Es mangelt überall an Verantwortungsbewusstsein

Der FC Luzern vermittelt ein irritierendes Bild

Unter der Führung des neuen Präsidenten Stefan Wolf macht der FC Luzern nicht den Eindruck, eine verschworene und verantwortungsbewusste Einheit zu sein. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Sportliche Sorgen begleiten den Cupsieger seit dem Saisonstart im Juli. In diesen struben Zeiten auf dem Feld wäre es umso wichtiger, neben dem Feld alles im Griff zu haben. Doch beim FC Luzern laufen Geschichten aus dem Ruder, die der Verein mühelos kontrollieren könnte. Das wirft kein gutes Licht auf die strategische FCL-Führung um Präsident Stefan Wolf.

Der FC Luzern muss sich in diesen Tagen und Wochen gewiss nicht den Vorwurf gefallen lassen, als homogene Einheit gegen den sportlichen Niedergang einzustehen. Vielmehr wirkt es in der Aussenwahrnehmung so, als ob in den verschiedenen Bereichen individuell und gleichsam frisch-fröhlich vor sich hin gewerkelt wird. 

Warum vermag der im Februar neu installierte Verwaltungsrat keine strategischen Leitplanken vorzugeben, die aufzeigen, in welche Richtung sich der Klub entwickeln soll?

Die unvorteilhafte Realität sieht so aus: Da ist eine Mannschaft, der es an Führungsspielern, die den Karren aus dem Dreck ziehen könnten (zentralplus berichtete), mangelt. Nach dem Cupsieg im Mai, der Prestige und Selbstvertrauen gebracht hat, ist sie innert kürzester Zeit auf ein Leistungsniveau zurückgefallen, das dazu verleitet, an der Qualität der Einzelspieler zu zweifeln.

Da ist mit Fabio Celestini ein Trainer, der dem Klub zum grössten Erfolg seit 29 Jahren verholfen hat. Im Cupfinal vor einem halben Jahr haben seine Mannen die beste Leistung einer Luzerner Mannschaft in diesem Jahrtausend abgeliefert. In der den FCL umwehenden Euphorie hat der 46-jährige Romand abermals versucht, seine moderne Vorstellung von Fussball zu implementieren.

Mit Samthandschuhen in der Sportabteilung unterwegs

Doch schnell musste er, den Umständen gehorchend, sein Unterfangen abbrechen und stattdessen auf die taktischen Bedürfnisse seiner auf dem Platz umherstolpernden Mannschaft eingehen. Erst nach dem jüngsten Rückschlag im Heimspiel gegen Sion (0:1) stellte sich Fabio Celestini nicht mehr bedingungslos vor seine Spieler und verlangte von ihnen «mehr Leistung und Qualität» (zentralplus berichtete). Letztlich war das immer noch eine sanfte Massnahme. Weit weg vom Statuieren eines Exempels.

Da ist mit Remo Meyer ein Sportchef, der bislang ebenso darauf bedacht war, mit Samthandschuhen durch die Sportabteilung zu laufen. Schliesslich hat er im Sommer Spieler verpflichtet, die gut genug dafür schienen, um das Leistungsniveau vom letzten Mai halten zu können. Aber im Blick zurück kam es anders. 

«Solche Aussagen wurden als Frechheit aufgefasst.»

Von aussen betrachtet scheint die Psychohygiene zwischen Mannschaft, Trainer und Sportchef nach wie vor intakt zu sein. Zumindest gibt es keine Anzeichen dafür, dass willentlich gegeneinander gearbeitet wird. Aber auch keine dafür, dass wirklich miteinander am gleichen Strang gezogen und auf ein gleiches Zielbild hin gearbeitet wird.

Rückendeckung von oben ist nicht zu erwarten

Und das wäre aus Luzerner Sicht eine zwingende Voraussetzung, um der erneut drohenden Abstiegsgefahr letztlich entrinnen zu können. Denn das sportliche Wohl des Cupsiegers liegt ausschliesslich in den Köpfen, Füssen und Händen von Remo Meyer, Fabio Celestini und den Spielern.

Weil die Feststellung unumgänglich ist: Von oben wird im FCL kaum Rückendeckung zu erwarten sein. Die zwei verbliebenen Aktionäre Bernhard Alpstaeg und Josef Bieri sind wegen des seit dem Dezember 2015 schwelenden und Anfang Jahr beigelegten Krachs auf höchster Führungsebene in ihrem öffentlichem Image beschädigt und scheinen ihre strategischen Aufgaben mit der Befriedung erfüllt zu glauben.

Dazu kommt: Die beiden Investoren mit abgeschlossener Vermögensbildung sind in dieser Woche wegen einer Corona-Erkrankung in die Schlagzeilen geraten. Dem charakterlich ungleichen Duo wird wohl erst wieder eine übergeordnete Rolle zukommen, wenn von ihnen erwartet wird, die per Ende 2023 fälligen Bundesdarlehen in der Höhe von fünf Millionen Franken in grossen Teilen aus dem eigenen Sack zurückzuzahlen (zentralplus berichtete).

Die geringe Attraktivität des FC Luzern für die Zentralschweizer Wirtschaft lässt sich daran ablesen, dass es Josef Bieri neun Monate nach der Befriedung des Aktionariats noch immer nicht gelungen ist, zumindest einen Teil seines 48 Prozent umfassenden Aktienkapitals an der FCL Holding AG zu veräussern.

Unverantwortlich gegenüber Arbeitgeber und Mitarbeitenden

Hilfreich ist es dabei auch nicht, dass der eigentlich für die Strategie verantwortliche Verwaltungsrat der FCL Innerschweiz AG keine Aufbruchstimmung verbreiten kann. Dem neu zusammengestellten Gremium mit der zuletzt dazu gestossenen Juristin Ursula Engelberger-Koller, Alpstaeg-Adlatus Bruno Affentranger, Aktionär Josef Bieri, dem Fussballtechnokraten Laurent Prince und dem mandatierten Stefan Wolf an der Spitze ist es bislang nicht gelungen, den Laden in den Griff zu bekommen.

Das Bild vom FCL-Verwaltungsrat entstand im Februar, als die Suche nach weiblicher Verstärkung noch lief (von links): Laurent Prince, Stefan Wolf, Josef Bieri und Bruno Affentranger. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Das belegen zwei irritierende Vorfälle aus jüngster Zeit: Mitten im Kampf um den Ligaerhalt hat sich FCL-Sportchef Remo Meyer mit Corona angesteckt und verweilt derzeit in Selbstisolation (zentralplus berichtete). Dass er sich nicht impfen liess und nun für unbestimmte Zeit ausfallen könnte, ist unverantwortlich gegenüber seinem Arbeitgeber und gegenüber den Mitarbeitenden um ihn herum.

Für eine Führungskraft in einer von Publikum und Öffentlichkeit abhängigen Organisation ist die Weltviruskrise keine Privatsache. Dass sich Meyer zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der Pandemie um die Impfung und damit um die Übernahme von Verantwortung foutiert, ist rational schwierig nachzuvollziehen. Und es ist zum Schaden des Vereins.

Interview entwickelt vereinsinternen Sprengstoff

Die zweite Geschichte, eine scheinbare Marginale, zeigt ebenso, dass in diesem Verein die Zahnräder nicht so ineinandergreifen, wie sie es müssten. Im Bestreben darum, der ersten Frau im FCL-Verwaltungsrat ein eigenständiges Profil zu verpassen, gab Ursula Engelberger-Koller gegen Ende Oktober dem Lokalblatt von CH Media ein Interview. Der Inhalt entwickelte, gewollt oder ungewollt, vereinsinternen Sprengstoff.

Die Rechtsanwältin und Notarin prägte Sätze wie: «Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, die Jugendarbeit auszubauen und zu professionalisieren. Mit der Zielsetzung, noch mehr junge Spieler in der 1. Mannschaft zu integrieren.» Und sie legte nach: «Die Nachwuchsarbeit ist für mich der Bereich, wo das Potenzial für Verbesserungen am grössten ist und wo ich viel Herzblut habe.» 

Ihre Anmerkungen zielten ausgerechnet auf jenen Bereich, der zur nationalen Beletage gehört: Auf die Nachwuchsausbildung, in der der FCL seit Jahren erstklassige Arbeit leistet und vor zwei Jahren bei den U15 und U16 den Schweizer Meister stellte, derweil die U18 Zweite wurde.

Vertrauensbildung und Verantwortung funktionieren anders

Ohne Übertreibung lässt sich festhalten, dass sich die FCL-Nachwuchstrainer vor den Kopf gestossen fühlten. «Solche Aussagen wurden als Frechheit aufgefasst», sagt ein Intimus zu zentralplus, der mit den Vorgängen und Befindlichkeiten im Luzerner Fuchsbau bestens vertraut ist. Sie erfolgten im Interview ohne Einbettung in eine Analyse und eine Absicht.

Für zusätzliche Brisanz sorgt der Umstand, dass dem Vernehmen nach kein Mitglied der FCL-Geschäftsleitung vorab Kenntnis vom Interview hatte und die verwaltungsrätliche Kritik direkt der Zeitung entnehmen musste. Alspstaegs umtriebiger Adlatus Bruno Affentranger orchestrierte die Aktion an den Strukturen des Vereins vorbei. Vertrauensbildung und Verantwortung funktionieren anders.

Drängender als der Eingriff ins operative Geschäft wäre für den Verwaltungsrat die Erarbeitung einer klaren Strategie. Bis dato geriet in dieser Frage nicht mehr als der rührselige Anspruch von Präsident Stefan Wolf an die Öffentlichkeit, dereinst wieder mal die Swissporarena mit Zuschauern füllen zu können.

Beim FCL ziehen sich aktuell Missstände von der Teppichetage bis hinunter auf den grünen Rasen. Es ist ein irritierendes Bild, das der FC Luzern von sich zeichnet.

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