Macher im Verein brauchen einen Leitfaden

Dem FC Luzern fehlt eine eigene DNA

Bei der offiziellen Verabschiedung in der Swissporarena vor dem 3:0 im letzten Heimspiel gegen den FC Zürich fällt Claudio Lustenberger seinem FCL-Präsidenten Philipp Studhalter um den Hals.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Ein happiger Mehraufwand bei schwindenden Einnahmen: Eine Analyse der abgelaufenen FCL-Saison muss ein «Lehrblätz» sein und zu einem Umdenken auf Führungsebene des Vereins führen. Der FC Luzern benötigt dringend ein Profil. Erst recht ein attraktives. Schlagwort hierbei ist die Identifikation.

Die wichtigste Währung, die ein Millionen-Unternehmen im professionellen Mannschaftssport besitzt, bricht den Luzernern gerade weg: Es ist das Publikumsinteresse, über das die Preise für Werbeträger im Stadion und für Sponsoren beim Auftritt des Klubs gegen aussen definiert werden. Erstmals seit der Eröffnung der Swissporarena 2011 liegt der durchschnittliche Zuschauerzuspruch nicht mehr im fünfstelligen Bereich. Es sind noch genau 9’364 Besucher – fast ein Fünftel weniger als vor vier Jahren (zentralplus berichtete).

Bei einer Umfrage unter den zentralplus-Lesern, warum der FCL immer mehr Zuschauer verliere, kam heraus: 38 Prozent sind der Ansicht, dass die Luzerner zu wenig attraktiv und erfolgreich spielen. Weiteren 33 Prozent sind die Eintrittspreise zu hoch. Schonungslos übersetzt heisst das: Das Produkt FCL ist in der aktuellen Konstitution sein Geld nicht mehr wert.

Millionen von Franken verbrannt

Auf der Ebene der FCL-Investoren müssen die Alarmglocken schrillen: Was läuft da falsch? Wo den Hebel ansetzen? Welches Personal auf operativer Ebene ersetzen?

Einen Schritt zurücktreten hilft nicht selten, um das grosse Ganze besser beobachten und begreifen zu können. Der Aktionismus der vergangenen Jahre hat bloss Millionen von Franken verbrannt und zum Teil für ungläubiges Staunen im Umfeld gesorgt, aber den Klub nicht einen wahrnehmbaren Schritt weitergebracht.

Was also tun? Ein Blick auf die aktuelle Tabelle mag einen nützlichen Hinweis bergen: Hinter den Liga-Titanen YB und Basel, dem Meister und dem Cupsieger, sind sechs Klubs innerhalb von drei Punkten klassiert, die in 36 Spielen zwischen 43 und 46 Punkten eingefahren haben. Und der beste dieser Gruppe (Lugano) wird nun mit Millionen von Franken für die Teilnahme an der Gruppenphase der Europa League überschüttet (zentralplus berichtete).

Bei der Drei-Punkte-Regel pro Sieg darf die Ausbeute dieses Sextetts als bescheiden bezeichnet werden. Das bedeutet aber auch: Hinter YB und Basel hat es genügend Platz für einen Verein, der es schafft, das Optimum aus seinen Ressourcen zu holen.

Meyers absehbarer Fehlgriff mit Weiler

Auf den FCL übertragen heisst das: Es greift zu kurz, wenn man jetzt einfach den Sportchef austauscht. Klar, Remo Meyer hat nicht unbedingt Kompetenz bewiesen, als er René Weiler vor Saisonbeginn mit einem Dreijahresvertrag zum neuen FCL-Trainer machte und ihn ein halbes Jahr später wieder entliess. Wie Weiler funktioniert, hätte Meyer in seiner Position zwingend wissen müssen. Die Fehlinvestition kostete den notorisch klammen FCL unnötigerweise über eine Million Franken (zentralplus berichtete).

FCL-Sportchef Remo Meyer (rechts) lässt sich Anfang April die Meinung von Sions Alleinherrscher Christian Constantin zu Gemüte führen.

FCL-Sportchef Remo Meyer (rechts) lässt sich Anfang April die Meinung von Sions Alleinherrscher Christian Constantin zu Gemüte führen.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Und man muss dazu auch wissen: Selbst sein Nachfolger Thomas Häberli hat trotz fulminantem Start in seinen ersten Job als Cheftrainer bislang nicht den Nachweis erbringen können, dass er die Mannschaft fussballerisch weiterentwickeln kann. Aber er ist finanziell erschwinglich, und die Offizialisierung der längst beschlossenen Weiterführung der Zusammenarbeit ist für Montagmorgen zu erwarten. Mehr als ein Vertrag über eine weitere Saison plus Option erscheint aber in jedem Fall als unvernünftig.

Die FCL-Leistungen folgen dem Prinzip der Zufälligkeit

Entscheidend ist: Der FCL braucht eine klare Strategie, eine klare Identifikation in der Zentralschweizer Region. Die grosse Frage ist: Wofür steht der FCL eigentlich? Was ist seine DNA? Und wie setzt man sie von A bis Z durch?

Die Investoren müssen der operativen Ebene ein klares Leitbild mitgeben, das anders lauten sollte als die «FCL-Vision 2021». Die Definition über Titelgewinne verleitet geradezu zu unsinnigen Hauruck-Aktionen auf und neben dem Spielfeld. Selbst wenn der FCL nahe am Cupfinal-Einzug stand, so lässt sich zwischen dem grandiosen Viertelfinal-Auftritt gegen Meister YB (4:0) und dem schmerzhaften 0:1 im Halbfinal vor eigenem Publikum gegen Thun festhalten: Die Leistungen der Luzerner folgen in aller Regel dem Prinzip der Zufälligkeit. Auch in der Meisterschaft.

Der FCL braucht mehr FCL für die Zukunft. Das heisst: Identifikation mit der sportbegeisterten Klientel lässt sich nur über Fussballer herstellen, die im FCL ausgebildet werden und ihre Karriere über die erste Mannschaft lancieren.

Der FCL braucht die ehemaligen Identifikationsfiguren auf dem Platz später als Botschafter in der Öffentlichkeit. Mit Claudio Lustenberger ist ein zaghafter Schritt in die richtige Richtung gemacht worden (zentralplus berichtete). Es braucht die Kämpen von einst als vertrauenswürdige FCL-Macher der Zukunft.

Thomas Häberli ist der Nachfolger von René Weiler als FCL-Trainer: Der Schritt in eine bessere Zukunft für das Zentralschweizer Millionen-Unternehmen ist noch nicht erkennbar.

Thomas Häberli ist der Nachfolger von René Weiler als FCL-Trainer: Der Schritt in eine bessere Zukunft für das Zentralschweizer Millionen-Unternehmen ist noch nicht erkennbar.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Vor allem als kompetente Ausbildner des FCL-Nachwuchses bis hinauf zum Trainer des Fanionteams. Oder als Sportchef. Diese vermitteln glaubhaft, den FCL zu atmen, zu essen, zu trinken, zu riechen, zu verkörpern, zu leben und als eigenständige Marke in die Welt hinauszutragen.

Wer führt und wer verkauft den FCL nach aussen?

Darum: Es ist für die Führungsetage zweifellos eine anspruchsvolle und langwierige Aufgabe, den FC Luzern wieder auf Kurs zu bringen. Mit ihrer Zeit, ihrem Geld und ihrer Verantwortung. Aber sie haben wohl kaum eine andere Chance auf Erfolg und eine schwarze Null. Weitsicht, Durchsetzungsvermögen und finanzielle Gelassenheit sind gefordert.

Der FCL wird sich bei der Frage nach der Identifikation überlegen müssen: Sind wir in der Führung, also auf der Ebene der Investoren, für eine Kursänderung richtig aufgestellt? Wer übernimmt wirklich Verantwortung? Wer hat wirklich die Fähigkeit, die Zügel auf operativer Ebene in der Hand zu halten?

Und nicht zuletzt: Wer ist der geeignete Mann dafür, um den FCL in der Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit so zu positionieren und darzustellen, als sei der Verein tatsächlich im 21. Jahrhundert angekommen?

Ausreden vermeiden

Es ist ein Unding beim FCL, sich bei jeder gescheiterten Personalfrage dahinter zu verstecken, dass man mit unterschiedlichen finanziellen Spiessen kämpfe. Es steht ausser Frage, dass der FCL auf dem Planeten Fussball eine Adresse ist, die man mit dem Zoom von Google Maps suchen muss.

Aber damit lässt sich nicht erklären, warum sich der FCL ausser Stande sieht, sich ein eigenes Profil zuzulegen. Es wäre für frühere FCL-Spieler nach abgeschlossener Vermögensbildung ein Argument, dem Stammklub in eine (noch) bessere Zukunft zu verhelfen. Doch Fabian Lustenberger und Pirmin Schwegler zogen eine andere Fussball-Pension vor (zentralplus berichtete).

Es tut auf oberster Führungsstufe des FCL dringend Not, den Begriff «Identifikation» fehlerfrei buchstabieren zu lernen. Und diese Fähigkeit erst noch top down durchsetzen zu können.

Überfordert von der Aufgabe

In diesem Kontext ist es wohl eine glückliche Fügung, dass der FCL am Samstagabend in Bern den Einzug in die Gruppenphase der Europa League verpasst hat. Weil es trotz Millionensegen eine Aufgabe gewesen wäre, die den Klub von der absoluten Führung bis hinunter zur Waschfrau überfordert hätte. Es wäre wohl Augenwischerei gewesen, die den FC Luzern mit der Dreifachbelastung schnell ins Elend gestürzt hätte. Weil sie, wenn sie in der Spitze zueinander ehrlich sind, für diese Aufgabe nicht breit genug aufgestellt sind.

Jetzt hat der Klub die Chance, ein Umdenken zu initiieren.

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