Luzerner Experte über den Berufswandel

Der digitale Bestatter löst den klassischen Bürohengst ab

Schneidet uns bald ein Roboter die Haare? 

(Bild: Messe Luzern AG)

An der Zentralschweizer Bildungsmesse werden zurzeit zahlreiche Berufe präsentiert. Doch die Digitalisierung könnte manche davon bald unnötig machen. Ein Experte aus Luzern malt keineswegs schwarz, sagt aber, welche Branche am stärksten leiden wird.

Die Spaghetti kann inzwischen bereits jeder im Laden selbst einscannen. In Zug rollt bald der erste selbstfahrende Bus durch die Strassen. Die Post testet Drohnen, um die Pakete zu den Kunden zu bringen. Die Schattenseiten: Der Kassier, die Buschauffeuse und der Briefträger könnten ihren Job an eine Maschine verlieren. 

Solche Szenarien sind längst nicht mehr Zukunftsmusik. Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Manche Studien gehen davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren die Hälfte aller Arbeitsplätze verschwindet. 

Der Arbeitsplatz 4.0 ist auch ein Thema an der Zentralschweizer Bildungsmesse (Zebi), die noch bis am Sonntag bei der Allmend stattfindet (siehe Box). Die Zebi präsentiert 140 verschiedene Berufe – doch welche davon haben wirklich Potenzial, und welche werden das Opfer der Digitalisierung?

zentralplus hat sich mit dem Luzerner Experten Dominique Portmann darüber unterhalten. Der Ingenieur ist stellvertretender Geschäftsführer der Noser Engineering AG Luzern in Root und berät Unternehmen im Umgang mit dem digitalen Wandel. Kurz: Er weiss, wie der digitale Hase läuft. 

Die glücklichen Metzger

Wer die Halle 1 der Zebi betritt, trifft gleich auf mehrere klassische Berufe, die schon unsere Grossväter kannten, die aber zunehmend in Bedrängnis geraten: Metzger, Bäcker, Confiseur. Doch Dominique Portmann sagt: «Diese Berufsleute können sich glücklich schätzen.» Zumindest jene, die richtig gut sind: «Gutes Handwerk wird es immer brauchen.» Zwar könne man Brot in einer Fabrik billig produzieren und entsprechend werde die Massenproduktion noch zulegen. «Aber es gibt immer Menschen, die gute Qualität schätzen.» Er glaubt daher, dass gute Metzger und Bäcker in dieser Nische nach wie vor gebraucht werden.

In die gleiche Richtung geht es gemäss dem Experten in Sachen Detailhandel. Grundlebensmittel wie Milch und Teigwaren würden in 20 Jahren wohl meistens direkt nach Hause geliefert. «Nur für spezielle Produkte gehen die Leute noch in den Laden.»

«Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Was man digitalisieren kann, wird digitalisiert.»

Dominique Portmann, stellvertretender Geschäftsführer Noser Engineering AG Luzern

Ein paar Stände weiter folgt der Schreinermeisterverband. Auch bei diesen traditionellen Berufen ist Portmann zuversichtlich. «Wer ein älteres Haus umbauen will, braucht einen guten Handwerker.» Allerdings dürften auch hier eher weniger Leute gebraucht werden. 

Bis zur Rente dieselbe Tätigkeit – gibt’s nicht mehr

«Viele Jobs werden sich wandeln», sagt Dominique Portmann. Alles, was routinemässig und automatisch gemacht wird, wird verschwinden. «Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Was man digitalisieren kann, wird digitalisiert.»

Das müsse aber nicht schlecht sein. Auch wenn Autos selber fahren, brauche es Leute, die das System kontrollieren und Fehler finden, wenn es ein Problem gibt. Anders als manche Pessimisten glaubt Portmann deshalb nicht, dass besonders die Industriejobs verschwinden. Aber sie verändern sich. «Dass man wie früher einen Beruf lernt und bis zur Rente die gleiche Tätigkeit ausübt, gibt es nicht mehr.» Er verweist auf die Informatikbranche. «Früher gab es Informatiker, doch innert weniger Jahre sind daraus zahlreiche Berufe entstanden.» Entsprechend wichtig sei die Aus- und Weiterbildung, so der gebürtige Berner. 

Dominique Portmann von der Noser Engineering Luzern in seinem – überraschend normalen – Büro in Root.

Dominique Portmann von der Noser Engineering Luzern in seinem – überraschend normalen – Büro in Root.

(Bild: jal)

Ein Beispiel dafür zeigt sich in der Halle 2 an der Zebi, wo sich unter anderem die sozialen Berufe präsentieren. Pflegeroboter, wie sie beispielsweise in Japan bereits existieren, könnten manchen Pfleger überflüssig machen. Diese sieht Portmann indessen eher als Hilfsmittel – zum Beispiel, damit die Angestellten nicht mehr einen Rückenschaden holen, weil sie die Alten heben müssen. Dass aber der Pflegeroboter einen Menschen ersetzt, findet er nicht realistisch. «Damit Pflege wirklich wirkt, braucht es eine Seele.»  

«Den klassischen Bürohengst, der dasselbe macht wie Heerscharen anderer, braucht es nicht mehr.»

Dominique Portmann, Noser Engineering AG Luzern

Gerade im Gesundheitsbereich könne die Digitalisierung aber ein Segen sein, so Portmann. «Heute haben Ärzte oft zu wenig Zeit für ihre Patienten, weil sie sich um administrativen Kram kümmern müssen», sagt der 50-Jährige. Übernimmt dies ein Roboter, bleibt mehr Zeit für die Kernaufgabe. Die Digitalisierung könne auch dazu beitragen, dass ältere Menschen länger zu Hause bleiben können. Weil beispielsweise ein Sensor misst, ob sie sich genügend bewegen oder mit einem Oberschenkelbruch alleine in der Wohnung liegen.

Lohnt sich das KV noch?

Am meisten bedroht seien die Berufe im administrativen Bürobereich, sagt Portmann. Dass Angestellte bei Krankenkassen stapelweise Belege durchgehen oder von Hand Couverts beschriften – das ist laut Portmann bald passé. «Den klassischen Bürohengst, der im selben Raum dasselbe macht wie Heerscharen anderer, braucht es nicht mehr.» Nicht nur, weil es sich finanziell nicht lohnt, sondern auch, weil Maschinen weniger Fehler machen, sagt Portmann. Das direkt auf einen Beruf zu münzen, sei aber schwierig. 

Ist also gerade die beliebteste Lehre im Land – zur Kauffrau bzw. zum Kaufmann – eine Sackgasse? So schwarz würde Portmann nicht malen. «Das KV ist eine sehr breite Ausbildung, auf der sich aufbauen lässt.» Seine eigene Tochter habe soeben das KV abgeschlossen, sagt er lachend.

Lohnt sich eine KV-Lehre noch? Ja, sagt Experte Dominique Portmann.

Lohnt sich eine KV-Lehre noch? Ja, sagt Experte Dominique Portmann.

(Bild: Messe Luzern AG)

«Gefährdet sind Jobs, bei denen man nicht denken und nicht kreativ sein muss. Roboter können aber auch gefährliche oder gesundheitsschädigende Tätigkeiten übernehmen.» Daraus zu folgern, dass vor allem Jobs mit niedrigen Anforderungen verschwinden, wäre laut Portmann aber falsch. Solche Stellen gebe es weiterhin. Als Beispiel nennt er Leute, welche die Leihvelos in den Städten umplatzieren.

Digitalisierung an der Zebi in Luzern

Noch bis morgen Sonntag findet in Luzern die Zentralschweizer Bildungsmesse Zebi statt. Am Samstag diskutieren mehrere Experten, darunter Dominique Portmann von Noser Engineering Luzern, über den Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitswelt und die Bildung. Der Networking-Anlass startet um 11.11 Uhr und findet bei der Messe Luzern statt.

Der Bundesrat hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, die diesen Trend bestätigt. So haben in den letzten 20 Jahren jene Berufe zugelegt, für die es eine gute Qualifizierung braucht, während jene mit einem mittleren Anforderungsniveau prozentual zurückgingen. Jobs ohne grosse Anforderungen sind hingegen stabil geblieben. Insgesamt erwartet der Bund, dass der technologische Wandel mehr Jobs schafft als vernichtet. 

Influencer und digitale Bestatter

Auch Dominique Portmann ist überzeugt, dass neue Berufsbilder entstehen und die Digitalisierung Chancen bietet. Da hat er, mit Verweis auf entsprechende Studien, einige Beispiele auf Lager. Den digitalen Bestatter beispielsweise, der sich um das Online-Erbe kümmert: die Profile auf allen sozialen Medien, das Bitcoin-Konto und das Netflix-Abo. Tatsächlich gibt es bereits Anbieter, die sich nach dem Tod um die digitalen Zombies kümmern. Ein anderes Beispiel ist der Roboterberater, der vermögenden Leuten oder Unternehmen helfen soll, die richtige Maschine auszusuchen. 

Weitere Beispiele sind laut Portmann die Influencer; Menschen, die mit Werbung auf sozialen Kanälen Geld verdienen. «Heute belächeln manche solche Jobprofile, aber mit der Digitalisierung eröffnen sich viele neue Möglichkeiten.»

Es sind Berufe, die an der Zentralschweizer Bildungsmesse noch an keinem Stand präsentiert werden. Doch wenn er jungen Leuten einen Tipp für die Berufswahl geben könnte, würde er nicht eine Ausbildung empfehlen oder davon abraten. Sondern sagen: «Geh nicht zu einem Grossbetrieb, sondern zu einer jungen Firma. Viele kleine Unternehmen sind flinker unterwegs als die grossen Moloche.» 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von David L
    David L, 11.11.2017, 16:44 Uhr

    Ich kann mir ja nicht vorstellen, dass es jemandem Spass macht Stunden am Stück monotone Tätigkeiten wie das Kassieren im Supermarkt oder das Fahren eines Linienbusses auszuführen. Insofern werden wohl die wenigsten diesen Jobs ernsthaft nachtrauern.
    Die Frage ist halt, was man stattdessen mit den Leuten anstellt. Nach meiner alltäglichen Erfahrung sind heutzutage schon sehr viele Menschen ins Jobs beschäftigt welche sie geistig offenkundig überfordern (auch wenn es eigentlich nicht sonderlich anspruchsvolle Tätigkeiten sind). Wie will man es bewerkstelligen, dass die kommenden Generationen den steigenden Anforderungen gewachsen sein werden wenn die heutigen Generationen schon den tieferen Anforderungen nicht gewachsen sind?

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