Energiepolitik der Stadt Luzern

Dem Energiefonds fehlt jährlich eine Million

Bis 2020 will die Stadt Luzern den Energieverbrauch pro Einwohner um 15 Prozent reduzieren. Noch fehlt dazu das Geld im Energiefonds. (Bild: zentral+)

Gemäss der Energie- und Klimastrategie der Stadt Luzern soll der Energieverbrauch pro Einwohner bis 2020 um 15 Prozent reduziert werden. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, fehlt im städischen Energiefonds jedoch viel Geld. Ob das Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist, entscheidet letztlich das Stadtparlament. 

Im November 2011 hat sich die Stimmbevölkerung der Stadt Luzern für eine Neuausrichtung der Energiepolitik entschieden. Das neue «Energiereglement» wurde mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 68 Prozent angenommen und verfolgt drei Ziele: den Ausstieg aus der Atomenergie bis 2045, die Reduktion des jährlichen CO2-Ausstosses auf eine Tonne pro Person bis 2050 und nicht zuletzt die Erreichung einer «2000-Watt-Gesellschaft» bis 2080. Eine ähnliche Strategie wird auch im Energiekonzept des Kantons Luzern verfolgt (siehe Box).

Angesichts der weltweiten Verknappung fossiler Energiequellen und dem Klimawandel entwarfen Forscher der ETH Zürich das Modell einer 2000-Watt-Gesellschaft, mit welchem eine gerechte wie auch nachhaltige Nutzung von Ressourcen realisierbar sein soll. 2’000 Watt entsprechen dem weltweiten Durchschnitt des Energieverbrauchs pro Kopf. Jährlich ist das ein Verbrauch von 17’500 Kilowattstunden und rund 1’750 Liter Heizöl pro Kopf der Bevölkerung.

Energieverbrauch noch zu hoch

In Luzern wird derzeit noch zweieinhalb Mal mehr verbraucht, also rund 5’000 Watt pro Person. Damit ist man noch weit vom energiepolitischen Ziel entfernt. Rund 80 Prozent der in der Stadt Luzern eingesetzten Energie stammt aus nicht erneuerbaren Quellen wie Erdöl, Erdgas oder Uran. Auch der CO2-Ausstoss pro Person ist derzeit noch sechsmal höher als der bis zum Jahr 2050 gewünschte Wert. Besonders viel fossile Energie wird zum Heizen und für die Mobilität verbraucht (siehe Grafik). Deshalb liegt in diesen Bereichen ein besonders hohes Sparpotential vor.

Als Zwischenziel will die Stadt den Energieverbrauch pro Einwohner innerhalb der nächsten fünf Jahre um 15 Prozent auf 4’250 Watt reduzieren. «Bauherrschaften von Neubauten setzen mittlerweile kaum mehr auf Heizungen mit Erdöl oder Erdgas», sagt Peter Schmidli von der Dienstabteilung für Umweltschutz der Stadt Luzern. Dies sei auch auf die Strategie der Stadt zurückzuführen, erneuerbare Energien zu fördern. So subventioniert man beispielsweise thermische Solar- und Photovoltaikanlagen.

(Quelle: FLUX Winter 2014/Dienstabteilung Umweltschutz Stadt Luzern)

1,5 Millionen jährlich benötigt

Politisches Bekenntnis des Kantons

Auch der Kanton Luzern verfolgt in seiner Energiestrategie das Ziel einer 2'000-Watt-Gesellschaft (zentral+ berichtete). Allerdings ist die Realisierung dieser Vision erst im Zeitraum zwischen 2050 und 2080 vorgesehen und somit nur vage definiert. «Das liegt daran, dass sich der Kanton erst politisch zur 2'000-Watt-Gesellschaft bekannt hat», erklärt Beat Marty, Leiter der Energiefachstelle des Kantons. «Ein rechtlicher Rahmen liegt diesbezüglich noch nicht vor.» Dieser sei 2013 mit der Revision des Energiegesetzes gescheitert. Ein neuer Anlauf ist mit der nächsten Revision von 2016 vorgesehen.

Seit Anfang 2009 ist im Kanton Luzern jedoch eine revidierte Energieverordnung mit verschärften Anforderungen in Kraft. Die strengeren Vorschriften betreffen vor allem den Wärmeschutz von Gebäuden. «Die Gebäudevorschriften sind das Hauptanliegen des Kantons», sagt Marty und betont, dass rund 40 Prozent des Energiebedarfes davon abhängig sind. «Auch dies ist als Bekenntnis zur 2'000-Watt-Gesellschaft zu verstehen.»

Finanziert werden solche Massnahmen aus dem städtischen Energiefonds. Aus eben diesem Fonds stammen auch die finanziellen Mittel, um den Aktionsplan «Luft, Energie, Klima» von 2008 umzusetzen. Derzeit ist man dabei, einen neuen Massnahmenkatalog auszuarbeiten, der voraussichtlich noch dieses Jahr vor den Stadtrat kommt. «Der neue Aktionsplan enthält rund 20 Massnahmen, die bis 2020 realisiert werden sollen», erklärt Schmidli. Welche konkreten Massnahmen dabei ins Auge gefasst werden, kann er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht sagen.

Ersten Berechnungen zufolge sei jedoch bereits klar, dass die Mittel des städtischen Energiefonds zu deren Umsetzung nicht genügen würden. «Es bräuchte rund 1,5 Millionen Franken jährlich», meint Schmidli. Aktuell fliesst jährlich lediglich eine halbe Million Franken in den Fonds. «Ob und inwieweit der neue Aktionsplan umgesetzt werden kann, ist letztlich von den zur Verfügung gestellten Finanzmitteln abhängig.»

Neue Ausgaben kaum realistisch

Zumindest optimistisch stimmt, dass die Rechnung 2014 um 8,5 Millionen Franken besser als budgetiert abschliesst. Dies bei einem Aufwand von 738 Millionen Franken. Der Stadtrat will davon 6 Millionen der Steuerausgleichsreserve und eine Million dem Energiefonds zuweisen (zentral+ berichtete). Doch letztlich liegt die Budgethoheit beim Stadtparlament, womit es offen bleibt, ob der Energiefonds tatsächlich aufgestockt wird.

Was sagt der zuständige Stadtrat Adrian Borgula dazu? Versenken die akuten Finanzprobleme der Stadt die vom Volk abgesegnete Klimastrategie? Borgula äussert sich dazu nicht konkret. Man werde im Rahmen des neusten Sparpaketes darüber diskutieren müssen. «Definitive Entscheide über das weitere Vorgehen sind noch nicht gefallen.» Doch es dürfte hart werden. Denn der Stadtrat sieht sich aufgrund der schlechten Lage gezwungen, auf nächstes Jahr ein 11-Millionen-Sparpaket zu schnüren. Wie er das anstellen will, steht noch in den Sternen. Neue Ausgaben bewilligt zu bekommen, scheint jedoch kaum realistisch.

Vieles im Gange

Einige Projekte konnten jedoch auch schon erfolgreich umgesetzt werden. Seit 2013 ist das Standard-Stromprodukt von ewl beispielsweise zertifizierter Naturstrom. «Man musste als Kunde von sich aus aktiv werden, um Strom aus nicht-erneuerbaren Energiequellen zu erhalten», so Schmidli. «Das haben nur wenige gemacht.» Auch seitens der Stadtverwaltung und den Verkehrsbetrieben Luzern (VBL) bezieht man seither nur noch Strom, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern stammt.

Seit dieser Änderung beziehen auch gut 75 Prozent der Luzerner Privatkunden Naturstrom, wie es bei ewl auf Anfrage heisst. Geht man von einem Verbrauch von 4’500 Kilowattstunden pro Jahr aus, was dem durchschnittlichen Verbrauch einer vierköpfigen Familie entspricht, dann kostet der Bezug von Naturstrom im Monat 4,05 Franken mehr als Graustrom. Bei ewl werden auch weitere Stromprodukte angeboten. «Da es sich hier um hochwertige und entsprechend teurere Stromprodukte handelt, ist auch der Absatz tiefer», sagt Nicole Reisinger von ewl. «Trotzdem ist es erfreulich, dass rund 1’000 Kunden ihren gesamten Strombedarf mit Luzerner Wasserstrom und weitere 1’000 Kunden ihren Strombedarf ganz oder teilweise mit Luzerner Solarstrom decken.»

Baubeginn der ersten 2’000-Watt-Siedlung

Ein weiterer Beitrag zur Umsetzung des Ziels ist die Wärmezentrale auf dem Littauer Boden, die ihren Betrieb 2018 aufnehmen soll. Durch Biomasse und die Abwärme von SwissSteel soll künftig nicht nur das Kantonsspital und das Emmen Center beliefert werden, was vorher durch die KVA Ibach erfolgte. Es sollen auch weitere Gebiete in Luzern Nord angeschlossen werden.

Auch das 2013 vom Volk bewilligte städtische Darlehen über 70 Millionen Franken für das neue Fernwärmenetz Rontal von ewl sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Schmidli. Damit versucht man die Energiestrategie des Kantons Luzern zu unterstützen. Durch die Nutzung der Wärme der neuen KVA in Perlen wird ab Herbst 2015 in Root und 2016 in Buchrain und Ebikon eine gesicherte Wärmeversorgung ohne zusätzliche Umweltbelastung möglich.

Gegen Mitte des Jahres erfolgt der Baubeginn der «Grossmatte West» im Ortsteil Littau, wo die erste 2’000-Watt-Siedlung auf dem Boden der Stadt entstehen soll. Auf drei Hektaren sollen 450 energieeffiziente Wohnungen entstehen. Um das entsprechende Label zu erhalten, müssen bezüglich der Bautechnik, dem Betrieb des Gebäudes, wie etwa das Energiemanagement und die Entsorgungssysteme, aber auch im Bereich Mobilität spezielle Massnahmen ergriffen werden (zentral+ berichtete).

«Innert kürzester Zeit kann viel passieren, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.»
Georg Klingler, Greenpeace Schweiz 

Im Allgemeinen lasse sich ein Trend weg von der fossilen Energie ausmachen, meint Schmidli. Die Frage ist jedoch, ob dieser Trend schnell genug geht, damit die Stadt Luzern ihre ehrgeizigen Ziele innerhalb der gesetzten Frist erreichen kann. «Klar ist, dass es sich dabei um ein Mehrgenerationen-Projekt handelt», hält Schmidli fest. «Wir stehen noch am Anfang auf diesem Weg.»

Noch viel zu tun

Die Stadt Luzern ist in das Programm von «Energie Schweiz» eingebunden und bereits Trägerin des Labels «Energiestadt Gold», das vom Bundesamt für Energie (BFE) unterstützt wird. «Das Ziel der 2’000-Watt-Gesellschaft ist hoch gesteckt», sagt Programmleiter Kurt Egger. Dennoch zweifelt man seitens der Stadt Luzern nicht an der Erreichbarkeit dieses Ziels. «Klar ist, dass es noch viel zu tun gibt», so Schmidli. Zumindest aus Sicht der technologischen Entwicklung sei man jedoch auf einem sehr guten Weg.

Aus dieser Perspektive zeigt man sich auch seitens Greenpeace Schweiz optimistisch. «Innert kürzester Zeit kann viel passieren, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen», erklärt Georg Klingler. «Das Ziel muss aber von allen städtischen Behörden voll mitgetragen werden.»

«Mit Freiwilligkeit alleine wird es schwierig.»

Leben mit 2’000 Watt – was heisst das?

Seitens der Stadt Luzern betont man insbesondere, wie massgebend Eigeninitiative und individuelles Verhalten in diesem Prozess seien. Doch was bedeutet es letztlich, in einer 2’000-Watt-Gesellschaft zu leben? «Die Welt wird näher zusammenrücken», erklärt Klingler von Greenpeace Schweiz. «In nachhaltigen Quartieren werden Wohnen, Arbeiten und Freizeit wieder nebeneinander möglich. Der Auto-Verkehr hat dann deutlich weniger Platz.» Der Gestaltungsraum für die Bewohner, insbesondere die Kinder, werde dafür wieder grösser.

2’000 Watt heisse aber auch, dass man sich der Grenzen bewusst wird: «Das Wachstum der Wohnfläche pro Kopf kann nicht einfach ungebremst weiter gehen», erklärt Klingler. Die Stadt könne für den eigenen oder den subventionierten Wohnungsbau Regeln definieren. So etwa, dass 4-Zimmer-Wohnungen eine gewisse Grösse nicht übersteigen und von mindestens zwei Menschen bewohnt werden sollten. Letztlich laufe alles darauf hinaus, dass die 2’000-Watt-Gesellschaft zu einem Gemeinschaftsprojekt werde, bei dem eher geteilt als besitzt wird. Dafür müsse die Stadt Erlebnisräume schaffen und Regeln definieren, die für alle gelten. Mit Freiwilligkeit alleine werde es schwierig.

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