roger de Cervelat und Fritz Landjäger geraten sich aber im parteiinternen Machtkampf in die Haare – mit Vorteil für den behäbigen Landjäger. Er reisst die Parteitrophäe an sich: das goldene Rückgrat der Nation, die Wirbelsäule des verstorbenen Parteiübervaters – Christoph wie wohl?

Das ist das Setting des Musicals «Sit so guet, s.v.p.». Es wurde im Sommer mit grossem Erfolg in der Berner Dampfzentrale uraufgeführt und hatte am Mittwoch im Kleintheater Premiere. Das Stück stammt aus der Feder der Berner Autoren Matto Kämpf und Raphael Urweider, zusammen mit Regisseur Dennis Schwabenland und dem Musiker Simon Hari (King Pepe) haben sie das SVP-Musical auf die Beine gestellt.

Die vier sind ein eingespieltes Team, das schon in verschiedenen Konstellationen zusammengearbeitet hat. Und auf der Bühne hat’s auch Luzerner Beteiligung: Die Musiker Marc Unternährer (Tuba und Bass) und Roland Bucher (Blind Butcher, Schlagzeug) sind Teil der famosen Band dieses Abends.

Nahezu 100 Prozent

Zur Musik spielt auch eine Story. Eine aus der SVP: Der versoffene Fritz Landjäger (Dominik Gysin) führt jetzt die Partei, Roger de Cervelat (Diego Valsecchi) sucht das Weite und nach neuem Erfolg – und er sieht die Hoffnung ausgerechnet im Ägypter Ibrahim al Merguezi (Wael Sami Elkholy) und der Südafrikanerin Cecilia de Buurenworst (Ntando Cele), die den Buure-Zmorge naiverweise crashen.

Hier ein Einblick:

Der Klamauk nimmt seinen Lauf und kennt keine Grenzen: Mit dem schier unbegrenzten Wählersegment der standhaften und unausschaffbaren Ausländer führt der windige Roger die Partei zu ungeahnter Grösse – einem Wähleranteil von sagenhaften 99,87 Prozent.

Die Partei mutiert zu einer arabisch-totalitären Truppe – Fritz Landjäger und seine thailändische bessere Hälfte Maithai Landjäger-Satay (grossartig schizophren: Malika Khatir) kassieren eine krachende Niederlage und ziehen zerstritten von dannen. Die tapfere Parteisoldatin Heidi fragt irgendwann resigniert, was denn aus ihrer SVP geworden ist: «Ds Volk bin ich, ihr händ käs Volk meh.»

Das letzte versprengte Grüppchen Linker formiert sich derweil zum drogenvernebelten Widerstand im Jura, die SVP-Bastion hat sich dagegen im Ballenberg breit gemacht. Es bahnt sich ein furioser Endkampf an.

Die unausschaffbaren Ausländer übernehmen die SVP – und führen sie zu angeahnter Grösser.

Die unausschaffbaren Ausländer übernehmen die SVP – und führen sie zu ungeahnter Grösse.

(Bild: jwy)

Jura vs. Ballenberg

Das SVP-Wahlprogramm bietet natürlich endlos Stoff für dieses herrlich überdrehte Stück. Es dominieren weniger die feinen Zwischentöne als vielmehr die platte Absurdität – aber hey: Wir sind hier in einem Musical! Das Maskottchen (Ist es Zottel?) hechelt herum, Roger stellt sich schliesslich als schwul (und später sogar als Walliser) heraus und Maithai als gar keine echte Thailänderin.

Dazu wird getanzt, gejohlt, gegrinst, gerappt, gestampft und gerockt. Über das «Erfolgsmodäll Switzerland», über «Chäs u Wurscht u Schwizerbluet», und der Araber und die Afrikanerin singen im Duett: «From the outside we are brown. From the outside we are black. But white is the colour of our bones and teeth.»

Songs wurden verhunzt und Parolen gedroschen und die Pointen fadengrade aufs Auge gedrückt. Nur das Publikum, das sich zwar hörbar amüsierte, blieb seltsam teilnahmslos auf den fast ausverkauften Rängen.

Beten gen Herrliberg

Eine orientalisch angehauchte Hymne auf Blocher war einer der skurrilsten Höhepunkte des Abends – die Gebetsteppiche wurden gen Herrliberg ausgerollt («Röschti gitz ab jetz am Spiess!»).

Und schliesslich hatte – zum Glück! – auch Matto Kämpf, seines Zeichens einer der lustigsten Zeitgenossen des Landes, zwei Kurzauftritte als Martullo «You Dreamer, du» Blocher und als Teil des Ehepaars «Vouk-Vöukli» – zum Totlachen und Geniessen.

Das Musical hatte mit seinen 90 Minuten zwar durchaus seine Längen, aber die Klischee-Stampferei, die der Produktion schon vorgeworfen wurde, macht eben genau den Reiz aus. Keine Kalauer, keine Blödelei, kein Stereotyp und keine Unkorrektheit wurden ausgelassen. Die Schärfe der rechtspopulistischen Parolen wurde so mit den naiven Waffen des Musicals abgestumpft. Kommt hinzu, dass nicht nur die Band und die Songs aus der Feder von Simon Hari, sondern auch die Schauspieler durchs Band überzeugten.

Ein Buurezmorge läuft etwas aus dem Ruder: Die völlig überdrehte Maithai (stehend) neben Ur-SVPlern Fritz Landjäger und Heidi de Cervelat von Schüblig.

Ein Buure-Zmorge läuft etwas aus dem Ruder: die völlig überdrehte Maithai (stehend) neben Ur-SVPlern Fritz Landjäger und Heidi de Cervelat von Schüblig.

(Bild: zvg)

Auf in die Jubelsaison

«Sit so guet» war der Saisonauftakt zur Jubiläumssaison: 50 Jahre Kleintheater feiern wir heuer. Und es soll eine ganz spezielle Saison werden – mit viel Platz für Nostalgie, aber wie immer auch am Puls des aktuellen Schweizer Bühnenschaffens.

Da war der Mittwoch schon mal ein Vorzeigeabend, der Appetit auf mehr machte: Viele bekannte Gesichter, die das Kleintheater zur Genüge kennen, standen auf der Bühne. Und noch viel mehr vertraute Gesichter erspähte man in den Stuhlreihen.

Weitere Vorstellungen von «Sit so guet, s.v.p.» im Kleintheater: Do 14., Di 19. und Mi 20.9, jeweils 20 Uhr.

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