Das sind die Noten vor dem Halbfinal-Start

Der EVZ gegen die «Wundertüte» Lausanne: Worauf es jetzt ankommt

Lino Martschini im Spiel gegen den Lausanne HC.

(Bild: Felix Klaus/ EVZ)

Die Playoff-Halbfinals stehen an: Der EV Zug duelliert sich ab Dienstag mit dem Lausanne HC. Wo liegen die Stärken und Schwächen der beiden Teams? Unser Zeugnis verrät es.

Durch den überzeugenden 8:1-Kantersieg gegen die Langnauer ist der 1922 gegründete Lausanne HC erstmals in seiner Vereinsgeschichte in den Playoff-Halbfinal der höchsten Spielklasse eingezogen. Die Premiere folgt auf die beste Qualifikation in der modernen Ära. Nach kräftigen Investitionen in den letzten Jahren und vor dem Einzug in die renovierte Patinoire de Malley in der kommenden Saison kündet dies die Ankunft der Waadtländer in der Spitzengruppe der Liga an.

Nun treffen sie erstmals in den Playoffs auf den EV Zug, der seine Ambitionen mit dem überraschend diskussionslosen Sweep gegen den HC Lugano eindrücklich untermauert hat. Doch wer kann in welchen Bereichen Vorteile vorweisen? zentralplus verteilt beiden Teams in neun «Fächern» die klassischen Schulnoten.

Torhüter: Nachfolger trifft auf Vorgänger

Das Privatduell auf der Torhüterposition erhält mit Blick auf die kommende Saison eine höchst brisante Note. Tobias Stephan wird den EVZ im Sommer nach fünf Jahren bekanntlich verlassen müssen, er hat für drei Saisons in Lausanne unterschrieben. Dies führt dazu, dass Sandro Zurkirchen, einer seiner Vorgänger im EVZ-Gehäuse, die Waadtländer nach nur zwei Saisons trotz weiterlaufenden Vertrages wohl vorzeitig verlassen wird.

Der Schwyzer dürfte folglich besonders motiviert in dieses Duell steigen und seinen ehemaligen und noch aktuellen Verantwortlichen seine Qualitäten beweisen wollen. Werden die Leistungen der beiden Torhüter in der laufenden Saison miteinander verglichen, fällt es schwer, einen Vorteil auszumachen. Beide haben eine überzeugende Qualifikation hinter sich, in den Playoffs jedoch noch nicht restlos überzeugt. Für Stephan, der die Zuger vor zwei Jahren in den Final gehext hat, mag die grössere Erfahrung sprechen – Zurkirchen bestreitet seine ersten Playoffs als Stammkeeper.

Noten – EV Zug: 4,5; Lausanne HC: 4,5

Verteidigung: Duell der beiden besten Verteidiger der Liga?

Beide Abwehrreihen konnten in der Qualifikation überzeugen und verfügen über talentierte Verteidiger, die den Puck schnell und präzise aus der eigenen Zone spielen können. Erstaunlicherweise haben beide Teams in den Playoffs im Schnitt mehr Treffer kassiert als in der Qualifikation. Den Zugern dürfte dies nicht allzu grosse Kopfschmerzen bereiten, da der Viertelfinal-Gegner aus Lugano über die statistisch beste Offensive der Qualifikation verfügt hat.

Die Waadtländer haben vor allem in den Partien 5 und 6 zu viele Treffer erhalten, wobei dies beide Male mit der inkonstanten Leistung und der mangelhaften Einstellung zu erklären ist.

Interessant wird das Duell der beiden wohl besten Abwehrspieler der Liga zwischen Raphael Diaz und Jonas Junland. Nun bricht für die Coaches die Zeit an, um die besten Kräfte zu forcieren, weshalb die beiden in allen Situationen viel Eiszeit erhalten werden. Dem Zuger Captain dürfte es entgegenkommen, dass er sich eine Woche länger erholen konnte als der Schwede. Zudem hat der Zuger Defensivverbund als Kollektiv bisher mehr überzeugt als jener der Waadtländer.

Noten – EV Zug: 5,5; Lausanne HC: 5

Angriff: Geballte Feuerkraft

Die Zuger konnten ihre offensive Power in den Playoffs mit 4,5 Treffern pro Partie eindrücklich unter Beweis stellen. Besonders erfreulich aus ihrer Perspektive sind zwei Faktoren. Erstens haben die designierten Stars wie Lino Martschini, Garrett Roe und David McIntyre die berechtigten Zweifel in den Viertelfinals ausräumen können und unter dem Strich überzeugt. Zweitens haben sogenannte Rollenspieler wie Dominic Lammer, Sven Leuenberger oder Sven Senteler entscheidende Tore erzielt. Der EVZ konnte die Luganesi dank der Intensität, des Tempos und der Wucht seiner vier Linien regelrecht überfahren.

Note EV Zug: 6

Die Lausanner weisen mit 3,14 Treffern pro Partie die zweitpotenteste Offensive in den Playoffs auf – dies nicht zuletzt dank eines starken Powerplays. Die erste Linie mit Dustin Jeffrey, Christoph Bertschy und Joël Vermin ragte dabei heraus – mit zwölf Treffern zeichneten sie für über die Hälfte der Tore verantwortlich. Auf der Rückseite der Medaille stellt sich die Frage, ob das Team nicht zu abhängig von diesem Trio ist und seines offensiven Pulses beraubt wird, wenn die Zuger Jeffrey und Co. neutralisieren können.

Note Lausanne HC: 5

Ausländer: Verletzte Schlüsselspieler?

Vor den Playoffs betrafen die wenigen Fragezeichen beim EVZ vorwiegend die Ausländer. Diese Fragen wurden bisher positiv beantwortet. McIntyre hat sich merklich gesteigert, Roe hat sich kaum provozieren lassen und Brian Flynn hat zwei Siegestreffer erzielt – unter anderem jenen in der zweiten Verlängerung, der die Serie beendet hat. Sorgenfalten mag Coach Dan Tangnes der Fitnesszustand der beiden Schweden Carl Klingberg und Dennis Everberg bereiten. Ersterer konnte in der vergangenen Woche wenigstens wieder trainieren – bei Letzterem ist es möglich, dass er einige Spiele ausfallen wird. Everbergs Absenz würde einen herben Verlust darstellen.

Note EV Zug: 5,5

Wie sein Gegenüber Dan Tangnes kann auch Ville Peltonen bei der Besetzung des Ausländerquartetts auswählen. In den Playoffs hat er bisher stets auf Junland und Jeffrey, den finnischen Abwehrhünen Petteri Lindbohm und Center Cory Emmerton gesetzt, während der kräftige Flügel Mika Partanen und der vielseitige, aber offensiv etwas limitierte Center Torrey Mitchell mit einem Platz auf der Tribüne vorliebnehmen mussten.

Junland und Jeffrey sind die beiden Schlüsselspieler der Waadtländer, weshalb es fatal wäre, wenn sich der Kanadier am Samstag schwerer verletzt hätte. Emmerton und Lindbohm sind solide, jedoch nicht herausragende Spieler, die durch ihren Einsatz und defensive Zuverlässigkeit überzeugen.

Note Lausanne HC: 5,5

Special Teams: gefährliche Powerplays

Der EVZ konnte sich bisher auch in den Playoffs auf die Special Teams verlassen – allerdings mit Abstrichen. Die Zuger konnten im Durchschnitt in jeder Partie einen Treffer im Powerplay erzielen – nach Lausanne (1,14) der beste Wert. Dies hängt damit zusammen, dass die Zentralschweizer am häufigsten in Überzahl agieren durften. Die Effizienzquote entspricht mit 19,05 Prozent genau dem Liga-Durchschnitt. Umso wichtiger wäre die Präsenz von Everberg und Klingberg, die vor dem gegnerischen Tor für Unruhe sorgen.

Das Boxplay ist mit 94,74 Prozent das mit Abstand effizienteste der Liga. Gleichwohl gilt es hier ebenfalls zu relativieren. Lugano hat viermal unmittelbar nach Ablauf einer Zuger Strafe einen Treffer erzielt. Zwar wird dies in der Statistik nicht erfasst, doch die Zuger wissen, dass sie weniger Strafen nehmen müssen, wenn sie nicht bestraft werden wollen. Diese Herausforderung zieht sich wie ein roter Faden durch die EVZ-Saison – auch in den Playoffs müssen die Zuger zu oft in Unterzahl agieren.

Note EV Zug: 5

Die Lausanner haben bereits acht Powerplay-Treffer in den Playoffs erzielt. Besonders gefährlich ist Vermin, der drei Treffer gebucht hat. Solide sind die Leistungen in Unterzahl, wo das Team von Peltonen eine Erfolgsquote von 82,61 Prozent aufweist. Entscheidend für die Waadtländer ist, dass sie relativ diszipliniert auftreten und so grundsätzlich weniger oft in Unterzahl agieren müssen als die Zuger.

Note Lausanne HC: 5,5

EVZ-Stürmer Dario Simion im Heimspiel gegen den Lausanne HC.

EVZ-Stürmer Dario Simion im Heimspiel gegen den Lausanne HC.

(Bild: Philipp Hegglin/ EVZ)

Trainer: Zwei Halbfinal-Neulinge

Dan Tangnes muss nun endlich nicht mehr mit dem Einwand leben, dass er nicht weiss, wie man eine Playoff-Serie in der obersten Liga gewinnt. In den Viertelfinals hat er eindrücklich bewiesen, dass die bisher von ihm trainierten Teams schlicht über zu wenig Substanz für erfolgreiche Playoffs verfügten. Die Dominanz seines Teams hat ihm recht gegeben, alle Linien einzusetzen und nicht frühzeitig die besten Akteure zu forcieren. Dieses Vertrauen dürfte sich in den kommenden Partien auszahlen. Noch unklar ist, wie der 40-Jährige reagiert, wenn seine Mannschaft mit dem Rücken zur Wand steht. Das passende Vorgehen in solchen Situationen unterscheidet grosse von sehr guten Coaches.

Note EV Zug: 5,5

Im Gegensatz zu Tangnes, der seit über einer Dekade als Headcoach tätig ist, verfügt Ville Peltonen über wenig Erfahrung als Coach. In seiner ersten Saison als Headcoach hat der Finne Lausanne prompt zur besten Saison der modernen Klubgeschichte geführt.

Ganz überraschend kommt dies nicht, hat der 46-Jährige doch einen exzellenten Ruf. Dies insbesondere auch, weil Peltonen, der zwei Saisons als Assistenztrainer beim SC Bern war, mit diesem 2017 den Titel geholt hat. Ausserdem galt er einst als Spieler mit überragender Spielintelligenz und Führungsqualitäten. Peltonen konnte seine Mannschaft auf ein höheres Niveau führen, doch ist es ihm noch nicht gelungen, aus ihr über einen längeren Zeitraum konstante Leistungen herauszukitzeln.

Note Lausanne HC: 5

Titel-Erfahrung: Zug ungewohnt reif

Mit einem Cup-Sieg und einer Playoff-Finalteilnahme in den vergangenen 20 Jahren gehören die Zuger in den diesjährigen Playoff-Halbfinals nach dem SC Bern zu den erfahrensten Teams, was wichtige Partien um Titel anbelangt. Die Serie gegen Lugano hat gezeigt, wie abgeklärt und reif die Kolinstädter mittlerweile auftreten – entsprechend dürften sie sich nicht allzu leicht aus der Ruhe bringen lassen. Zumal die Spieler wissen, dass der EVZ in den letzten Jahren wohl noch nie eine so gute Chance auf den Meistertitel hatte.

Note EV Zug: 5

Der Headcoach befindet sich in seiner Debütsaison. Der Torhüter bestreitet seine ersten Playoffs als Stammgoalie. Die Mannschaft hat erstmals eine Playoff-Serie gewonnen … Die Playoff-Erfahrung ist bei Lausanne nur spärlich vorhanden – geschweige denn das Wissen, wie man einen Titel gewinnt. Einzelne Akteure bringen diesbezüglich Erfahrungen mit. Natürlich Peltonen, der als Stürmer mehrfach Meister wurde. Spieler wie Robin Grossmann, Captain Etienne Froidevaux, Vermin, Bertschy, Jeffrey oder Junland wissen, wie man einen Titel holt, wobei diese Erfahrung bei allen schon einige Jahre zurückliegt.

Note Lausanne HC: 4

Formkurve: Heisse und ausgeruhte Zuger gegen die Wundertüte

Mit den vier Siegen in vier Partien gegen das aufstrebende Lugano haben die Zuger nicht nur jegliche Zweifel an ihrer Formkurve ausgeräumt. Vielmehr haben sie sich in die Rolle des Favoriten in den Halbfinals gespielt. Es kann sein, dass die Zuger nach der über einwöchigen Matchpause am Dienstag etwas Mühe haben werden, sofort den Rhythmus zu finden – zumal gegen eine Mannschaft, die voll im Saft ist. Je länger die Serie dauert, desto mehr sollten sich jedoch die gesparten Kräfte zugunsten des EVZ auswirken.

Note EV Zug: 6

Einen Trend bei der Lausanner Formkurve abzulesen, grenzt an eine unmögliche Aufgabe. Die Romands sind die Wundertüte der Liga. An einem guten Abend können sie jede Mannschaft vom Eis fegen, wie ihnen dies am Samstag in der Belle gegen Langnau gelungen ist. An einem weniger guten Abend kassieren sie eine Kanterniederlage – wie in den Partien 1 und 5 der Viertelfinals, als sie vor heimischem Publikum jeweils mit einer 1:5-Klatsche vom Eis mussten. Die Zuger tun jedoch gut daran, ihren Gegner nicht zu unterschätzen – in der Qualifikation haben sie drei von vier Partien verloren.

Note Lausanne HC: 5

Fans: Lausanne zuhause verwundbar

Beide Teams haben in der Qualifikation je 17 Mal zuhause gewonnen und gehören somit zu den besten Heimteams der Liga. Der EVZ hat in der Meisterschaft 14 Siege aus den letzten 17 Heimspielen geholt und darf nach dem Playoff-Viertelfinal auf grosszügige Unterstützung vor heimischer Kulisse zählen.

Note EV Zug: 6

Die erstmalige Halbfinal-Qualifikation dürfte in Lausanne einen weiteren Schub an Euphorie auslösen und die Dringlichkeit der umgebauten Patinoire de Malley unterstreichen. Die mit 6’700 Plätzen kleinere, temporäre Malley 2.0 dürfte zum Bersten voll sein und dem Heimteam gehörigen Rückenwind verleihen. Dass der LHC zuhause dennoch schlagbar ist, haben die SCL Tigers mit zwei Auswärtssiegen demonstriert. Die auswärtsstarken Zuger dürfen deshalb zuversichtlich an den Lac Léman reisen.

Note Lausanne HC: 5

Fazit: EVZ als Favorit

Ein Vergleich der beiden Zeugnisse zeigt, dass ein auf dem Papier sehr gutes auf ein gutes Team trifft: Der EVZ erhält einen Notenschnitt von 5,44 – Lausanne einen von 4,94. Dies entspricht den Eindrücken aus der Qualifikation und den bisherigen Playoffs. Lausanne wird für die Zuger einen härteren Test darstellen als der HC Lugano und sie nicht nur ärgern, sondern auch mehr als einmal bezwingen. Doch wenn der EVZ sein Spiel durchzieht und diszipliniert agiert, wird er zum zweiten Mal in drei Jahren in den Playoff-Final einziehen.

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