Bossard-Arena: Neue Banden – weniger Verletzungen?

Der EVZ lässt’s beim Banden-Test ordentlich krachen

Markus Muser von der Arbeitsgemeinschaft für Unfallmechanik erklärt das Prozedere des Bandentests.

(Bild: sib)

Ab nächster Saison wird in den beiden höchsten Spielklassen im Schweizer Eishockey ein neues Bandensystem obligatorisch. Der EVZ setzt allerdings bereits in dieser Spielzeit auf Banden, wie man sie aus der NHL kennt. Am Montag wurden sie in der Bossard-Arena einem etwas anderen Belastungstest unterzogen.

EVZ-Flügelstürmer Reto Suri braucht keine offiziellen Testergebnisse, um zu wissen, dass «die neuen Banden auf jeden Fall ein grosser Fortschritt sind». Vor allem der Fakt, dass die Bande selbst weniger hoch sei und somit eine grössere Kontaktfläche mit dem Plexiglas bestehe, mache viel aus. «Das Plexiglas ist schlussendlich der Teil, der flexibel ist und entsprechend die Kraft absorbiert», erklärt er.

Seit Beginn der Saison spielt der EVZ mit diesem neuen, flexiblen Bandensystem. Suri glaubt nicht, dass sich die Spieler zu Beginn gross daran gewöhnen mussten. «Als Spieler denkt man nicht an solche äusseren Umstände. Die Zweikämpfe muss man ja sowieso annehmen, egal mit welcher Bande man es zu tun hat.»

Drei- bis vierfaches Körpergewicht wirkt auf Schulter

In anderen Ligen, wie beispielsweise in Finnland, sind solch moderne Banden längst Usus. Einige NLA-Spieler haben sich beklagt, in der Schweiz hinke man diesbezüglich hinterher. HCD-Spieler Perttu Lindgren nannte gegenüber Medien die alten Davoser Banden «harte Wände, die sich nicht bewegen». Trotzdem ist Reto Suri nicht der Meinung, man habe auf Seiten der Liga zu spät reagiert. «Wir Spieler haben von den Schweizer Stadien eben nichts anderes gekannt.» Und als Spieler solle man sich besser auf die Dinge konzentrieren, die man aktiv beeinflussen könne.

Die Pendel-Anlage steht bereit für den Test.

Die Pendel-Anlage steht bereit für den Test.

(Bild: sib)

Zum Test in der Bossard-Arena eingeladen haben die Arbeitsgemeinschaft für Unfallmechanik Zürich (AGU) und die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU). Sie möchten herausfinden, wie gut die Banden den Aufprall eines Checks «schlucken» können. Laut Markus Muser von der AGU wirkt bei einem Check etwa das Drei- bis Vierfache des Körpergewichts beispielsweise auf die Schulter. Da habe es einen grossen Einfluss, wie die Bande reagiert.

Alle getesteten Systeme werden zugelassen

Mit den Tests begonnen hat die BfU in Zusammenarbeit mit Swiss Ice Hockey und der Pat Schafhauser Stiftung in einem Test-Center im bernischen Vauffelin. Dabei wurden fünf Bandensysteme getestet und mit dem herkömmlichen System verglichen. Alle fünf haben deutlich besser abgeschnitten als das alte System. Entsprechend wurden alle fünf zugelassen. Die NLA- und NLB-Klubs haben also ab nächster Saison die Wahl.

Dass die fünf Systeme alle eine deutliche Verbesserung darstellen würden, war zu erwarten. Man erinnere sich an die Aussage von Perttu Lindgren. Hansjürg Thüler, Leiter Sport bei der BfU, erklärt die Krux bei den neuen Banden: «Noch stehen wird am Anfang dieser Entwicklung. Wir haben zwar jeweils einen Index für die Systeme ausgearbeitet und können entsprechend eine Reihenfolge erstellen.» Doch stelle sich die Frage, wo die Grenze zu ziehen ist, bis zu welchem Wert ein System noch zulässig sei.

EVZ-CEO sah Tests kritisch

EVZ-CEO Patrick Lengwiler gibt zu, dass er die Tests zu Beginn eher kritsich beäugt habe. «Sie haben nicht unter Realbedingungen stattgefunden, da sie nicht bei einer ganzen Bande angewandt wurden.» Diesen Vorwurf kann man nun beim Test in der Bossard-Arena sicherlich nicht machen.

«Wichtig ist, dass die Bande den Aufprall dämpft.»

Markus Muser, Arbeitsgemeinschaft für Unfallmechanik

Hansjürg Thüler verteidigt sich: «Es ist richtig, dass die ersten Versuche unter Laborbedingungen stattgefunden haben. Es ist dabei jedoch vor allem darum gegangen, zu eruieren, ob die neuen Banden überhaupt einen positiven Effekt erzielen.» Dies sei keineswegs sicher gewesen. Mit Hilfe von Dummies wurde geschaut, welches Körperteil wie stark beansprucht wird. Der hiesige Test im Stadion sei somit der nächste Schritt. Den Vorwurf, nicht unter Realbedingungen zu testen, kann man hier also sicherlich nicht machen.

Eine rudimentäre Anlage

Die Test-Anlage steht bereits und ist direkt vor der Herti-Nordkurve aufgebaut. Sie sieht eher rudimentär aus und funktioniert mit einem Pendel. Gebraucht werden zwei Hubstapler: Der eine hält an einem längeren Seil das Gewicht fest, das gegen die Bande klatschen wird. Der andere hält an einem deutlich kürzeren Seil das Gewicht, damit beim Durchschneiden des kurzen Seils eine Pendelbewegung entsteht und das Gewicht gegen die Bande schnellen kann.

«Man müsste bei jedem Kontakt und jeder Verletzung schauen, wie sie zustande gekommen ist.»

Patrick Lengwiler, CEO EV Zug

Zuerst muss abgemessen werden, damit das trommelförmige Pendel die Bande auf der Höhe der befestigten Sensoren trifft. Dann kann es losgehen: Das kurze Seil wird durchgeschnitten und das Gewicht knallt mit lautem Getöse gegen die Bande. Das Plexi schwingt stark durch. «Dies wäre beim deutlich schwereren Sicherheitsglas, wie es teils immer noch eingesetzt wird, viel weniger ausgeprägt», sagt Markus Muser von der AGU. Anschliessend wird noch ein tieferer Treffpunkt anvisiert. Ansonsten war es das mit dem Test. Ausgewertet werden können die Daten noch nicht.

EVZ mit Premium-Version

Unter anderem wird gemessen, wie stark die Bande beim Aufprall nachgibt. Muser betont, dass eine grössere Auslenkung nicht automatisch besser ist. «Es könnte auch einfach sozusagen durch die Bande durchschlagen. Wichtig ist, dass es den Aufprall dämpft.» Was für sie bei der Auswertung entscheidend sei, sei der Kraftabbau über die Zeit, sprich, was nach dem Aufprall passiere.

Patrick Lengwiler zeigt sich unabhängig vom Test zufrieden mit den neuen Banden. Tatsächlich sind sie keines der von BfU und AGU getesteten Produkte, sondern eine angeblich noch etwas bessere Variante.  Lengwiler glaubt, dass «vor allem Verletzungen im Oberkörperbereich dadurch reduziert werden können». Kostenpunkt der Banden: Rund eine Viertel Million Franken. Der Verein berappte den Betrag selbst. Anders sieht es bei der Trainingshalle des EVZ aus. Dort werde die Stadt für die neuen Banden aufkommen.

Es zeigen sich also alle Beteiligten zufrieden mit dem neuen Bandensystem. Doch Zahlen dazu, ob die Anzahl der Verletzungen seither tatsächlich zurückgegangen ist, kann (noch) niemand vorweisen. Lengwiler erklärt, wie schwierig es sei, Statistiken dazu zu erheben. «Man müsste bei jedem Kontakt und jeder Verletzung schauen, wie sie zustande gekommen ist.» Der Aufwand dafür sei schlichtweg zu gross.

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