Was wird aus der Zuger Villa «Casa Rossa»?

Der Kampf der alten Dame

Die Casa Rossa an der Artherstrasse in Zug. Was soll dereinst aus dem Haus werden? (Bild: pbu)

Spätestens nach dem Aus für das Zuger Kunsthaus-Projekt ist die Zukunft der Villa «Casa Rossa» ungewiss. Die jetzige Bewohnerin möchte weiterhin, dass das Domizil nach ihrem Tod der Allgemeinheit zur Verfügung stehen wird. Dies führt jedoch zum Zwist mit der Stiftung, der das Gebäude gehört.

«Die Leute von der Stiftung haben wohl nicht damit gerechnet, dass ich so lange leben werde», sagt Gabriela Wyss und lässt diesen Worten ein verschmitztes Lächeln folgen. «Und wissen Sie was? Ich habe vor, es noch ein bisschen zu machen.» Der Kampfeswille der heute 92-Jährigen ist spürbar. Sie ist die Bewohnerin der denkmalgeschützten Villa «Casa Rossa» in Zug. Und um eben dieses Gebäude geht es, beziehungsweise um die Frage, was damit geschieht, wenn dessen Bewohnerin einst nicht mehr sein wird.

Denn darüber kann Gabriela Wyss nicht bestimmen. Sie besitzt zwar lebenslanges Nutzungsrecht, aber kein Erbrecht. Seit mehr als 45 Jahren bewohnt sie die Casa Rossa. Zunächst arbeitete die gebürtige Deutsche dort als Psychiaterin, bis 2001 ihr Ehemann Joachim Wyss verstarb. Seit ein paar Jahren organisiert Gabriela Wyss diverse kulturelle Anlässe in dem Haus – wie zum Beispiel das monatlich stattfindende Café Philo oder die Leserunde. Obwohl die offenherzige Dame also schon fast zum Inventar gezählt werden darf, sind ihr hinsichtlich der zukünftigen Nutzung des Hauses die Hände gebunden.

Die Casa Rossa mit Blick auf den Zugersee.

Die Casa Rossa mit Blick auf den Zugersee.

(Bild: pbu)

Im Clinch mit der Stiftung

Denn es war ihr verstorbener Mann, der das Schicksal der Casa Rossa in andere Hände legte. Als privater Mäzen und Kulturförderer gründete Joachim Wyss im Jahr 1970 die Hürlimann-Wyss Stiftung, in deren Besitz sich die Casa Rossa seit dem Tod des Stiftungsgründers befindet. Seit 1997 präsidiert der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder den sechsköpfigen Stiftungsrat, welchem neben Brigitta Kühn-Waller und Ernst A. Brandenberg auch Gabriela Wyss angehört.

«In Tat und Wahrheit bin ich zum Missraten der Stiftung noch immer am Leben.»

Gabriela Wyss, Bewohnerin der Casa Rossa

Die Beziehung zwischen ihr und der Stiftung sei eine ruhige, aber durchaus keine liebevolle: «Im Rahmen der Stiftung war und bin ich ein notwendiges Übel», sagt Wyss. «In Tat und Wahrheit bin ich zum Missraten der jetzigen Hürlimann-Wyss Stiftung noch immer am Leben», fügt sie an. Der Grund für das Missfallen sei ein Streit, der um die zukünftige Nutzung der Casa Rossa zwischen den beiden Parteien entbrannt sei. «Wir hatten eine Auseinandersetzung. Ich dachte, es wäre schön, wenn aus dem Haus mal ein kleines Museum, eine Art Anhängsel des Kunsthauses würde.»

Gabriela Wyss in der Casa Rossa.

Gabriela Wyss in der Casa Rossa.

(Bild: pbu)

Kunsthaus-Projekt gescheitert

Rückblende: Vor rund fünf Jahren hat die Baudirektion des Kantons Zug den Masterplan für das ehemalige Areal des Kantonsspitals städtebaulich überarbeiten lassen. Dabei wurde das Kantonsspitalareal auch als möglicher Standort für den Neubau des Kunsthauses Zug auserkoren. «In diesem Zusammenhang führte die Baudirektion lose Gespräche, ob überhaupt und wie die Villa Casa Rossa in Form eines Museums in Verbindung mit einem neuen Kunsthaus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte», erläutert Bauchef Heinz Tännler.

«Es bestehen von Seiten des Kantons keine weiteren Interessen an dieser Liegenschaft.»

Heinz Tännler, Baudirektor Kanton Zug

Seit Januar 2015 ist aber klar: Wichtige Voraussetzungen für einen Neubau eines Kunsthauses sind auf diesem Areal nicht mehr gegeben (zentral+ berichtete). Das Kunsthaus-Projekt sei gescheitert, weil kein privater Sponsor gefunden werden konnte. «Aus diesem Grund erübrigen sich aus Sicht des Kantons alle weiteren Diskussionen um eine mögliche öffentliche Nutzung der Villa Casa Rossa», sagt Tännler und fügt an: «Es bestehen von Seiten des Kantons keine weiteren Interessen an dieser Liegenschaft.»

Dass Gabriela Wyss im Zuge dieses Prozesses Vorgespräche mit Tännler führte, stiess einzelnen Stiftungsmitgliedern offenbar sauer auf. Ernst Brandenberg habe nämlich ganz andere Pläne, wie Wyss erzählt: «Als ich Herrn Brandenberg darauf ansprach, was denn aus dem Haus werden soll, und ihm sagte, dass ich es schön fände, wenn es für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben würde, erwiderte er: Wo denken Sie hin? Das verkaufen wir dem, der am meisten dafür bezahlt.»

Das wollte und will sich Wyss nicht gefallen lassen. Sie habe Gespräche mit allen möglichen Leuten gesucht, die ihr in dieser Hinsicht unter die Arme greifen könnten. «Mir ist allerdings bewusst, dass ich juristisch nichts machen kann», sagt sie. «Ich kann nur moralisch gegensteuern.»

«Das Verhältnis zu Frau Wyss ist gut, es gab keine Auseinandersetzungen.»

Joachim Eder, Präsident Hürlimann-Wyss Stiftung

Dr. Gabriela Wyss

Gabriela Wyss wurde 1923 in einer typischen deutschen Arbeiterstadt in Olix/Solingen geboren. Ihre Eltern sind in jungen Jahren verstorben. Noch während der Kriegszeit durfte sie dank einem Stipendium ihrer Vormundin in Köln und Göttingen ein Medizinstudium absolvieren. Sie schloss dieses als Ärztin im Alter von 22 Jahren im Mai 1945 ab.

Im Jahr 1966 lernte Wyss (geb. Knecht) in Bonn den bekannten Zuger Apotheker Joachim Wyss kennen. Darauf folgte ein Hin und Her zwischen Bonn und Zug. 1967 haben die beiden geheiratet.

Dank einer Weiterbildung zur Fachärztin für Neurologie und Psychologie in Braunschweig konnte sie 1970 in der Casa Rossa als erste Psychiaterin in Zug eine Praxis eröffnen. Die Paten ihrer Praxis waren die bekannten Zuger Dr. Max Kühn, Bürgerpräsident Willi Waller und alt Stadtpräsident Robert Wiesendanger.

Kein Thema

Bei der Hürlimann-Wyss Stiftung gibt man sich diplomatisch und will von dem Gezanke nichts wissen. «Das Verhältnis zu Frau Wyss ist gut, es gab keine Auseinandersetzungen», sagt Stiftungspräsident Joachim Eder. Man wüsste, dass es der Herzenswunsch von Gabriela Wyss sei, dass das Haus nach ihrem Ableben der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werde. Was man aber letztlich von diesem Wunsch hält, wird nicht kommentiert. Ebensowenig wie die Frage, wie das Haus nach Meinung der Stiftung in Zukunft genutzt werden soll.

«Die Stiftung hat die Aufgabe, dieses Juwel bestmöglich zu erhalten», sagt Eder und verweist auf den Stiftungszweck: «Wir fördern kulturelle, künstlerische, soziale und spezialmedizinische Bestrebungen einzelner Personen sowie Vereinigungen vorab durch finanzielle Unterstützung.» Der gesamte Stiftungsrat sei sich einig, dass die Zukunft der Casa Rossa gegenwärtig kein Thema sei. «Es wäre pietät- und respektlos, irgendwelche Überlegungen über die Zukunft des Hauses zu machen, solange die Witwe des Stiftungsgründers darin lebe», erläutert Eder.

Aus diesem Grund habe der Stiftungsrat eine Anfrage des Kantons, ob die Casa Rossa zu kaufen sei, negativ beantwortet. «Regierungsrat Heinz Tännler wurde nach der Stiftungsratssitzung vom 26. Juni 2012 darüber in Kenntnis gesetzt», erinnert sich Eder.

Die westliche Seite der Villa.

Die westliche Seite der Villa.

(Bild: pbu)

Quo vadis?

Der Stiftungsrat sei Gabriela Wyss ausgesprochen dankbar für ihr Bestreben, die Casa Rossa einerseits mit Kultur zu beleben und andererseits das Haus sowie den historischen Garten in optimalem Zustand zu erhalten, so das offizielle Statement der Hürlimann-Wyss Stiftung. Was hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, bleibt verborgen. Die Schilderungen von Gabriela Wyss zeichnen jedenfalls ein etwas anderes Bild.

Erbverzicht gegen Nutzungsrecht: War das am Ende ein Fehler? «Ich war naiv», meint Wyss rückblickend. Die Tatsache, dass sie kein Erbrecht auf das Haus besitzt, bereue sie aber nicht. «Das schliesst sich völlig logisch an meinen ohnehin merkwürdigen Lebenslauf an», sagt sie mit einem Lächeln.

«Als ich die Villa 1967 das erste Mal sah, hatte ich Tränen in den Augen.» Gabriela Wyss möchte die Casa Rossa «auf einen guten Weg bringen», wie sie sagt. «Das Haus war meine Sehnsucht, mein Traum, seit ich mit dem frühen Tod meines Vaters mein Dach über dem Kopf verloren habe.» Was letztlich mit dem «Haus der Freundschaft», wie sie es nennt, passieren wird, bleibt vorerst offen. Noch wird es bewohnt von einer kulturell engagierten Dame, die sich nicht im Gemäuer verschanzt, sondern die Öffentlichkeit in der Casa Rossa mit offenen Armen empfängt. Und wenn es nach ihr geht, solle dies auch in Zukunft so bleiben.

Eine rote Perle am Zugersee

Die Villa «Casa Rossa» wurde in den Jahren 1919 und 1920 von den Architekten Dagobert Keiser und Richard Bracher für den Kaufmann und Apotheker Ernst Wyss erbaut. Das im toskanischen Renaissance-Stil errichtete Gebäude an der Artherstrasse 29 in Zug liegt etwas erhöht in einem weitläufigen Garten und bietet direkte Sicht auf den Zugersee. Insgesamt elf Zimmer verteilen sich auf zwei Etagen.

«Casa Rossa» heisst die Villa wegen der rot verputzten Fassade. Das Haus wird von Gabriela Wyss bewohnt. Ende der 1960er-Jahre war sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann Joachim Wyss ins «Rote Haus» eingezogen. Für die Zukunft des Hauses wünscht sich die Bewohnerin, dass dieses der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen wird. 1989 wurde die Casa Rossa, die sich im Besitz der Hürlimann-Wyss Stiftung befindet, als lokales Baudenkmal geschützt.

 

 

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