Debatte um Durchgangsbahnhof neu entfacht

Der Engpass bleibt ein Problem – wie weiter mit dem Luzerner Bahnhof?

Der Zug ist direkt unterhalb der Langensand-Brücke entgleist.

(Bild: gwa)

Der Shutdown im Luzerner Bahnhof zeigt vor allem eins: Der heutige Sackbahnhof ist anfällig und nicht mehr zeitgemäss. Seit Jahren weibeln Luzerner daher für den Durchgangsbahnhof. Doch auch die Gegner des 2,4 Milliarden Franken teuren Projektes sehen sich von den aktuellen Ereignissen bestätigt.

Es ist von einem «Flaschenhals» die Rede, von einem «neuralgischen Punkt» oder ganz einfach von einem «Engpass». Abgesehen von der Zentralbahn fährt der ganze Zugverkehr in den und aus dem Bahnhof Luzern über gerade mal zwei Zufahrtsgleise. Das ist auch der Grund, wieso ein entgleister Eurocity den Luzerner Kopfbahnhof tagelang komplett lahmlegen kann (zentralplus berichtete). Das System macht eine Umfahrung unmöglich.

Dass das ein Problem ist, darüber herrscht Konsens. Doch was die beste Alternative wäre, darüber scheiden sich allerhand Bahnexperten-Geister. Denn sowohl Befürworter wie auch Gegner eines Durchgangsbahnhofs fühlen sich durch den Unfall vom Mittwoch bestätigt.

Die Flaschenhals-Einfahrt

Für den Luzerner Regierungsrat beweist der Unfall vom Mittwoch vor allem eines: «Der drittgrösste Bahnhof und letzte grosse Sackbahnhof der Schweiz ist angesichts der heutigen und umso mehr angesichts der künftigen Anforderungen veraltet», teilt dieser am Freitag mit. «Ein Zwischenfall in der Flaschenhals-Einfahrt zum Bahnhof vermag eine ganze Region für mehrere Tage lahmzulegen.»

Wenn man bedenkt, dass die ÖV-Nachfrage bis 2030 laut Schätzungen um 40 Prozent wächst, nimmt die Dringlichkeit zu. Das könne der heutige Bahnhof schlicht nicht leisten, so der Regierungsrat.

Für Luzern und die anderen Zentralschweizer Kantone steht deshalb fest: Der Durchgangsbahnhof gehört zusammen mit dem Zimmerbergtunnel in den nächsten Bahnausbauschritt – «der Kanton Luzern verlangt, dass die Planung des Durchgangsbahnhof unverzüglich aufgenommen wird», schreibt die Regierung.


Das Vorprojekt dafür liegt vor, das Stimmvolk hat einen Kredit von 20 Millionen Franken bereits gesprochen.

Die Umwege und Verspätungen im Luzerner öV, die noch mindestens bis Sonntag andauern, sind nicht nur ärgerlich für Pendler – sie gehen auch ins Geld: «Die Regierung geht von einem hohen volkswirtschaftlichen Schaden aufgrund der Entgleisung aus», schreibt sie. Immerhin läuft der Bahnersatz unter dem unermüdlichen Einsatz von Buschauffeuren reibungslos, sonst sähe es für Wirtschaft und Tourismus zappenduster aus.

Auch die Luzerner CVP-Nationalrätin Andrea Gmür twitterte als Direktbetroffene der Zugsausfälle am Mittwoch:


Und FDP-Ständerat Damian Müller legte nach:


Auch auf linker Seite fordert man jetzt unverzüglich, dass der Durchgangsbahnhof jetzt rasch kommt: «Der Engpass am Bahnhof Luzern muss dringend behoben werden!» Ein unterirdischer Durchgangsbahnhof mit Durchmesserlinie in Luzern würde zusätzliche Gleiskapazitäten in Richtung Zürich und Bern/Basel schaffen.

Die Kundenorganisation Pro Bahn bläst ins gleiche Horn – sie will beim Bund Druck machen für das Anliegen. «Wir erhoffen uns, dass den Verantwortlichen nun klar wird, wie hochsensibel das Nadelöhr am Bahnhof Luzern ist. Pro Bahn wird sich mit allen Mitteln und auf allen Kanälen für das Projekt einsetzen», sagt Karin Blättler, Präsidentin der Zentralschweizer Sektion von Pro Bahn.

Der Durchgangsbahnhof mit einem unterirdischen Bahnhof mit vier Gleisen unter der heutigen Station würde laut Schätzungen 2,4 Milliarden Franken kosten. Tunnels unter dem See ab Ebikon und unter der Neustadt würden den neuen Bahnhof mit dem bestehenden Schienennetz verbinden.

Gegner plädieren für Alternative

Es sind vor allem Kosten, die dem Projekt Kritik einbringen – zu den Gegnern gehört die kantonale SVP-Fraktion. Fraktionschef Guido Müller sagt am Freitag der «Luzerner Zeitung»: «Wenn man sieht, wo der Unfall passiert ist, wäre das Ausmass des Ausfalls auch mit einem Durchgangsbahnhof nicht kleiner.» Er wirft dem Regierungsrat vor, dass er aus dem Unfall Profit schlage.

Denis Kläfiger, Präsident der BDP Luzern, fordert, dass der Kanton über die Bücher geht und einen Plan B präsentiert. «Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich die Luzerner Politik derart auf das mit 2,4 Milliarden astronomisch teure Prestigeobjekt eingeschworen hat und blind und taub für alle Alternativen ist», so Kläfiger.

Auch der Bund warnt, dass der Kanton Luzern alles auf die Karte Durchgangsbahnhof setzt. Denn es gibt durchaus Alternativen zum Tiefbahnhof. Und ebenso wie die Befürworter sehen sich auch die Gegner bestärkt. Sie plädieren für dezentrale Lösungen – also sozusagen eine «Entknotung» des zentralen Bahnhofs.

Die Alternativen zum Durchgangsbahnhof sind:

  • Ein Ausbau des Gleises am Rotsee auf eine Doppelspur inklusive einer neuen Reussbrücke im Gebiet Fluhmühle. Neben kürzeren Tunnelabschnitten beinhaltet sie auch einen partiellen Dreispurausbau im Bereich der heutigen Doppelspur Gütsch-Luzern. Diese Variante wird vom Bund in seinem Sachplan Verkehr gleichwertig neben dem Tiefbahnhof aufgeführt.
  • Das Bahndreieck Luzern Nord: Dieses 2013 lancierte Projekt sieht ebenfalls einen Doppelspurausbau am Rotsee und einen neuen Bahnhof Luzern Nord beim Sedel vor – mit vier Perrons und einem Tunnel zwischen Station Sedel und dem Bahnhof Emmenbrücke. Dazu kämen S-Bahn-Stationen am Kreuzstutz und am Paulusplatz.
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