Sommerserie «Aus der Kälte»

Der Herr über die Leichenhallen

Friedental-Hauswart Franz Haas zeigt einen Katafalk, der zur Aufbahrung der Verstorbenen dient. (Bild: Flavia Rivola)

An heissen Sommertagen vergisst man gerne, dass viele Leute an kalten und dunklen Orten ihrer Arbeit nachgehen. Wir porträtieren in unserer Sommerserie «Aus der Kälte» jeden Dienstag eine Zentralschweizerin oder einen Zentralschweizer mit einem aussergewöhnlichen Beruf. 
Lesen Sie heute die Geschichte von Franz Haas, der in den kühlen Friedhofshallen sein Geld verdient und auch schon mal einen Händedruck verweigert bekommt.

Franz Haas ist 57 Jahre alt und arbeitet bereits seit 1988 als Hauswart des Friedhofs Friedental in Luzern. Der Ballwiler ist stolz auf seine Arbeit. Zu Recht, denn er leistet einen wichtigen Beitrag im Trauerprozess von Angehörigen, die im Friedental von den Verstorbenen Abschied nehmen.

Der Händedruck des gelernten Automechanikers ist kräftig, sein Lächeln freundlich, seine Art warmherzig. Man merkt, hier ist ein feinfühliger Mensch an der Arbeit. Das ist tröstlich, mutet die Umgebung für einen Besucher doch eher unheimlich und trist an. Wenn Haas über seine Arbeit spricht, wählt er seine Worte mit Bedacht. Der Umgang mit dem Tod ist für ihn zwar etwas Selbstverständliches, aber er weiss, dass viele Personen Mühe mit seinem Beruf haben. «Ein Verwandter hat mir einmal gesagt, dass er mir die Hand nicht mehr geben will», erinnert er sich.

Schnelligkeit beim Reinigen ist gefragt

Der Luzerner sorgt in den kühlen Friedhofshallen für Ordnung und reibungslose Abläufe bei Beerdigungen. Er unterstützt die Bestatter bei den Aufbahrungen und muss die Räume sauber halten. Um 7 Uhr, wenn sein Arbeitstag beginnt, stellt er Urnen und Särge bereit, präpariert den Blumenschmuck oder bereitet die Abdankungs- und Einsegnungshalle vor.

Das erfordert viel Effizienz. Langsam zu arbeiten, kann sich Haas nicht erlauben. Die Beisetzungen finden alle halbe Stunde statt, was bedeutet, dass die Räume in dieser Regelmässigkeit gereinigt werden müssen. «Dabei sind fast 90 Prozent Urnenbestattungen», sagt Haas. «Die restlichen Beerdigungen sind Erdbestattungen. Häufig sind es ältere Personen, die sich eine Erdbestattung wünschen.»

Haas muss mit dem Verwesungsprozess zurechtkommen. Im Sommer sollten die Abläufe schneller gehen als im Winter.

Gerade bei den Erdbestattungen ist Zimperlichkeit fehl am Platz. Haas muss mit dem Verwesungsprozess und den damit verbundenen Gerüchen zurechtkommen. Dabei spielen die Temperaturen eine grosse Rolle. Im Sommer müssen die Abläufe noch schneller gehen als im Winter. «Das macht die Arbeit schwieriger», sagt er.

Im Katafalk wird es 2 Grad kalt

Er öffnet die Tür zu einem der Aufbahrungsräume. Die gelb gestrichenen Wände lassen den Raum etwas freundlicher wirken. In der Mitte steht eine schlichte Holzkonstruktion mit abnehmbarem Deckel, ein sogenannter Katafalk. Darin werden die Verstorbenen aufgebahrt, damit sich die Angehörigen verabschieden können. 

Haas zieht an der Längsseite ein Wägelchen hervor. «Darauf werden die offenen Särge der Verstorbenen gelegt und in den Katafalk geschoben.» Er schliesst die Türe, dann wird der Katafalk auf 2 Grad Celsius heruntergekühlt. Im Aufbahrungsraum selbst, es gibt im Friedental insgesamt 18 davon, herrschen Temperaturen von kühlen 18 Grad.

Der direkte Kontakt mit dem Leichnam gehört ebenso in seinen Aufgabenbereich. Haas› Bewegungen sind ruhig und routiniert, wenn er beim Verstorbenen ein Kleidungsstück zurecht zupft oder wenn er etwas Blut abwischen muss. Er selbst kleidet sich bei Aufbahrungen und Beerdigungen immer schön, trägt ein Hemd und einen Sakko. Es ist ein Zeichen des Respekts.

Unangenehmer sind ihm die Tage, wenn die Polizei im Friedental eintrifft. Das bedeutet dann meistens, dass der Leichnam in einem so schlechten Zustand ist, dass er erst in den Sektionsraum gebracht werden muss. Dort werden die Untersuchungen zwar von Ärzten gemacht, aber Haas muss danach die Reinigung der Utensilien des Raums kontrollieren. «Dieses Prozedere kommt glücklicherweise nur einmal im Monat vor.»

Erholung mit den Enkelkindern 

Haas setzt sich und atmet durch. Der Feierabend naht. Erholung vom Erlebten findet Haas zuhause im alten Bauernhaus in Ballwil. Da könne er gut abschalten, erzählt er. Von seiner Familie erhalte er grosse Unterstützung. Seine erwachsenen vier Kinder, zwei Mädchen und zwei Buben, hätten sich immer für seine Arbeit interessiert und seien auch ab und zu mitgekommen. Mittlerweile ist er auch zweifacher Grossvater.

Auf die Frage, ob auch angenehme Dinge im Friedental passieren, muss er nicht lange überlegen. Der Luzerner Tatort hat bereits mehrere Episoden vor Ort gedreht und damit für Abwechslung gesorgt. Erst vor Kurzem sei wieder ein Team dagewesen. «Die armen Schauspieler, die stundenlang in diesen Särgen liegen mussten, haben mir schon Leid getan», sagt Haas schmunzelnd.

NÄCHSTEN DIENSTAG: Was ein Polizeitaucher in der Tiefe des Vierwaldstättersees erlebt.

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