Der Zuger Andreas Zimmerman über Beruf und Tod

Der Bestatter, der lieber Dokumentationen als Krimis schaut

Bestatter Andreas Zimmermann und die Särge, die er zur Auswahl hat.

(Bild: woz)

An Allerheiligen gedenken wir der Toten. Gäbe es keine Bestatter, könnten Verstorbene nicht begraben oder kremiert werden. Wie arbeiten und fühlen Bestatter? Der Zuger Andreas Zimmermann gibt Einblicke in seinen Alltag.

Es ist ein lauschiges Wohnviertel am Zugerhang. Der russische Milliardär Viktor Vexelberg wohnt gleich gegenüber. Hinge kein entsprechendes Schild an dem unscheinbaren, kleinen Gebäude, das geduckt am Hang unterhalb der Strasse liegt, würde es einem kaum auffallen, dass hier eines der drei Bestattungsinstitute im Kanton Zug seinen Sitz hat.

Irgendwie ist einem doch etwas mulmig vor dem Besuch des Bestattungsinstituts. Wahrscheinlich riecht es hier nach Verwesung und Leichen.

Doch als Bestatter Andreas Zimmermann in adretter Krawatte und gedecktem Hemd einen freundlich an der Tür empfängt und ins helle Büro führt, ist man zunächst einmal angenehm überrascht.

«Nein, nein, um die Verstorbenen kümmern wir uns hier nicht – das ginge gar nicht, weil wir uns hier ja in einem Wohngebiet befinden, und die Schule gleich nebenan ist», sagt der 49-Jährige. Der Ort, an dem er sich um die Toten kümmert, sie wäscht, ankleidet und im Sarg aufbahrt, wenn dies gewünscht wird, ist in einem Raum in der Friedhofshalle.

Geschmackvolle Urnen zur Auswahl

Auch die verschiedenen Urnen, die für die Aufbewahrung der Asche der Kremierten in einem Regal zur Auswahl ausgestellt sind, wirken nicht, als ob sie etwas mit dem Schrecken des Todes zu tun hätten. Es sieht auf den ersten Blick wie in einer geschmackvollen Gärtnerei mit Designer-Vasen aus. Einige teure Urnen ähneln Kugeln, Herzen und Vogelkästen. Sie sind aus hellem Föhrenholz geschnitzt und kosten rund 500 Franken.

«Zumeist wählen die Angehörigen von Verstorbenen aber eher solche einfacheren Urnen aus Metall», sagt Zimmermann und holt ein kupfernes Gefäss mit Verzierung vom Regal. Für diese Urne zahlt man 100 Franken.

«Das ist ein Ladenhüter, weil die Leute im Prinzip keine schwarzen Särge wünschen.»

Andreas Zimmermann, Bestatter in Zug

Auch die verschiedenen Särge, die Andreas Zimmermann im Angebot hat, sind im Untergeschoss in einem hellen Raum ausgestellt. Nur ein schwarzer Sarg mit einer Rosen-Bordüre ist darunter. «Das ist ein Ladenhüter», gibt er zu, «weil die Leute im Prinzip keine schwarzen Särge wünschen.»

Teuerster Sarg mit Intarsien kostet 2500 Franken

In der Tat sind die übrigen alle aus hellem Holz gezimmert. Die einfacheren aus Tannenholz. Sie kosten rund 850 Franken. Einer ist von Edelweissen gesäumt.

Der teuerste Sarg – mit kostbaren Intarsien als Verzierung.

Der teuerste Sarg – mit kostbaren Intarsien als Verzierung.

(Bild: woz)

Der teuerste, den er am Lager hat, ist aus Lindenholz gefertigt und hat einen Preis von 2500 Franken – den Sargdeckel zieren kunstvolle Intarsien. «Die meisten Leute entscheiden sich eher für einen günstigen Sarg.» Er hat auch einen weissgrauen Sarg mit einer aufgemalten, grossen roten Rose drauf: «Der wird sehr selten genommen.»

«Die Schweizer waren früher arm, darum haben sie die Särge so gezimmert, dass sie an den Füssen schmaler sind.»

Andreas Zimmermann

Was auffällt: Einige Särge sind tailliert, einige gemäss der Körperform elegant geschnitten, sprich: am breitesten im Schulterbereich. Und einige sehen einfach aus wie eine grosse Truhe. «Die Schweizer waren früher arm, darum haben sie die Särge so gezimmert, dass sie an den Füssen schmaler sind», erklärt Zimmermann. Die Italiener würden andererseits eben auch im Tod am meisten auf die Ästhetik achten. Bei den Deutschen seien eher gleichförmige Särge üblich.

Sarg mit aufgemalter Rose.

Sarg mit aufgemalter Rose.

(Bild: woz)

Wobei Zimmermann relativiert, dass die Urne für die Angehörigen im Grunde wichtiger sei als der Sarg – weil dieser ja zumeist verbrannt wird. «90 Prozent der Bestattungen sind Kremationen.» 

Der Trend bei Bestattungen sei heute, dass man diese total individuell gestalten wolle, beschreibt Zimmermann. Um rund 300 Verstorbene pro Jahr kümmern sich er und seine Frau Silvia sowie weitere fünf Angestellte. «Die Leute wollen sich einfach nicht mehr so bevormunden lassen», sagt Zimmermann.

Nur noch die Hälfte der Angehörigen lässt die Toten aufbahren

Das heisst, einige Angehörige würden die Asche ihrer Verstorbenen mit nach Hause nehmen oder in der Natur verstreuen. «Andererseits lassen nur noch etwa die Hälfte der Trauernden die Toten in der Leichenhalle aufbahren.» Auch nur noch die Hälfte der Betroffenen würde eine Todesanzeige in der Zeitung schalten. «Was ich wiederum verstehen kann – das kostet ja über 1000 Franken.»

Die Kosten, die im Schnitt in seinem Institut für eine Bestattung anfallen, würden sich pro Verstorbenen auf rund 1700 Franken belaufen. Ist der Beruf des Bestatters also ein einträgliches Geschäft?

«Die Leute mögen es gar nicht, wenn schwarze Leichenwagen vor dem Haus vorfahren.»

Andreas Zimmermann

«Wenn ich daran denke, wieviel Stunden wir arbeiten müssen, wie viele Präsenz- und Pique-Dienste wir leisten müssen, und wie viel wir an laufenden Kosten wie Miete haben, ist der Verdienst nicht so hoch», sagt Zimmermann. Ausserdem habe er zwei Bestattungstransporter angeschafft. Interessant: Einer davon ist silbern, der andere braun. «Die Leute mögen es nämlich gar nicht, wenn schwarze Leichenwagen vor dem Haus vorfahren.»

Die Urnen für die Asche der Verstorbenen nach der Kremation. Andreas Zimmermann: «Sie sind in der Regel wichtiger für die Angehörigen als die Särge, weil sie bleibenden Charakter haben.»

Die Urnen für die Asche der Verstorbenen nach der Kremation. Andreas Zimmermann: «Sie sind in der Regel wichtiger für die Angehörigen als die Särge, weil sie bleibenden Charakter haben.»

(Bild: woz)

Was irgendwie eigenartig wirkt: Zählt doch gerade die Farbe schwarz zu den am häufigsten gewählten Autofarben in der Schweiz. Unter den Lebenden allerdings.

Warum wird man eigentlich Bestatter?

Bleibt die Frage, warum jemand überhaupt den Beruf des Bestatters wählt – der sicher nicht zu jenen Berufen gehört, von denen Jugendliche träumen?

«Mein Vater war schon Leichenwagenführer, und ich habe ihm  immer geholfen, wo ich konnte», sagt der gebürtige Zuger, der sein Bestattungsinstitut nun seit 1993 führt. Wenn man vom Lande komme, sei man es sich eben gewöhnt, einander zu helfen.

«Anderen helfen zu können, jemandem in einer schwierigen Sitaution beizustehen, wenn Angehörige gestorben sind – das ist für mich und für meine Frau denn auch die grösste Befriedigung, die es in unserem Beruf gibt», schildert Zimmermann seine Gefühle als Bestatter. Manche Leute, die zu ihnen kämen, seien sehr gefasst. Andere würden die traurige Angelegenheit gerne sehr «zack, zack»  über die Bühne bringen.

«Wenn einer in der Runde flapsig dahersagt: Der kommt dich mal holen, dann habe ich das gar nicht gern.»

Andreas Zimmermann

Schlecht geschlafen habe er noch nie wegen des ständigen Umgangs mit Toten. Erstens gehe er gerne zum Holzen in den Wald – wo er sehr gut abschalten könne. «Zum anderen gilt bei uns die Devise, dass wir die Arbeit nicht nach Hause mitnehmen.»

Er sieht sich nicht gerne Krimis an

Andreas Zimmermann hat deshalb nicht gerne Krimis im Fernsehen. «Man könnte meinen, es gibt nur noch Krimis im Programm. Und von der Bestatter-Serie haben wir uns auch nur eine Folge angeschaut.» Er sieht sich viel lieber Dokumentationen an.

Dass man als Bestatter auch heutzutage noch krumm in der Öffentlichkeit angeschaut wird, erlebt Zimmermann manchmal im Ausgang. «Wenn einer in der Runde flapsig dahersagt: Der kommt dich mal holen, dann habe ich das gar nicht gern.»

Die vorrätigen Särge.

Die vorrätigen Särge.

(Bild: woz)

Und doch ist für ihn seine Arbeit gelegentlich belastend. Nicht so sehr, wenn er sich um Tote kümmern muss, die schon seit Tagen unentdeckt in ihrer Wohnung liegen, «und schon voller Kleintiere sind.» Wobei er in solchen Fällen nicht einmal eine Maske anlege.

Schwierig wirds, wenn Kollegen und Bekannte sterben

Nein, an ihre emotionalen Grenzen stossen Andreas Zimmermann und seine Frau Silvia, die drei erwachsenen Kinder haben, eher, wenn sie sich um Verstorbene kümmern, die sie gekannt haben. «Wie neulich, als wir zwei Kollegen verloren haben, die beide Krebs hatten und kurz hintereinander gestorben sind.» Schwierig seien auch so manche «AGT», aussergewöhnliche Todesfälle: Unfälle, Suizide. Und natürlich, wenn Kinder sterben. «Das passiert gottseidank sehr selten.»

Allerdings empfindet Zimmermann den Tod oft auch als Erlösung für die Verstorbenen. «Wenn man weiss, wie lange manche Personen monate- und jahrelang krank waren und furchtbare Schmerzen erlitten haben. Und wie sie am Ende statt 90 nur noch 45 Kilo gewogen und mit einem wunden Rücken im Bett gelegen haben.» Er ist deshalb ein Befürworter von «Exit»: «Der Mensch sollte auch im Tod selbstbestimmt sein.»

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