So macht man eine Hochschule

Der neue Campus in der Zuger Pampa

Steht im leeren Raum: René Hüsler. Heute sind hier die Böden schon eingezogen. Bald kommt das Mobiliar. Der Ärger mit dem Zuger Stadtparlament? Schon lange vergessen. (Bild: screenshot)

Noch ist hinter den Gleisen in Rotkreuz Wiese. Bald kommt da eine Hochschule hin. Und 1500 Studenten. Täglich. Der Direktor des Departements Informatik ist zuversichtlich – obwohl sein Team im Moment noch aus einer Wohnung heraus arbeitet.

Wer hier die Türschilder absucht, findet Familiennamen. Und nur bei einem der Schilder «Hochschule Luzern – Informatik». Ein ganzes Hochschul-Departement in einer Wohnung? Hier, das ist im vierten Stock des roten Suurstoffi-Gebäudes, weit über den langen weissen Zähnen, die das Gebäude in die Erde schlägt. Gleich hinter dem Rangiergleis der SBB. Es ist ein Wohnzimmer mit offener Küche, in dem die ersten fünf Mitarbeitenden des neuen Hochschul-Departements arbeiten. Vielleicht wirkt die Atmosphäre deshalb etwas verschwörerisch. Und sie passt: Wenn weltbekannte IT-Unternehmen in Garagen entstehen können, dann kann eine IT-Hochschule auch in der Wohnung starten.

René Hüsler sitzt am Bistrottisch und zeigt zum Fenster hinaus: Rotkreuz im Morgennebel, Gleise, Pendler, Autos, Überbauung, Platz für seine Hochschule. Hüsler ist Direktor des Departements Informatik der Hochschule Luzern (HSLU). «Hier wird der Neubau hinkommen», sagt Hüsler. «Diese beiden Häuser werden abgerissen, bis 2019 steht das neue Gebäude.»

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Erst kürzlich hat die Jury entschieden, welches der eingereichten Projekte weiterverfolgt werden soll. Ende April will sie diesen Entscheid publizieren. Hüsler sitzt selber in der Jury. «Es wird ein tolles Gebäude. Vielleicht nicht so überwältigend wie die Gebäude anderer Fachhochschulen, etwa das Toni-Areal. Aber es wird uns auf jeden Fall eine eigene Identität geben.» Und vor allem wird es genug Platz bieten. «Wir können in der Suurstoffi weiter wachsen und müssen nicht gleich wieder den Standort wechseln.»

Viel Aufwand für drei Jahre Zwischennutzung

Bis allerdings endlich im neuen Gebäude gelehrt werden kann, muss die Hochschule noch zweimal zügeln. Zuerst in die Übergangslösung in der Suurstoffi 12 und 41. Da werden gerade die Innenausbauten gemacht: Handwerker verlegen die Böden. «Sie müssen bis im Juni fertig sein», sagt Hüsler und zeigt die Pläne: ein grosser Hörsaal, viele Seminarräume, eine Mensa und Büros. Viel Aufwand für drei Jahre Zwischennutzung. Aber die HSLU wollte mit der Gründung des neuen Departements nicht mehr zuwarten. «Es war ein Momentum da, und das wollten wir nutzen», sagt Hüsler. «Seit ich vor 12 Jahren angefangen habe, bei der HSLU zu arbeiten, steht die Idee im Raum: alle Informatikaktivitäten der Departemente zusammenschliessen und ein neues Informatik-Departement gründen. Dann gab es plötzlich die Chance.»

Hüsler hat es sich lange überlegt, ob er sich auf den Job bewerben soll. Davor war er Direktor des Departements Technik&Architektur. «Das war auch eine hochspannende Aufgabe», sagt Hüsler. «Ich musste mir gut überlegen, ob ich jetzt noch etwas Neues anpacke oder nicht.» Er hat, und hat sich durchgesetzt, bei 86 Bewerbern. Und dann gleich nochmal, bei Unternehmen und Sponsoren in der Region: Eine Million Franken musste er auftreiben, um die Aufbaufinanzierung des neuen Departements sicherzustellen. Eine weitere Million steuert der Kanton Zug bei, die dritte Million kommt von der Hochschule Luzern.

Die Finanzierung war nicht das einzige Problem: In der Stadt Zug gab es Aufruhr, weil die HSLU sich nicht in Zug niederlassen wollte, sondern in Rotkreuz. «Das ist heute kein Thema mehr», sagt Hüsler. «Ich habe schon länger keine Kritik zum Standort mehr gehört.» Die Anfangsschwierigkeiten sind vergessen, jetzt steuert das Projekt auf die Zielgerade zu.

«Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass wir hier in der zweiten Reihe sitzen, im Gegenteil.»

René Hüsler, Direktor Informatik-Departement

Man sei im Zeitrahmen, sagt Hüsler, wenn auch etwas knapp. Wenn im April das Projekt für den Neubau bekannt gegeben wird, laufen im Hintergrund die Vorbereitungen für den Semesterstart auf Hochtouren. Hüsler ist quasi alleine hier draussen, der Rest der HSLU ist in Luzern und Horw. Ist das ein Vor- oder Nachteil? «Der Entscheid für den Standort habe ich nicht gefällt. Aber ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass wir hier in der zweiten Reihe sitzen, im Gegenteil: Die Dichte der IT-Firmen ist im Kanton Zug höher als in anderen Kantonen, wir sind hier genau richtig positioniert.»

Zwar sitzen erst fünf Leute in den Büros des neuen Departements, aber hinter den Kulissen sind schon viel mehr Mitarbeitende mit dem Aufbau beschäftigt: alle die Menschen, die in der Informatik der anderen Departemente beschäftigt sind. Sie arbeiten im Moment für zwei Chefs. «Sie müssen ihre normale Arbeit erledigen und gleichzeitig die Module für das neue Departement vorbereiten», sagt Hüsler. «Für diesen grossen Einsatz bin ich sehr dankbar.» Und wenn das Ganze losgeht, im September, dann wechselt eine ganze Reihe von Mitarbeitern den Arbeitsort. Wie geht es ihnen dabei? «Da gibt es zwei Seiten: Viele freuen sich auf die neue Aufgabe. Gleichzeitig ist es auch ungewiss, wie der neue Arbeitsplatz sein wird. Das verunsichert gewisse Angestellte.»

Das gilt noch als «auf dem Campus»

Es würden auch zwei verschiedene Kulturen zusammengeführt. «Ich bin überzeugt, dass wir das hinbekommen», sagt Hüsler. Wird Hüsler die Kultur seines ehemaligen Departements durchdrücken? «Nein. Die Gefahr besteht natürlich, denn ich habe diese Umgangsformen ja mitgeprägt. Aber wir werden darauf achten, dass sich eine neue Kultur bilden kann, in der sich alle Mitarbeiter wiederfinden.» Dann der neue Arbeitsort in Rotkreuz statt in Luzern oder Horw, das könne ebenfalls für Ungewissheit sorgen. «An das Pendeln wird man sich aber schnell gewöhnen», sagt Hüsler. «Zehn Minuten im Zug, das gilt in anderen Ländern noch als ‹auf dem Campus›.»

Apropos Campus: Hüsler baut nicht nur ein neues Departement, er baut eine neue Hochschule, im Kleinformat. Mit allem Drum und Dran: Studierendenwohnungen, Hochschulsport, Mensa. Wie belebt man eine Hochschule? Wie macht man, dass sie funktioniert? «Das sind zwei verschiedene Fragen», sagt Hüsler. «Funktionieren wird sie aufgrund der Abläufe und der Organisation. Wir sind jetzt gerade dran, diese Arbeiten zu Ende zu bringen. Beleben werden wir die Hochschule, indem wir ein spannendes Curriculum aufbauen und interessante Angebote auch für die Öffentlichkeit machen.» Auch neben dem eigentlichen Lehrplan. «Wir sind mit der Gemeinde in Gesprächen, damit wir unter anderem die Turnhallen für den Hochschulsport benutzen können», sagt Hüsler.

Da fährt eine Hochschule ein, aus der Stadt mitten in die Provinz, krempelt alles um, bringt täglich 1500 Menschen ins Dorf. Ob er die Gemeinde nicht überfährt mit seinen Plänen? Die HSLU hat immerhin grosse Erfahrung in den Verhandlungen mit der Stadt Luzern – die Gemeinde Rotkreuz hat keine Erfahrung in der Verhandlung mit Hochschulen. «Im Gegenteil, sie freuen sich sehr auf den Hochschulstandort und sind auch sehr engagiert. Und es ist ja nicht so, dass wir kommen und Forderungen stellen», sagt Hüsler. «Wir haben das gut vorbereitet, die Gemeinde weiss, was auf sie zukommt.»

 

Platz für Studenten: Hier wird ab Sommer 2016 drei Jahre lang unterrichtet.

Platz für Studenten: Hier wird ab Sommer 2016 drei Jahre lang unterrichtet.

(Bild: zvg)

 

 

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