Der EV Zug und der Titelgewinn: Wenn nicht jetzt – wann dann?
Das 3:1 im letzten Qualifikationsspiel gegen den EHC Biel beendet die Zeit der Zuger Trockenübungen. Der Quali-Sieg mit neuem Punkterekord ist eine Anerkennung für die bislang vorzügliche Arbeit des EVZ – aber am Dienstag in einer Woche geht es im Playoff von null los. Von da an müssen die Zuger Topfavoriten psychische Härte beweisen. Sonst ist alles für die Katz. Eine Analyse der Ausgangslage.
Er wurde als Verlierer gebrandmarkt, bevor überhaupt das erste Bully unter seiner Ägide gespielt war. Ein Trainer, der wie Dan Tangnes vor seinem Jobantritt im Frühsommer 2018 noch nie eine Playoff-Serie gewann, kann den EVZ unmöglich weiterbringen, so der voreilig zusammengezimmerte Irrglaube.
Denn der mittlerweile 42-jährige Norweger konnte. Nach dem Erringen des Cupsiegs in den ersten Monaten 2019 zog er mit dem EV Zug nach zwei souverän gewonnenen Playoff-Serien in den Final ein – und wurde erst da vom damaligen Liga-Dominator SC Bern mit 1:4-Siegen glattgebügelt.
Ein Jahr später ging der Qualifikationssieg im letzten Spiel gegen den direkten Konkurrenten, die ZSC Lions, flöten. Und das darauffolgende Playoff wurde wegen der den ganzen Erdball ergreifenden Corona-Krise abgesagt. Wir werden nie erfahren, was dabei für den EVZ und all die anderen Mitstreiter herausgekommen wäre.
Zuger Level ist eine Herausforderung
Seither hat der EV Zug den grössten Schritt in seiner sportlichen Weiterentwicklung gemacht. Selbst an weniger guten Abenden hält er sein Spiel konstant auf einem Level, das es für jeden Gegner zur Herausforderung macht, eine Entscheidung zu den eigenen Gunsten herbeizuführen.
Vor allem deshalb ist der EVZ eben erst mit dem höchsten Punktetotal (119) Qualifikationssieger geworden, seit die Meisterschaftsphase vor Playoff-Beginn ab 2007 auf 50 und mehr Spiele angehoben worden ist.
Muss die laufende Saison abermals wegen der anhaltenden Corona-Krise abgebrochen werden, wird der Qualifikationssieger zum Meister ausgerufen, falls er zum Zeitpunkt des Abbruchs noch im Titelkampf vertreten ist.
So ausbalanciert wie kein Konkurrent
Auf der Papierform spricht alles für diesen EV Zug. Die Zuger stellen die qualitativ mit Abstand beste Mannschaft der Liga. Eine, die stets «einen Weg zum Sieg findet», hat Übungsleiter Dan Tangnes bei jeder Gelegenheit herausgestrichen. Diese Fähigkeit sei es auch, die seine Gruppe zu einer aussergewöhnlichen mache.
Das Kurzporträt des Topfavoriten? Mit Jan Kovar hat der EVZ den besten Einzelspieler der Liga – die Kombination von offensiver Genialität und defensiver Zuverlässigkeit machen den 31-jährigen Tschechen zu einer Trouvaille. Mit Leonardo Genoni hat er statistisch «nur» den drittbesten Goalie mit mehr als 30 Qualifikationsspielen – aber den besten, der weiss, wie Meister geht.
Mit Dario Simion und Grégory Hofmann haben die Zuger zwei bestens aufgelegte Scharfschützen. Und mit Raphael Diaz und Santeri Alatalo zwei offensiv ausgerichtete Akteure, die aus einer sattelfesten Abwehr herausragen.
Kurzum: Offensiv hat der EVZ die mit Abstand grösste Feuerkraft in der ganzen Liga und defensiv lässt er nur einen Hauch mehr Gegentore zu als Lausanne. Kein Konkurrent hat ein so ausbalanciertes Spiel wie die Mannschaft von Dan Tangnes.
Grosser Trainer oder eine «lame duck»?
Nie mehr seit dem ersten und bislang einzigen Meistertitel der Zuger Klubgeschichte 1998 erscheinen die Vorzeichen so verheissungsvoll, um den EV Zug wieder zur ersten Eishockey-Adresse der Schweiz zu machen. Man kann, darf und muss sich fragen: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Dan Tangnes bietet sich eine der raren Gelegenheiten, sich als grossen Trainer zu profilieren. Seiner Karriere ein erstes grosses Highlight einzuverleiben, wenn er in einer auf dem Hockey-Planeten hoch geschätzten Liga Landesmeister wird. Die Schweiz gehört dazu. Ein Titelgewinn mit dem EVZ eröffnet Dan Tangnes Perspektiven auf der ganz grossen Bühne.
Seine berufliche Situation birgt allerdings auch eine dunkle Seite: Wird Dan Tangnes in diesem Frühjahr nicht Schweizer Meister, dann droht er, eine «lame duck» (lahme Ente) zu werden. Sein Vertrag ist im Verlauf dieser Saison mit einer schönen Lohnerhöhung bis 2024 verlängert worden.
Welche Glaubwürdigkeit und Autorität bliebe Dan Tangnes noch, falls er nach einem verpassten Meistertitel neue Wege zum Erfolg aufzeigen und vermitteln soll? In der Garderobe und erst recht im Klub-Umfeld?
Tangnes besitzt alle Werkzeuge
Dan Tangnes und seine Mannen sind in den kommenden Wochen zum Erfolg verdonnert. Es liegt in der Verantwortung des Cheftrainers, den Zuger Traum vom ersten Meistertitel seit 23 Jahren zu verwirklichen.
Die dafür notwendigen Werkzeuge besitzt Dan Tangnes alle. Der smarte Charismatiker hat die Zuger zum Liga-Dominator geformt. Ihnen ein attraktives und rasantes Spielsystem, das den EVZ-Akteuren in Fleisch und Blut übergegangen ist, verpasst. Und eben: Dan Tangnes verfügt mit Jan Kovar, Grégory Hofmann, Raphael Diaz und Leonardo Genoni auf spielentscheidenden Positionen über ausgewiesene Ausnahmekönner.
Auch mit physischer Härte ist dem EV Zug nicht mehr beizukommen. Ein Carl Klingberg, Jan Kovar oder Dominik Schlumpf können auch den Knüppel auspacken. Und erst recht Justin Abdelkader. Die NHL-Verstärkung ist die Zuger Geheimwaffe, wenn ein Konkurrent auf die harte Tour besteht.
Der Trainer und die Spieler wissen, zu was sie fähig sind. Ihr Selbstvertrauen ist mit ihrer grossartigen Arbeit gewachsen. Aber diese ist ohne Veredelung bis im Mai nichts wert.
Der grösste Gegner ist der eigene Kopf
Der grösste Gegner auf dem Weg zum Titel sind sich die Zuger wohl selber. Sie haben zwar genug Spieler in ihren Reihen, die wissen, was es braucht, um Meister zu werden. Aber unter maximalem Erfolgsdruck nutzen die Dämonen des Zweifelns jede Chance auf fette Beute.
Unter allen Umständen zu liefern, wenn es um alles oder nichts geht – diese psychische Härte müssen Dan Tangnes und seine Spieler in den nächsten Wochen unter Beweis stellen.
Denn der Blick auf die Schlagkraft der Konkurrenz lässt nur einen Schluss zu: Eine so günstige Gelegenheit, Meister zu werden, wird sich so schnell kaum wieder ergeben.
Liga-Titanen hinken Zug hinterher
Der SC Bern, der mit dem HC Davos in den am Mittwoch beginnenden Pre-Playoffs (best of 3) ausknobelt, wer den EV Zug in den Viertelfinals (best of 7) herausfordern darf, ist nur noch ein Schatten seiner besten Tage. Die Liga-Titanen Davos, Lugano und die ZSC Lions, die zusammen mit dem SCB alle Meistertitel seit 1999 unter sich ausgemacht haben, sind mit spielerischen Mitteln nicht so weit, um dem EV Zug auf Augenhöhe begegnen zu können.
Sie brauchen noch die eine oder andere Saison und den einen oder anderen Ausnahmekönner im Kader, um wieder zu alter Stärke zu finden.
Darum stellt sich für den EV Zug vor dem Kampf um den Meistertitel die Frage: Wenn nicht jetzt, wann dann?
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René Schmid, 07.04.2021, 17:56 Uhr Die Zuger können einfach nur Schönwetter Hockey. Sobald es zählt sind sie nicht mehr dabei. Nur mit schön Schlöflen hat noch niemand den Meistertitel geholt. Wenn der Berner Bär Buhh macht ist der Stier schon wieder im Stall! SCB OOOlllleeee
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