• Startseite
  • Müssen in Luzern die Poststellen erhalten werden?

  • Dialog
Derzeit ist die Poststelle im Bruchquartier noch geöffnet, obwohl sie immer weniger Kunden zählt. (Bild: giw)

Müssen in Luzern die Poststellen erhalten werden?

Die Post baut bis 2020 in der Stadt Luzern ab: In Schönbühl wird die Filiale ganz geschlossen und durch einen Hausservice ersetzt. Von heute neun Postfilialen in der Stadt Luzern werden jene im Würzenbach, Untergrund/Bruch und Reussbühl künftig von Partnern betrieben (zentralplus berichtete). Diese Partnerfilialen bieten weniger Dienstleistungen, dafür haben sie länger geöffnet.

Gegen die Pläne regt sich politischer Widerstand. Einerseits hat die SP eine Petition gegen die Schliessungen lanciert, andererseits haben Fraktionen von links bis rechts ein dringliches Postulat eingereicht (zentralplus berichtete). Auch in Bern ist ein Vorstoss hängig, der den Bundesrat beauftragt, die Messbarkeitskriterien für die Post-Erreichbarkeit neu festzulegen.

Auch im redaktionsinternen Pro/Contra gehen die Meinungen auseinander: Soll sich die Stadt gegen die Schliessungen wehren oder soll man die Post walten lassen?

Eine Frage der Generationensolidarität

Vier Poststellen in der Stadt Luzern droht das Ende und meine Generation scheint das nicht besonders zu stören: Nostalgie und alter Zopf, sagen die Altersgenossen – wer geht denn heute noch zur Post und nimmt deren Dienstleistungen in Anspruch? Diese Haltung lässt die Generationensolidarität vermissen.

Es kann doch nicht sein, dass die Bedürfnisse der älteren Menschen, die weniger mobil sind und sich mit dem Internet weniger gut auskennen, einfach ignoriert werden. Mir ist klar, dass viele Post-Dienstleistungen zunehmend ins Internet abwandern, doch längst nicht alle.

Gab es 2001 in der Schweiz 3500 Poststellen, werden es 2020 noch 800 sein. Bevor sich der gelbe Riese nun selbst abgeschafft und alle Schalterangestellten entlassen hat, lohnt es, einen Moment innezuhalten: Immerhin hat die Post einen Leistungsauftrag und soll diesen im Interesse der Gesamtbevölkerung erfüllen. Doch mit dem drastischen Streichkonzert in der Stadt strapaziert sie nicht nur das Wohlwollen derjenigen Menschen, die etwas weniger mobil sind, sondern treibt die städtischen KMU dazu, künftig ihre Massensendungen anderswo in Auftrag zu geben.

Ausserdem stehen die Schliessungen im Widerspruch zu raumplanerischen Grundsätzen der Stadt: Diese möchte die Quartiere stärken und das Verkehrsaufkommen reduzieren – doch wenn die dezentralen Poststellen verschwinden, geschieht exakt das Gegenteil: Statt dass man nach der Arbeit kurz zu Fuss den eingeschriebenen Brief um die Ecke abholen geht oder das Geschenkpaket versendet, steigen die Leute einfach in den Bus oder sogar ins Auto in Richtung Stadtzentrum, um der Post einen Besuch abzustatten. Damit entzieht sie den Quartieren ein sinnvolles Dienstleistungszentrum. Und liefert gleich noch einen weiteren Grund mit, erst gar nicht mehr eine Poststelle aufzusuchen und stattdessen zur Konkurrenz zu laufen.

Die Post sieht nur die roten Zahlen in den Geschäftsbüchern ihrer Quartierpoststellen und vergisst, wie wertvoll diese für ihr Image sind: Die enorme Präsenz der Post verdankt das Staatsunternehmen insbesondere ihren Filialen. Diese positive Reputation dürfte durchaus auch dem betriebseigenen Goldesel, der Postfinance, ein wichtiger Vorteil vor anderen Banken dienen.

Und noch etwas: Wenn man den Blick über den städtischen Tellerrand richtet, fehlt wenig Fantasie, was für Probleme auf die Landschaft zukommen. Wenn die Schliessungen bereits in der Stadt schmerzen, dürften sie beispielsweise im Entlebuch, wo drei von vier Postfilialen die Schliessung droht, katastrophale Folgen haben.

Zusammenfassend wäre mehr politischer Widerstand wünschenswert: Der Luzerner Stadtrat sollte sich überlegen, ob er passiv zuschaut, wenn die Post die stadteigene Mobilitäts- und Quartierstrategie torpediert.

Artenschutz von Poststellen bringt nichts

Ich gehe genau aus zwei Gründen zur Post: Wenn ich ein Paket abholen muss oder wenn ich einen eingeschriebenen Brief aufgebe. Und ich muss jeweils recht erfinderisch werden, um das zu tun. Denn die Post hat ja meist dann geöffnet, wenn ich arbeite.

Poststellen haben für mich einen äusserst beschränkten Nutzen, denn ich kann meine Pakete jetzt in rund um die Uhr zugängliche Boxen liefern lassen und alles andere online erledigen. Die SMS-Briefmarken, was für eine tolle Neuerung! Und als Treffpunkt nutze ich «meine» Postfiliale auch eher wenig.

Aber es geht ja nicht nur um mich. Man muss nicht gleich alle Poststellen abschaffen. Ein paar sollen im Sinne eines Service public stehen bleiben. So wie ich es auch unterstütze, dass ein Postauto regelmässig in den hintersten Krachen fährt, obwohl ich es noch nie benutzt habe.

Wer also weiter Geld bar einzahlen möchte, wer tatsächlich noch Briefmarken kauft und gerne in der Schlange ansteht, soll das weiterhin tun dürfen. Doch dafür braucht es nicht das Filialnetz von heute, geschweige denn jenes von gestern.

Postagenturen anstelle von Filialen haben für einen wachsenden Teil der Bevölkerung viele Vorteile: Sie haben anständige Öffnungszeiten und bieten alle nötigen Dienstleistungen. Ich denke, auch der internetabstinenten Bevölkerung dieses Landes ist damit gedient. Und neu nimmt selbst der Pöstler Einzahlungen an der Haustür entgegen – ein Versuch ist’s wert.

Es ist schade, wenn sich Gewohnheiten ändern. Es ist betrüblich, wenn tatsächlich Schalterangestellte ihren Job verlieren – aber es bringt nichts, wenn sich die Politik um den Artenschutz von Poststellen kümmert.

Quartiere gedeihen auch ohne Postschalter, das ist Aufgabe der Stadt, aber sicher nicht des gelben Riesen. Es ist auch schade, wenn Quartierläden schliessen. Aber ich geb’s zu, ich nutze sie kaum, weil Migros und Coop ihre Sache prima machen.

Mit gut gemeintem Service public kann man viele Entwicklungen verhindern, aber wem dient es? Man kann nicht von der Post verlangen, dass sie auf der einen Seite wirtschaftlich geschäftet und auf der anderen Seite Quartiertreffpunkte zur Verfügung stellt.

Dass das herkömmliche Geschäft der Post zurückgeht, ist ein Fakt. So wie es ein Fakt ist, dass immer weniger Leute ihr Billett am SBB-Schalter kaufen – also kann man ein paar Schalter zumachen. Die neue SBB-App hingegen ist tatsächlich ein Fortschritt.

Sollte sich wider Erwarten das Internet irgendwann als Fehlkonstruktion erweisen. Sollten die Menschen wieder sesshafter werden und ihre Zeit damit verbringen, lange Briefe zu schreiben – ja dann sollte man den Mut haben, wieder ein paar Poststellen zu öffnen. Nur sieht es im Moment nicht danach aus.