Kinderwunsch

Der Muttertag ist für Iris kein Freudentag

Der Teddy ist schon da, doch das Kind fehlt. (Bild: Julia Stirnimann)

Der Muttertag – es wird im ganzen Land gefeiert, gedankt und geschenkt. Für eine junge Frau aus Sursee hingegen ist der Tag eine schmerzhafte Erinnerung an den bislang unerfüllten Kinderwunsch. Sie hat zentral+ ihre ganz persönliche Geschichte erzählt.

Jedes sechste Paar in der Schweiz bleibt ungewollt kinderlos – Tendenz zunehmend. Das vermeldet unter anderem das Internetportal Swissmom. Die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat Iris*. Seit zwei Jahren wünschen sich die junge Frau aus Sursee und ihr Mann ein Kind. Der Muttertag erinnert die 31-Jährige schmerzhaft an ihren bislang unerfüllten Wunsch – und ihre Fehlgeburt. zentral+ hat ihre Gedanken notiert:

«Der Muttertag ist zwar nicht der schlimmste Tag im Jahr, nein. Aber schön ist er auch nicht. Die schlimmsten Tage sind für mich im Januar und im August: Im Januar des vergangenen Jahres habe ich mein Kind verloren, welches im August hätte zur Welt kommen sollen.

Im August, an den Tagen um den vorausgesagten Geburtstermin, ging es mir so schlecht, dass ich nur mit Medikamenten einschlafen konnte. Auch diesen Januar waren die Erinnerungen an die Fehlgeburt wieder sehr präsent. Allerdings ist auch der Muttertag nicht besonders entspannt. Denn eigentlich fühle ich mich schon wie eine Mutter – bloss bin ich noch keine: Ich habe kein eigenes, lebendiges Kind. Der Wunsch danach ist aber unendlich gross.

Wir nehmens locker, wir haben ja Zeit

Wir haben uns das damals alles recht simpel vorgestellt: Im Sommer vor zwei Jahren war die Hochzeit – eine grosse Feier mit vielen Leuten. Unzählige Male haben Gäste entweder in Ansprachen oder beim Zuprosten irgendwas von «baldigem Kindersegen» gesagt. Ich habe jedes Mal gestrahlt und unauffällig nicht zu viel getrunken, denn ich hatte die Pille schon zwei Monate vor dem grossen Fest abgesetzt. Wir wollten es locker angehen mit der Familienplanung, mal schauen, ob es einschlägt.

Aber es schlug nicht ein. Ich hätte getrost mehr trinken können, denn ein paar Tage nach der Hochzeit bekam ich bereits meine Periode und wusste, dass es noch nicht geklappt hat. Ich nahm es noch gelassen. Abends ging ich in den Ausgang und trank bewusst ein bisschen über den Durst. Damals war das eine Art Trotzreaktion: Ich bin ja eh nicht schwanger. Dies war aber nicht der einzige Gedanke. Während ich mit meinen Freundinnen feierte, dachte ich auch still und heimlich: Wer weiss, vielleicht ist dies das letzte Mal für lange Zeit? Vielleicht bin ich schon bald Mami?

Zwei blaue Linien und viel Freude

Einige Wochen später war es bereits soweit. Ich erwartete meine Periode. Diese verspätete sich jedoch. Nach einem Tag habe ich mir noch nichts gedacht. Nach zwei Tagen kaufte ich einen Schwangerschaftstest. Komischerweise war mir das irgendwie peinlich, als ich mich in der Migros bei der Kasse in die Schlange stellte. Ich hatte absichtlich noch ein paar Lebensmittel dazu gekauft. Damit überdeckte ich den Test ein bisschen. Zum Glück war niemand im Laden, den ich kannte. Ansonsten hätte ich wohl rechtsumkehrt gemacht und wäre mit meinem Einkaufskorb noch ein bisschen herumgeschlichen bis die Luft rein gewesen wäre.

Schon wenige Minuten später hatten wir Gewissheit: Ja! Schwanger! Dieses Gefühl ist unbeschreiblich: Werden wir gute Eltern? Wird es ein Mädchen oder ein Junge? Wie wird die Umgebung reagieren? Wie meine Chefin? Wie wird sich die Beziehung zu meinem Mann verändern? Diese und viele andere Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ängste auch. Aber die Freude nahm Überhand. In meinem Bauch war unser Würmchen, und es wuchs zu einem Kind heran.

Warum wollte unser Würmchen nicht bei uns bleiben?

«Sie sollten sich jetzt einige Tage schonen. Sie bleiben bis übermorgen zur Überwachung im Spital. Danach sind sie für eine gute Woche krankgeschrieben.» Dies waren die Worte der Ärztin nach der Ausschabung im Januar 2012: Unser Würmchen hat nicht überlebt.

In der 13. Schwangerschaftswoche ging ich mit Bauchschmerzen zur Gynäkologin. Von dort aus ins Spital: Ausschabung. Welch schreckliches Wort. Unser Würmchen wurde begraben. In einem Grab mit vielen anderen anonymen Föten. Das war nun also die Geburt unseres ersten Kindes. So habe ich mir das nicht vorgestellt.

Die Trauer, die mich überfiel, war immens. Werde ich jemals wieder den Mut haben, schwanger zu werden? Wieviel hat das Kind schon mitgekriegt? Hatte es Schmerzen? Warum wollte es nicht bei uns bleiben? Diese Gedanken plagten mich. Liessen mich viele Nächte wachliegen. Liessen mich weinen, wenn ich einen Kinderwagen oder schwangere Frauen sah.

Fertig mit der Lockerheit

Auch jetzt, mehr als ein Jahr später, geschieht das manchmal: Ich sehe eine Frau mit Baby und kämpfe sofort mit den Tränen. Oder Freundinnen erzählen mir begeistert, dass sie ein Kind erwarten. Und ich kann mich einfach nicht richtig darüber freuen. Kaum jemand weiss, dass mein Mann und ich uns sehnlichst ein Kind wünschen. Die Schwangerschaft hatten wir noch nicht kommuniziert, deshalb wissen auch fast nur unsere Eltern von der Fehlgeburt.

Manchmal frage ich mich, ob es besser gewesen wäre, wir hätten unseren Freundeskreis informiert. Dann wieder bin ich froh, dass wir es nicht getan haben. Ich will nicht, dass meine Freundinnen mir kaum zu erzählen wagen, dass sie schwanger sind. Ich will wenigstens so tun können, als ob ich mich freuen würde. Klar, ich mag es allen von Herzen gönnen, dass sie eine Familie gründen. Und ich bemühe mich auch, so zu reagieren. Daheim jedoch werde ich sehr traurig und denke an unser eigenes kleines Würmchen. Und frage mich, wann wir dieses Glück erleben dürfen. Werden wir es überhaupt je erleben?

Die Romantik geht flöten

Vor einem guten halben Jahr haben wir erneut aufgehört zu verhüten. Wir versuchen uns jeden Monat wieder betont lässig an die «Produktion» zu machen. Von Romantik jedoch keine Spur. Wie soll da noch prickelnde Stimmung aufkommen, wenn der Geschlechtsverkehr vor allem dann stattfindet, wenn ein Smiley auf der Ovulationstest-Anzeige erscheint?

Wir haben uns deshalb dazu entschieden, die Sache entschlossener in die Hand zu nehmen: Bald haben wir einen Termin in der Kinderwunschklinik. Dort werden wir die nötigen Abklärungen treffen, um zu erfahren, warum es so lange nicht geklappt hat. Ein Trost ist, dass ich bereits einmal schwanger war. An diesem Strohhalm klammern wir uns fest.

Und doch: Je näher der Muttertag rückt, desto trauriger werde ich wieder. Überall diese Werbung für Blumen, Pralinen, Überraschungen, die Kinder für ihre Mamis kaufen sollen. Nicht, dass ich unbedingt etwas davon wollte. Ich will ein Kind. Wir wollen ein Kind. «Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr», sagt man. Für uns stimmt das leider nicht. Vielleicht können wir ja bald beweisen, dass auch der zweite Teil der Aussage auf uns nicht zutrifft. Ich hoffe, dass dies der letzte Muttertag ist, an dem ich noch nicht Mami bin.»

 

*Name von der Redaktion geändert

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