Wildparadies mitten in der Stadt Luzern

Der Hirschpark in Luzern entwickelt sich «dank» Corona zum Besuchermagnet

Bis zu sechs Jungtiere erblicken jährlich im Hirschpark Luzern das Licht der Welt. (Bild: zvg)

Die Coronakrise hat dem Hirschpark im Friedental Luzern hohe Besucherzahlen beschert. Bald dürften noch mehr Schaulustige vorbeikommen – im Mai wird nämlich Nachwuchs erwartet.

Es ist zwar etwas peinlich, als Stadtluzerner so etwas zugeben zu müssen, aber der Autor dieses Artikels hat keine grossen Probleme damit: Er war noch nie im Hirschpark im Luzerner Friedental. Und es ist ja nicht so, dass es den kleinen Wildtierpark erst seit Kurzem gibt – die Anlage auf dem Hügelzug zwischen dem Luzerner Kantonsspital und dem Friedhof Friedental besteht schon über 100 Jahre. Grund genug also, sich die Kamera zu schnappen und den Geweihträgern einen Besuch abzustatten – gerade jetzt, da bald mit der Geburt von Jungtieren gerechnet werden kann.

Ausgangspunkt für unsere Expedition ist der Friedhof Friedental – auch eine gut gepflegte Anlage, aber nicht ganz das, wonach wir suchen. Unser Weg führt gegenüber dem Friedhof über einen Pfad nach oben zum Spitalhügel, wo wir auch gleich das Gehege sehen – aber keine Hirsche. «Der untere Teil der Anlage ist derzeit für die Tiere gesperrt», erklärt uns Anita Weingartner, Präsidentin des Vereins Freunde des Hirschparks Luzern. «Dieser Teil wird aktuell mit frischem Gras begrünt, deswegen sind die Hirsche im oberen Gehege.»

Na, wo sind sie denn? Weil Gras angepflanzt wurde und erst wachsen muss, wurden die Hirsche in das obere Gehege verlegt. (Bild: chb)

Höhere Lebenserwartung dank Pflege

Darum folgen wir dem Strässchen etwas weiter hoch und voilà: Hirsche. Die Tiere sind gerade mit ihrem Abendessen beschäftigt, zupfen Gras und Futter aus aufgehängten Behältern, sogenannten Heu-Toys. Uns schenken die Hirsche zwar ein paar neugierige Blicke, in Anbetracht des Znachts sind wir aber weitgehend uninteressant. Selbst für den buchstäblichen Platzhirsch «Muck». Überrascht sind wir von der Grösse der Tiere. «Rothirsche sind die grössten Hirsche in Europa», sagt uns Weingartner später am Telefon. «Noch grösser sind nur die Elche in den nordischen Ländern.»

Ausgewachsene Rothirsche können eine Grösse von bis zu zwei Metern erreichen. «In der Wildnis werden Hirsche etwa 13 Jahre alt», so Weingartner weiter. Hier im Hirschpark, wo die Tiere umsorgt werden und keinen Feinden ausgesetzt sind, können sie bis zu 20 Jahre alt werden, wie der frühere Hirschstier «Mandy» eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.

Wir verharren eine Weile am Gitterzaun und schauen den majestätischen Waldbewohnern zu. Schliesslich wagen sich dann doch ein paar neugierige Jungtiere in unsere Nähe, beschnuppern uns und geben uns Gelegenheit für ein paar gute Aufnahmen.

Verein ist auf sich gestellt

Ins Gehege kommt man als Besucher nicht – was ganz bewusst so gewollt ist. Denn der Hirschpark Luzern distanziert sich klar davon, ein «Streichelzoo» zu sein, und verzichtet auch auf eine Direktfütterung der Tiere durch Parkbesucher. Ausnahmen gibt es einzig bei angemeldeten Spezialgruppen. Der Verein Freunde des Hirschparks Luzern, der die Anlage seit 2010 betreut, legt Wert darauf, dass die Wildtiere auch als solche gehalten werden. Drei bis vier ausgebildete Hirschpfleger sorgen täglich für das Wohl der Tiere.

Hinter dem Verein stehen aktuell 408 Mitglieder und 294 Gönner. Er beschäftigt nicht nur ehrenamtliche Helferinnen, sondern auch Angestellte, die entlöhnt werden. Finanziell unterstützt wird die Anlage durch mehrere Stiftungen – ein Zustupf, der auch nötig ist, denn pro Jahr kostet die Pflege und Ernährung eines ausgewachsenen Tiers schätzungsweise 3'600 Franken. Der gesamte Betrieb kostet jährlich rund 65'000 Franken.

Die Stadt Luzern beteiligt sich nicht finanziell an der Anlage. Gemäss Weingartner laufen derzeit aber Abklärungen mit der Stadt, wonach diese künftig zwar nicht finanzielle, aber materielle Hilfe beisteuern könnte – beispielsweise bei der Arealpflege. Allfällige grössere Änderungen wird es wegen der Fünf-Jahres-Verträge jedoch frühestens ab 2023 geben.

Bestand muss reguliert werden

Zurück zu den Hirschen: Zurzeit weiden 13 einheimische Rothirsche (Cervus elaphus) auf dem 65 Aren grossen Gelände. Dazu kommen die Jungtiere. Jedes Jahr kommen laut Verein rund fünf bis sechs Jungtiere zur Welt. Wie viele Kälber dieses Jahr gesetzt – so der korrekte Fachbegriff für Hirschgeburten – werden, ist ein kleines Ratespiel, wie immer. «Wir haben sechs Hirschkühe», erklärt Anita Weingartner, «also rechnen wir mit maximal sechs Tieren».

Gedeckt wird jeweils im Herbst. Dann ist die Manneskraft von Platzhirsch Muck gefragt. «Während dieser Zeit verzichten wir auf Führungen mit Kindern», sagt Weingartner lachend. Der Nachwuchs kommt heuer ab Mitte Mai auf die Welt, schätzt die Vereinspräsidentin.

«Wir verzeichneten vergangenes Jahr rund dreimal so viele Besucher wie früher.»

Anita Weingartner, Präsidentin des Vereins Freunde des Hirschparks Luzern

Jungtiere sind die Lebensaufgabe der Hirschkühe, haben einen grossen Jöö-Effekt bei Gross und Klein, ziehen aber auch eine andere an sich unschöne Konsequenz nach sich. Weil das Gehege in seiner Grösse begrenzt ist und eine Überzahl an Tieren das soziale Gefüge durcheinanderbringen würde, muss der Tierbestand jährlich reguliert werden. Heisst konkret: Ein qualifizierter Jäger erlegt in Zusammenarbeit mit Wildhütern des Kantons Luzern jedes Jahr insbesondere Tiere, die später in der Brunftzeit durch die Kampfeslust des Stiers gefährdet wären. Damit folgt der Verein auch den Vorgaben zur Herdengrösse, die vom Veterinäramt festgelegt wurde, und beugt Inzucht innerhalb der Herde vor. Nur selten können die Tiere lebend weitergegeben werden, obwohl das «ethisch am schönsten wäre», so Weingartner. Das Hirschfleisch wird dann jeweils an regionale Restaurants verkauft.

400-jährige Tradition

Der Hirschpark Luzern blickt auf eine über 400-jährige Geschichte zurück – und ist auch der Grund dafür, dass in Luzern Strassennamen wie Hirschengraben und Hirschmatt existieren. 1614 wurden im trockengelegten Burggraben, der vom Freierhof zur Spreuerbrücke reichte, und heute als Hirschengraben bekannt ist, Damhirsche gehalten. Diese sorgten schon damals für Aufsehen – auch im Ausland, wie diverse Schriften belegen. Im Laufe der Zeit wurden die Tiere mehrfach umgesiedelt, weideten zeitweilig beispielsweise im Gletschergarten und im Vögeligärtli und wurden schliesslich 1906 in ein neu erbautes Gehege am Reussport umgesiedelt, wo sie auch heute noch sind.

Auch Corona konnte dem traditionsreichen Park kaum etwas anhaben – auch deshalb, weil der Park öffentlich zugänglich und der Eintritt kostenlos ist. «Wir verzeichneten vergangenes Jahr rund dreimal so viele Besucher wie früher. Das hat sich auch beim Kässeli vor Ort gezeigt», sagt die Vereinspräsidentin erfreut. «Obwohl wir keine ‹wirtschaftlich einträglichen› Anlässe durchführen konnten, die Organisation der täglichen Arbeiten sich eher kompliziert gestaltete und der Verein einige Mitglieder verloren hat, ist das Jahr 2020 gut gelaufen.»

Unser erster Ausflug zum Hirschpark endet mit vielen Eindrücken, auch wenn wir heute noch keine Geburt gesehen haben. Halb so wild, schliesslich haben wir damit einen Grund, bald wieder herzukommen und nicht nur die Tiere, sondern auch die Ruhe und Abgeschiedenheit dieses idyllischen Fleckchens mitten in der Stadt Luzern zu erleben.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Libero
    Libero, 02.05.2021, 12:29 Uhr

    Das erste Bild ist tägliche Realität – höchst selten ist ein Tier zu sehen!
    Der Schweizer Tierschutz (STS) stellt seinen „Informationen zur artgerechten Haltung von Wildtieren“ klar fest, dass Rehe und Hirsche für die Haltung in Zoos und Tierparks mit Publikumszugang nicht geeignet sind.
    Zudem ist das Raumangebot im Hirschpark viel zu klein.
    Eine Hirschpopulation benötigt nach Tierschutz für die wechselnden Sozialstrukturen verschiedene Gehege und damit eine Fläche von gut 2 Hektaren.
    Dem Hirschpark steht nur ein Bruchteil davon zur Verfügung.
    Als tägliche Passanten beim Hirschpark vermissen wir auch ein echtes Interesse von Besuchern.
    Auch fällt die Lethargie der eingesperrten Tiere auf. Diese befinden sich meist im oberen Teil, wo man sie suchen muss.
    Kinder finden es es langweilig.
    Für ältere Besucher ist der Zugang mit vielen Treppen und das Umfeld zum Verweilen nicht einladend.
    Oder liegt das Problem am oft penetranten Wildtier- und Mistgeruch?

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  • Profilfoto von Weingartner Anita
    Weingartner Anita, 01.05.2021, 22:11 Uhr

    Super Geschichte, liest sich so locker und natürlich und das kleine Video ist das Tüpfli auf dem i

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