Zuger Kulturpreis an Sprayer der IGP-Crew

«Der Mensch hat den Drang, sich zu verewigen»

Luca «Rokis» (links) und Dario «RasOne» von der Zuger IGP-Crew vor einem ihrer Kunstwerke bei der i45.

(Bild: lob)

Sie nennen sich «Inter Galactic Pigs»-Crew – kurz IGP – und bringen Farbe auf karge Zuger Wände. Zwei Mitglieder stellen die Truppe vor: Sie erzählen von Jugendsünden, Polizeijagden und davon, dass sie jetzt nur noch legal Wände besprayen. Sowie vom Road-Trip, den sie vom Preisgeld unternehmen wollen.

«Den Preis zu gewinnen, war für uns schon eine Ehre», sagen die beiden Jungs unisono. Der Zuger Luca (27) alias Rokis und der Krienser Dario (29) alias RasOne sind Teil der sechsköpfigen Sprayergruppe IGP-Crew. Mit Nachnamen wollen sie lieber nicht genannt werden. Im Juni durften sie für die künstlerische Mitgestaltung des Zuger Gratis-Openairs «Rock the Docks» den mit 2’500 Franken dotierten Nebenpreis der Kulturschärpe entgegennehmen (zentralplus berichtete.) «Einzig vor den vielen älteren Leuten eine Ansprache zu halten, war stressig», lacht Luca.

Sechs Jahre Mitwirkung beim «Rock the Docks»

Wie ist man dazu gekommen, Wände für das Zuger Gratis-Openair zu gestalten? Vor ihnen seien schon andere Sprayer am Werk gewesen, erinnert sich Luca. «Die Begas-Crew war das.» Offensichtlich hätten sie sich mit den Veranstaltern aber überworfen. So klopfte man von der Festival-Organisation bei den sechs Jungs an – auch, weil sie schon in der Galvanik gesprayt hatten. «Martin Riesen, der Leiter Geländegestaltung des Rock the Docks, war früher selber Sprayer. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden», erklärt Luca. Seit nun sechs Jahren gestalten sie das Openair mit.

Als das Rock the Docks im Juni die Kulturschärpe erhielt, wurde der mit 2’500 Franken dotierte Nebenpreis an die Sprayer weitergegeben. «Ich denke, wir haben den bekommen, weil wir unsere Sache immer gut gemacht haben», meinen die beiden. Und weil sie sich nie in den Vordergrund gedrängt hätten.

Zwei Wände, welche am letztjährigen Openair gesprayt wurden:

Seit 2007 mit der Farbdose durch Zug

Gegründet hat sich die IGP-Crew im Jahr 2007 (am Ende gehts zur Bildstrecke der Werke). Heute zählen sie sechs Mitglieder, die neben Rokis und RasOne auf die klingenden Künstlernamen Tent, Rezov, Senz und Twak hören. «Am Anfang hatte ich mit den Gründern etwas Krach, da ich gerne alleine unterwegs war», erzählt Luca. Gegenseitig habe man sich jeweils die Bilder übermalt, um das Gebiet zu markieren.

«Wir haben dann aber gemerkt, dass wir uns eigentlich gut leiden können», sagt er und grinst. So sei er zur IGP-Truppe gestossen. Mit Dario habe er sich online angefreundet. «Über Netlog, also muss das auch schon Ewigkeiten her sein.» Nach seinem ersten Bild mit uns entschieden wir uns dann, ihn mit aufzunehmen.

Tanzt aus der Reihe: Dario alias RasOne ist der einzige in der Crew, der Charakter sprayt.

Tanzt aus der Reihe: Dario alias RasOne ist der einzige in der Crew, der Charakter sprayt.

(Bild: zvg)

Wütende Konkurrenzkämpfe zwischen Sprayer-Gruppen sucht man in Zug vergeblich: In der Szene kenne man sich gegenseitig und sei gut befreundet. Den Kontakt sucht man auch zu den Nachwuchs-Künstlern: «Wenn jemand in Zug neu anfängt, nehmen wir ihn gleich unter die Fittiche», erzählen die beiden.

Teure Jugendsünden

Dass die beiden immer schon nur brav zur Verfügung gestellte Wände bemalt und für Kulturbetriebe gesprayt haben, glauben wir indes nicht so ganz. «Wir haben in der Vergangenheit eine ganze Menge angestellt», meint Dario. Für Bussen wegen illegalen Graffiti hätten sie schon Summen berappt, die in die 10’000 gehen. Nicht nur: Wegen seiner Sprayer-Aktivitäten hatte Luca in der Vergangeheit auch schon eine sechsmonatige Gefängnisstrafe abzusitzen, wie er erzählt.

Spätestens ab da war er mit seinen Kunstwerken nur noch legal unterwegs – zumindest in der Schweiz. Der Ärger mit der Justiz sei aber nicht der einzige Grund: «Man wird auch älter, hat ein Leben zu führen. Und irgendwann auch keine Lust mehr, sich bei Minus zwölf Grad in einem Gebüsch vor der Polizei zu verstecken.»

Sein Kollege Dario sieht das ähnlich: Am Ende ist es viel schöner, wenn etwas legal gemacht wird. Deine Arbeit wird dann bewundert, und vom Auftraggeber kriegst du sogar die Farbdosen bezahlt», meint er und grinst. Den Kick, wenn sich Leute über die im Versteckten gemachten Graffitis ärgerten, vermisse er aber hin und wieder schon.

Halsbrecherische Aktionen für den Kick

Apropos Kick – was waren die waghalsigsten Aktionen für ein Graffiti? «Vor Jahren wurde beim Sarnersee mal gebaut; ein Bagger stand auf einer Plattfrom auf dem See. Ich und einige Kumpels beschlossen, ihn zu bemalen», erzählt Dario. «Ich habe die Dosen in einen Müllsack gepackt und wollte damit hinüberschwimmen, es war aber etwas weiter, als ich dachte. Die Kurzversion: Ich bin fast ertrunken, das Graffiti war am Ende hässlich, und wir wurden fast erwischt.»

Auf Facebook zeigt ein IGP-Mitglied, wie man hängend sprayt:

Und bei Luca? «Auf der Autobahn war es tendenziell am gefährlichsten.» Man müsse höllisch auf Autos aufpassen und sich immer wieder hinlegen, um nicht gesehen zu werden. Die unüberlegteste Aktion habe er aber 2005 gemacht: «Wir haben mit zwei Freunden getrunken und kamen irgendwann auf die glorreiche Idee, das Gefängnis zu taggen.» Der «Tag» ist eine Art Unterschrift des Sprayers. Natürlich seien sie erwischt worden. «Ich war aber nicht mal 16 Jahre alt, viel konnten sie mir nicht anhängen.»

Sehen die beiden ihre Abenteuer heute in einem anderen Licht? Mitnichten. «Ich bereue nichts», meint Dario. Luca pflichtet bei.

Anerkennung wäre schön

Regen sich die beiden denn nicht über andere auf, die zum Beispiel mit Anfänger-Geschmiere Gebäude verschandeln? «Es gibt eigentlich einen Sprayer-Kodex. Der besagt, dass das Sprayen beispielsweise auf Denkmälern, Grabstätten oder Kirchen tabu ist – aber viele pfeifen darauf», bekommen wir erzählt. Trotzdem: «Darüber aufregen tue ich mich nicht – der Mensch hat einen Drang, sich zu verewigen, schon seit der Höhlenmalerei», meint Luca. Dass Graffitis allgemein verteufelt werden und nicht zwischen Schmierereien und mit grosser Mühe erstellten Werken unterschieden wird, mache ihm mehr zu schaffen.

Bunt und schrill prangt IGP an dieser Wand.

Bunt und schrill prangt IGP an dieser Wand.

(Bild: zvg)

Dem pflichtet Dario bei: «Ich habe das Gefühl, dass Graffitis wieder stärker verteufelt werden, als auch schon. Dabei wäre es schön, wenn wir für das anerkannt werden, was wir geleistet haben.» Für ihre Werke, die der Zuger Kulturszene mehr Farbe verleihen, dürfte dies sicher der Fall sein. Gerne würden die Zuger Sprayer auch mehr tun: «Wir freuen uns über jede Wand, die freigegeben wird. Beispielsweise hätten wir für die karge Wand beim hinteren Bahnhofseingang in Zug grosse Pläne», meinen die zwei.

Auf zum Road-Spray-Trip

Was wünschen sie sich für die Zukunft der Zuger Sprayer-Szene? Dass der Zusammenhalt weiter so stark ist und die Freundschaften bestehen bleiben, meinen die IGP-Jungs. Und: «Wir würden uns freuen, wenn junge Talente kommen.»

Erst mal geht es in naher Zukunft auf einen Roadtrip durch die Schweiz: «Vom Preisgeld kaufen wir uns erst in Deutschland Farbdosen – die kosten da die Hälfte», sagt Luca. Ab Basel wird die Crew dann legale Wände abklappern und sich einmal rund um die Schweiz mit Werken verewigen. «Mit der Reise werden wir zwei Sachen feiern: Den Kulturpreis und das 10-jährige Bestehen unserer Crew», schliesst Dario. Anschliessend stecken sie die Köpfe zusammen, um nach passenden Terminen im Herbst zu suchen.

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