Ein Wegzug. Na und?
Gross war die Aufregung: Weatherford, ein Erdölkonzern mit gegen 60’000 Mitarbeitenden gibt bekannt, den Sitz von Zug nach Irland zu verlegen. Laut einem Brief an die Aktionäre sei die Schweiz aufgrund der zahlreichen Initiativen und Referenden unberechenbarer geworden, kritisiert das Unternehmen. Ein Verlust?
2008 freute sich die «Zuger Zeitung» noch über Weatherfords Zuzug von den Bahamas. «Das Unternehmen gibt schon bekannt, das Hauptbüro nach Zug zu verlegen.» Allerdings sei noch nicht klar, wie viele Arbeitsplätze dadurch in den Kanton kommen würden. Heute weiss man: Kein einziger der gegen 60’000 Beschäftigten arbeitete je in der Stadt Zug. Das «Hauptbüro» ist – einmal mehr – nur ein Briefkasten. Praktisch, immerhin ist im selben Gebäude auch die Post zu finden. Was sich hier an der Alpenstrasse 15 nicht weniger als 98 weitere Briefkastenfirmen zu Nutzen machen.
In Baar, dem zweiten Zuger Geschäftssitz, sind laut «Zuger Zeitung» fünf Personen im Finanzbereich beschäftigt. Und weil diese ihren Job so gut machen, dass das Unternehmen gemäss «Tages Anzeiger» an seinem Sitz in Zug kaum Steuern zahlt, dürfen sie ihn auch in Zukunft behalten. Denn den Steuersitz will Weatherford im Kanton Zug belassen. Das zumindest sagte Karen David-Green, Vizepräsidentin Investor Relations bei Weatherford, gegenüber SRF. Damit widerspricht sie den meisten Zeitungsberichten von heute, welche den irischen Tiefsteuersatz von 12,5 Prozent Gewinnsteuern als möglichen Grund für den Wegzug sehen.
Doch wie gross wäre der Verlust für Zug wirklich? In Luzern, das mit den schweizweit tiefsten Unternehmenssteuern lockt, haben die Domizilfirmen in den letzten Jahren weniger als ein Prozent an das Steuersubstrat beigetragen. «Ganz generell lässt sich sagen, dass ein erheblicher Teil aller Gesellschaften keine Steuern zahlt,» erklärte der Zuger Finanzdirektor Peter Hegglin schon letztes Jahr gegenüber zentral+.
Zweifellos braucht ein Unternehmen ein stabiles politisches und wirtschaftliches Umfeld. Dennoch: Die Begründung für den Wegzug sagt einiges über das Wertesystem von Weatherford aus. Das Umfeld passt nicht mehr, weil das Schweizer Volk die Möglichkeit wahrgenommen hat, sich einzumischen – und den Aktionären mit der Annahme der «Minder-Initiative» die Gelegenheit gibt, bei der Höhe von Boni und Salär von Management und Verwaltungsrat mitzureden. Dass dies Firmenchef Bernard Duroc-Danner nicht passt, ist nachvollziehbar. Obwohl der Konzern 345 Millionen Dollar Verlust gemacht habe, soll der CEO ein Salär von 12 Millionen Dollar bezogen haben, zitiert der «Blick» Thomas Minder.
Was bleibt: Eine Firma, die an ihrem Hauptsitz keine Mitarbeitenden beschäftigt, kaum etwas zum Gemeinwohl beiträgt und sich mit der direkten Demokratie nicht anfreunden kann, zieht nach Irland. Und selbst wer sich um die Zuger Briefkastenfirmen sorgt, kann beruhigt werden: Noch vor wenigen Tagen schrieb die «Sonntags Zeitung», dass reiche Russen und Ukrainer seit dem Banken-Crash auf Zypern in Zug vermehrt Briefkastenfirmen gründen würden. Den Treuhändern geht die Arbeit also auch zukünftig nicht aus.
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