Innerschweizer Kulturpreis-Gewinner Hans Hassler

Der feinsinnige Akkordeon-Rocker mit dem Älpler-Touch

Ein Virtuose auf dem Akkordeon: Hans Hassler.

(Bild: woz)

Es hat ihn gefreut und überrascht zugleich – dass er den Innerschweizer Kulturpreis erhalten hat: Hans Hassler. Doch wer dem 72-jährigen Vollblutmusiker das erste Mal begegnet, den beeindrucken ganz andere Dinge.

Eigentlich hätte man erwartet, dass einer, der durch Ländlermusik berühmt geworden ist, in einer Alphütte auf 2’000 Metern Höhe lebt. Doch das musikalische Multitalent Hans Hassler wohnt seit Jahrzehnten in einer Zuger Agglo-Überbauung – in Hofmatt im «Schlafdorf» Hagendorn.

Für sein Wohlbefinden sind solche räumlichen Kategorien jedoch völlig unerheblich. Der gebürtige Bündner lebt in seiner Musik. Und in seiner souveränen Gelassenheit, die ihn wie ein schützender Kokon zu umhüllen scheint.

Schon mit sieben spielte er auf dem Akkordeon

Denn wer das Wohnzimmer in der Hofmatt betritt, wo Sohn Moritz gerade telefoniert und wo ein grosser Flügel – umgeben von Noten und Notenständer – steht, herrscht eine himmlische Ruhe. Eine innere Ruhe, die irgendwie in der Musik der bereits verhallten Töne zu wurzeln scheint. Und die aus seinen Klängen wächst, wenn er zum Akkordeon greift.

Der 72-jährige Akkordeon-Künstler in seinem «Tonstudio».

Der 72-jährige Akkordeon-Künstler in seinem «Tonstudio».

(Bild: woz)

Hassler, der schon mit sieben Jahren seine ersten Gehversuche auf dem Akkordeon machte, vermag diesem Instrument, das wie ein Mensch zu atmen scheint, Unglaubliches zu entlocken. Wie ein Rocker schranzt er grobe Töne daher. Wenige Sekunden später versinken seine Melodien in tiefgründiger Melancholie oder schrägen Tontippeleien. Dann wieder perlt der zünftige Dreivierteltakt des Ländlers aus der Ziehharmonika. Alles wirkt authentisch – aus dem Klangraum seiner Persönlichkeit.

«Dissonanzen gehören zur Musik und zum Leben.»

Hans Hassler, Akkordeon-Virtuose

Wenn er vor einem spontan aufspielt, senkt sich sofort eine wohlige Entspanntheit auf den Zuhörer – selbst wenn Hassler die wuchtigsten Dissonanzen aus dem Instrument quetscht. Man glaubt, Instrument und Mensch verschmelzen bei Hassler zu einer Klangeinheit. Denn wenn der Luftsack sich im Akkordeon beim Spielen auffächert und sich in Tonkaskaden entlädt, meint man, der 72-Jährige spreche direkt zu einem. In einer Art Wechselspiel von Systole und Diastole seiner Gefühle. Das Akkordeon ist seine Seele.

Der Zopf: Rasta-Souvenir aus einem Afrika-Urlaub

«Dissonanzen gehören zur Musik und zum Leben», sagt Hassler, der nach einem zackigen Gute-Laune-Ländler seinem Instrument eine freejazzige Passage entlockt. «Gäbe es keine Disharmonien, könnte man die Harmonien nicht so geniessen. Das ist wie beim Wetter – wenn es zwischendurch nicht mal grusig ist, kann man die Sonne nicht so wertschätzen.» Sagt’s, lächelt und streicht seinem Bartzopf entlang – einem über die Jahre gewachsenen Rasta-Souvenir aus einem Namibia-Urlaub.

Apropos. Sein illustrer Bart hat eigentlich nichts mit seiner Musik zu tun, versichert Hassler. «Ich habe einfach in den 80er-Jahren mal bei einer Zelterei aufgehört, mich zu rasieren. Da steckt auch keinerlei Ideologie dahinter», sagt der Familienvater von fünf erwachsenen Kindern und Grossvater von vier Enkeln und lehnt sich entspannt zurück ins Sofapolster.

Seine Barttracht verleiht Hans Hassler etwas Prophetenhaftes. «Mein Bart hat aber nichts mit meiner Musik zu tun.»

Seine Barttracht verleiht Hans Hassler etwas Prophetenhaftes. «Mein Bart hat aber nichts mit meiner Musik zu tun.»

(Bild: woz)

Doch sein Bart verleiht ihm zweifellos etwas Prophetenhaftes. Etwas Tolstojeskes. Gleichzeitig könnte sein Bart auch derjenige eines Präsidenten eines Harley-Davidson-Clubs sein. Indes – Hans Hassler ist nicht abhängig von Attributen, er ist sich selbst – wenn er ruhig spricht. Mit seinen verschmitzten Äuglein zwinkert.

Ursprünglich wollte er nach der Kanti eigentlich Elektroingenieur werden. Allerdings stellte er schnell fest, dass für ihn so ein «Nine to five»-Bürojob wohl nichts wäre. Dann kam die Idee mit dem Tontechniker auf. Schliesslich studierte er an der Musikakademie Zürich Klavier und Klarinette, nahm Kontrabassunterricht und machte das Schulmusikdiplom.

«7’000 Rinder» und das «Schanfigger Ländlerquintett»

Schon als Jugendlicher war er mit zwei Brüdern als die «Hassler Buoba» in der Schweizer Ländlerszene unterwegs. 1966 bis 1968 tourte er mit dem Schlagersänger Peter Hinnen und seinem Hit «7’000 Rinder» durch die Festhütten der Schweiz und die Nachbarländer. Eine Zeit lang spielte er in einer Dixieland-Band. 1974 machte er mit dem «Schanfigger Ländlerquintett» Bündner Volksmusik. «Der Bündner Ländler ist lang nicht so komplex wie der Innerschweizer Ländler», merkt er an.

«Wenn ich spiele, bin ich frei.»

Hans Hassler

Während aber viele von der heimatsüffigen Ländlerleidenschaft betäubt wurden, wollte Hassler immer mehr. Er improvisierte. Er wagte den Weg in den Jazz. Er teilte sich – und nur noch sich – auf dem Akkordeon mit. Eine Mischung aus musikalischer Eigenbrötlerei und individuellem Freigeist. «Ich bin für alles offen», bekennt er. «Und wenn ich spiele, bin ich frei.»

Nur ein anderer Preis bisher

Dass Hassler den Innerschweizer Kulturpreis nun kürzlich erhalten hat – der ihm im September überreicht wird und der mit 25’000 Franken dotiert ist –, «hat mich gefreut und gleichzeitig überrascht», sagt er bescheiden und bodenständig. Vermutlich werde er wohl eine schöne Reise mit dem Geld machen. Erst einmal habe er bisher einen Preis in seinem Leben bekommen – 1991 den Anerkennungspreis des Kantons Graubünden.

«Wenn ein Bild fertig ist, kann man es anschauen. Wenn man Noten vor sich hat, braucht es erst noch jemanden, der diese in Musik umzuwandeln vermag.»

Hans Hassler

Indes – solche Preise scheinen nicht zentral für seine Existenz. Denn selbst zu seiner Musik pflegt er eine reflektierte Selbstdistanz.

«Für mich ist Musik natürlich eine ganz wichtige Sprache, in der ich mich und meine Stimmungen ausdrücken kann.» Musik sei auch etwas anderes als ein Gemälde. «Wenn ein Bild fertig ist, kann man es anschauen», so Hassler, «wenn man Noten vor sich hat, braucht es erst noch jemanden, der diese in Musik umzuwandeln vermag.» Musik sei also schon etwas Spezielles. Wobei man das Gefühl hat, Hassler brauche gar keine Noten. Die ganze Musik steckt ja schon irgendwie in ihm.

Ruht in sich selbst: Akkordeon-Virtuose Hans Hassler.

Ruht in sich selbst: Akkordeon-Virtuose Hans Hassler.

(Bild: woz)

Und doch macht er nicht den ganzen Tag Musik: «Eine halbe Stunde lang oder eine Stunde vielleicht pro Tag.» Ihn treiben noch andere Leidenschaften um – beispielsweise täglich auf dem Velo bis zu 50 Kilometer herunterzustrampeln. Er liebt eben nicht nur die Freiheit der Töne. Sondern auch die Freiheit der Bewegung und der Landschaft.

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