Kulturelle Zwischennutzung in Zug

Der Narr in der Ankenwaage

Severin Hofer hängt in der Matte im obersten Stock der Ankenwaage. Eine Matratze darunter: Für alle Fälle... (Bild: pbu)

Bis zum Einzug der Ludothek soll die Zuger Ankenwaage für kulturelle Zwecke zwischengenutzt werden. Für einmal nimmt sich die Stelle für Kultur aus diesem Prozess raus und übergibt einem lokalen Künstler das Hoheitsrecht über das Gebäude. Dieser hat eigentlich gar keinen Plan – trotzdem funktioniert das Konzept bestens.

Die leerstehende Zuger Ankenwaage war lange Zeit Stein des Anstosses. Was soll rein? Eine Tapas-Bar? Auf keinen Fall, nachts soll Ruhe herrschen! Ein Quartiertreff? Nee, niemand hat Zeit, keiner hat Lust. Nach langem Hin und Her war im Juli dieses Jahres dann endlich Schluss mit der Suche nach einem geeigneten Nutzer: Die Ludothek soll es werden.

Nächstes Jahr werde diese von der Baarerstrasse in die Ober Altstadt ziehen. Plötzlich waren alle zufrieden. Die Anwohner hätten keine nächtlichen Lärmemissionen zu befürchten und gleichzeitig werde die Ludothek zu einer angenehmen und moderaten Belebung der Altstadt beitragen, sagte damals der Zuger Finanzchef Karl Kobelt (zentral+ berichtete).

Eine «subtile Zwischennutzung»

In der Zwischenzeit steht das dreigeschossige Gebäude in der Ober Altstadt 18A für kulturelle Zwecke zur Verfügung. Seit September wird das leerstehende Gebäude kulturell belebt. «Der junge Zuger Künstler Severin Hofer hat bisher verschiedene Akteure eingeladen, um die Ankenwaage zu bespielen», erzählt Mercedes Lämmler von der Stelle für Kultur. Die Wahl Hofers sei dabei ein bewusster Akt gewesen. Schliesslich habe er überall einen Fuss drin und sei sehr umtriebig in der Zuger Künstlerszene unterwegs. «Severin Hofer kennt sich in der ‹Szene› bestens aus und verfügt über ein breites Netzwerk», konstatiert sie.

«Ich geniesse hier eine Art Narrenfreiheit.»

Severin Hofer, Zuger Künstler

Ein lokaler Künstler hält also das Zepter in den Händen. «Ich halte etwas das Zepter», präzisiert Hofer. Denn die Stelle für Kultur sei nicht ganz raus, sondern halte stets Rücksprache mit dem «temporären Kulturvermittler» Hofer. Dieser fungiere als Bindeglied, als Zwischeninstanz zwischen Kulturschaffenden und der behördlichen Stelle. Trotzdem: «Ich geniesse hier eine Art Narrenfreiheit», sagt Hofer, «und betreibe eine subtile Zwischennutzung.»

Bis Ende dieses Jahres wird Hofer in der Ankenwaage walten können. Dann beginnen die Sanierungsarbeiten, wie Claudine Oswald von der Immobilienabteilung der Stadt Zug erklärt: «Es erfolgen betriebliche Anpassungen. Treppen werden absturzsicher gemacht und Teppiche erneuert.» Dies sei notwendig, um die neu geltenden Vorschriften einzuhalten. «Die Arbeiten dauern ungefähr bis Ende Februar oder Mitte März 2016. Der Einzug der Ludothek ist nach Fertigstellung der Sanierungsarbeiten vorgesehen, also circa Mitte bis Ende März», sagt die Gebäudebewirtschafterin.

Kein Masterplan

Er habe dabei von Anfang an klar gemacht, dass bei ihm mit Druck nicht viel zu erreichen sei. «Die Kulturstelle macht mir keine Vorgaben, wer die Ankenwaage auf welche Art und wie oft bespielen soll. Mir wurde keine Bringschuld auferlegt», erklärt er. «Es lastet keine Erwartungshaltung auf mir.» Will heissen: Es besteht kein von A bis Z durchorganisierter Masterplan für die Zeit der Zwischennutzung und es ist auch nicht vorgesehen, dass die Ankenwaage nonstop mit irgendeiner kulturellen Veranstaltung bespielt wird.

«Eine Behörde könnte hinderlich wirken.»

Mercedes Lämmler, Stelle für Kultur Zug

Ungewissheit und Vorfreude bei der Ludothek

Im Sommer 2016 oder bereits im März oder gar noch früher? Bei der Ludothek, die definitiv in die Ankenwaage einziehen wird, werde man noch immer im Ungewissen darüber gelassen, wann denn der Umzug anstehen wird. «Das ist wohl immer so, wenn es um städtische Immobilien geht», mutmasst Jolanda Zürcher, die Präsidentin der Ludothek. Das sei zwar ärgerlich, aber letztlich überwiege die Vorfreude auf die neue Lokalität.

Der neue Standort in der Ober Altstadt sei ein echtes Plus, sagt Zürcher. «Gerade für Kinder ist die Lage super, ganz im Gegenteil zum aktuellen Standort.» Einziges Minus wäre die Tatsache, dass man nicht mehr mit dem Auto vorfahren könne. Etwas, das sich viele Zuger gewöhnt seien. Doch Zürcher sieht dies pragmatisch: «Das ist eine Chance. In der Altstadt werden andere Leute in die Ludothek kommen als hier an der Baarerstrasse.»

Neuer Standort, neues Publikum. Die Nettonutzfläche werde indessen in etwa gleich bleiben. Einzig die Verteilung wird sich radikal ändern: «In der Ankenwaage wird sich die Ludothek über drei Etagen verteilen. Heute ist alles auf einer Ebene. Das wird schon eine grosse Umstellung sein», sagt Zürcher.

«Wir haben nicht alles bis ins kleinste Detail geplant, sondern lassen einen grossen Teil einfach passieren», sagt Hofer. Und wenn für einmal nichts passiert, dann sei dies auch kein Problem. Die einzige Regelmässigkeit seien Yoga-Kurse, welche seit September täglich in der Ankenwaage stattfinden. Ende November gibt es dann noch ein Konzert von Ay Wing sowie eine Tanzperformance von Seraina Sidler-Tall und Maja Luthiger. Am 29. November feiert zudem eine neue Zuger Band Premiere. Anfang Dezember findet der Kartenwettbewerb vom Paettern und dem Jaz statt. Der Rest bleibt vorerst offen.

Das sei voll und ganz nach dem Gusto des jungen Zuger Künstlers. Nichts solle überhandnehmen, meint dieser. Ein weiterer Vorteil: Allfällige behördliche Hindernisse werden klein gehalten. Denn, so sagt selbst Mercedes Lämmler, «eine Behörde könnte hinderlich wirken.» Das sei aber nicht so zu verstehen, dass sich die Behörden «querstellen» würden oder an sich als Hindernis fungierten. Hinderlich insofern, als Kulturschaffende gar nicht erst versuchten, ein zwischengenutztes Gebäude zu bespielen, weil die damit verbundenen bürokratischen Hindernisse sie abschrecken würden.

Dann klappts auch mit den Nachbarn

«Die Kultur und das Geld, das ist ein schwieriges Paar», sagt Hofer. Sowieso wäre es ihm am liebsten, wenn er möglichst nicht mit Geld in Berührung käme. Auch deshalb funktioniere es mit der Zwischennutzung in der Ankenwaage, weil das Finanzielle keine Rolle spiele. «Das nimmt mir den Druck, die Ankenwaage kommerziell nutzen zu müssen», sagt Hofer. Entsprechenden Anfragen habe er abgesagt.

Ansonsten aber wäre das Haus offen für Projekte jeglicher Art. «Ich wende niemanden per se ab», sagt Hofer und fügt an: «Die Leute sprechen mich an, ich schätze ab, ob das Projekt funktionieren kann, und lasse es dann einfach auf mich zukommen.» Auch für ihn sei das Ganze ein Experimentieren. Und doch, eine Bedingung fügt Mercedes Lämmler an: «Es muss ins Quartier passen.» Auch die Zwischennutzung solle, wie die Ludothek, zu einer subtilen, einfachen Belebung der Altstadt beitragen.

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