Luzerner Koch Joel Kraaz macht am TV Furore

Der junge Wilde mit dem Anker im Gesicht

Hau den Löffel: Joel Kraaz gibt vollen Einsatz für die TV-Kochshow «The Taste».

 

(Bild: zvg)

Als Luzerner in einer deutschen Kochsendung: Wie es dazu gekommen ist, kann sich der Neuenkircher Joel Kraaz noch immer nicht ganz erklären. Mit viel Charme hat er die erste Runde von «The Taste» hinter sich gebracht. Doch Joel Kraaz ist nicht nur der verrückte Typ, sondern auch ein erfahrener Profi, der seine Wanderjahre in Zug begann.

Er hatte voller Anspannung gekocht, und dann endlich war es soweit: Die vier Juroren, alles hochdekorierte Starköche, kosteten die Mini-Lasagne vom Saibling mit Kohlrabi und Macadamia-Papaya-Dressing, welche Joel Kraaz mit vollendeter Kunstfertigkeit auf vier weissen Löffeln hergerichtet hatte. Optisch und handwerklich phänomenal, urteilten die Profis einhellig – ein kleines Kunstwerk.

Doch dann folgten die Schrecksekunden. Die Juroren haderten mit dem Geschmack. Der erste Coach drückte auf den roten Buzzer, dann der zweite – und dann auch noch der dritte Coach. In Joel Kraaz’ Gesicht machte sich Enttäuschung breit, doch schliesslich kam doch noch die verdiente Erlösung, indem ihn die Köchin Cornelia Poletto in ihr Team wählte.

Plötzlich der Anruf vom Fernsehen

Wie sein Name auf den Tisch der Sendungsmacher gekommen ist, weiss Joel Kraaz bis heute nicht. Eine Bewerbung habe er jedenfalls nie verschickt, sagt er. Deswegen fiel er auch aus allen Wolken, als plötzlich der Anruf von Sat1 kam.

«Ich habe vor Freude geschrien, gezittert und sogar geweint.»

Joel Kraaz, Jungkoch aus Neuenkirch

Ein Casting-Video und ein Vorkochen in München folgten später, dann erhielt er die definitive Zusage. «Das war ein richtig emotionaler Moment für mich», erinnert sich Kraaz, «Ich habe vor Freude geschrien, gezittert und sogar geweint.»

In Ottenbach im Säuliamt ist Joel Kraaz mit vier Geschwistern bei ihrer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. Die Kinder mussten früh selbstständig werden und ihrer Mutter beim Haushalt zur Hand gehen. «Ich habe von Anfang an den Kochpart übernommen», erzählt Kraaz.

Tattoos und Kochlöffel United: Joel Kraaz mit seiner Partnerin Steffi Durrer, mit der er drei Kinder hat.

Tattoos und Kochlöffel United: Joel Kraaz mit seiner Partnerin Steffi Durrer.

(Bild: Pascal Gut)

Als er sich in der Oberstufe ein Schlagzeug kaufen wollte, verdiente er sich das Geld mit einem Job als Abwaschhilfe im «s’ewigliechtli» Restaurant Reussbrücke in Ottenbach. «Statt in den Ausgang zu gehen, habe ich von Freitag bis Sonntag dort gearbeitet und mit der Zeit die kalte Küche gemacht», erinnert sich Kraaz.

Lehre bei Zeno’s in Zug

Seine Lehre absolvierte er im Zeno’s Spezialitäten-Restaurant in Zug, und danach fingen seine Wanderjahre als Koch an. 2008 arbeitete er eine Wintersaison lang in Davos im Hotel Flüelen als Chef de Partie. Ein grosses Fünf-Sterne-Haus, dessen Küchenchef Peter Portmann ein Perfektionist und Kochfanatiker war – und da kam dieser junge Wilde, von sich und seinen Kochkünsten fest überzeugt.

Die folgenden vier Monate wurden zu einer Art zweiten Lehre, wie Joel Kraaz sagt. «Es war das Weihnachtsgeschäft und ich war eine kleine Nummer unter vielen erfahrenen und ehrgeizigen Köchen, die sich beweisen wollten. Ich merkte schnell, dass die alle sehr viel weiter waren und ich noch viel zu lernen hatte.» In den vier Monaten in Davos sei er reifer geworden und habe gemerkt, dass man als Koch nie ausgelernt hat. 

«So fühlte ich mich einfach unwohl.»

Kraaz ohne Tattoos und Piercings im Grand Hotel Dolder in Zürich

Danach ging`s gleich zum nächsten Top-Haus: Das wiedereröffnete Grand Hotel Dolder in Zürich. «Es war eine schwierige Zeit. Köche kamen und gingen wieder, jede Woche stand ein neuer in der Küche.» Das Persönliche und die Wertschätzung fehlten dem jungen Koch. Zudem sei das Dolder der einzige Betrieb gewesen, in dem er seine Piercings rausnehmen und Tattoos verdecken musste.

«So fühlte ich mich einfach unwohl», erzählt Kraaz. Obwohl ihm sein Chef riet, noch mindestens ein halbes Jahr zu bleiben, denn danach stehe ihm die ganze Welt offen, entschied sich der junge Koch, das Dolder zu verlassen. Ein richtiger Entscheid, wie er rückblickend überzeugt ist.

Mit 23 Jahren übernahm Kraaz im Hotel Sardona in Elm seine erste Stelle als Küchenchef. Von den fünfzehn Köchen war er der zweitjüngste und erinnert sich, wie gleich zu Anfang zwei Kollegen zu ihm kamen und meinten, er müsse ihnen gar nichts vorschreiben, immerhin hätten sie doppelt so viel Erfahrung wie er. «Einen Monat später musste der eine von beiden gehen und der andere gratulierte mir zu meiner guten Arbeit», erzählt Kraaz.

Catering-Unternehmen «Kitchen Kraaz»

Nach einigen weiteren Gastro-Erfahrungen, unternahm Kraaz vor drei Jahren die ersten Schritte in die Selbstständigkeit und gründete sein Catering-Unternehmen «Kitchen Kraaz». Allerdings hatte er mit grossen Schwankungen bei den Aufträgen zu kämpfen. Insbesondere im Sommer lief fast nichts.

Sein Glück war, dass er seine Lebenspartnerin Steffi Durrer kennenlernte, die ihm vorschlug, aus «Kitchen Kraaz» einen Familienbetrieb zu machen, indem sie Administration, Marketing, die Planung und den ganzen Service übernimmt. Im Januar dieses Jahres feierte «Kitchen Kraaz» dann sein Comeback «und das hat richtig eingeschlagen», erzählt Joel Kraaz begeistert.

«Heute springen viele junge Köche ab, weil ihnen der Job zu anstrengend ist.»

Joel Kraaz über die viele Arbeit in der Branche

Wenn der Neuenkircher nicht als Caterer unterwegs ist, arbeitet er als Mietkoch oder Coach. «Köche werden in der Schweiz immer gesucht», so Kraaz. «Heute springen viele junge Köche ab, weil ihnen der Job zu anstrengend ist oder suchen sich eine Stelle in einem Heim oder einem Spital.»

Als Coach sehen er und Steffi Durrer viele Betriebe von innen. Oft seien es Kleinigkeiten, bei denen es hapert. «Ein Problem, das mir immer wieder begegnet, besteht darin, dass viele mit einem unrealistischen Bild in die Gastronomie einsteigen», führt Joel Kraaz aus. «Von aussen mag der Job lässig und gemütlich aussehen, was da aber alles dazugehört und wie lange die Arbeitstage werden können, das merken viele erst zu spät.» Kochsendungen wie «The Taste» haben zwar sehr viel für das Ansehen des Kochberufs getan, aber geben oft auch ein zu idealistisches Bild ab, sagt er.

Mit der ersten Folge von «The Taste» ist Kraaz sehr zufrieden. Das Schweizerische käme bei den deutschen Kollegen gut an, erzählt er. Und der Effekt der Sendung sei extrem. «Am Abend nach der Ausstrahlung bin ich bis um drei Uhr morgens wach gewesen, um die unzähligen Nachrichten zu beantworten.»

Künstler in der Kochbranche: Joel Kraaz konzentriert bei der Arbeit.

Künstler in der Kochbranche: Joel Kraaz konzentriert bei der Arbeit.

(Bild: zvg)

Während der Erstausstrahlung selbst stand er allerdings in der Küche eines Restaurants. «Vor Aufregung war ich so unkonzentriert, dass mir die eine oder andere Rösti total verbrannt ist. Da mussten die Gäste ein wenig länger warten», gesteht er.

Am Samstagmorgen habe ihn an der Kasse im Supermarkt in Sempach eine wildfremde Frau angesprochen. «Sie sind doch der mit dem Anker-Tattoo im Gesicht. Ich und meine Kinder haben die Sendung gesehen und werden Ihnen weiterhin fest die Daumen drücken», habe sie begeistert gesagt.

Anker steht für Familie und Rückhalt

Der Anker ist eines von zahlreichen Tattoos, die neben Piercings das Äussere von Joel Kraaz prägen. Er erinnert sich noch gut daran, wie er, nachdem er sich das Tattoo an einer Konvention in Regensdorf hatte stechen lassen, seiner Mutter ein Bild per WhatsApp geschickt hat. «Sie ist richtig ausgerastet und meinte, ich würde mir damit meine Karriere versauen.» Inzwischen sei es aber zu einem Markenzeichen geworden. Für ihn ist der Anker vor allem ein Symbol für Familie und Rückhalt auch in Zeiten, wo er viel unterwegs ist.

Zusammen mit Steffi Durrer hat Kraaz drei Kinder. Dass die Kinder nicht zu kurz kommen, ist den beiden sehr wichtig. «Ich musste lernen, Nein zu sagen, um mir genug Zeit für die Familie zu nehmen», erzählt er.

Neben der Leidenschaft für gutes Essen teilen die beiden ein stark ausgeprägtes soziales Bewusstsein. Für die Bahnhofsmission am Zoo in Berlin etwa haben sie eine grosse Kleidersammelaktion durchgeführt. Im vergangenen Frühling konnten sie schliesslich mit einem Flug, gesponsert durch die Air Berlin, 39 Säcke und mehrere Kartons mit Textilien und Decken in die deutsche Bundeshauptstadt bringen.

«Und am nächsten Morgen sind wir wieder zurückgeflogen und haben am Abend darauf das nächste Catering gemacht», erzählt Kraaz. 

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