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Die Terrassen bleiben vorerst zu. Ist das die richtige Entscheidung? (Bild: Adobe Stock)

Hätte der Bundesrat die Terrassen öffnen sollen?

Der Bundesrat hat entschieden, die Massnahmen zur Bekämpfung der Coronaepidemie doch nicht zu lockern. Terrassen von Luzerner und Zuger Restaurants bleiben weiterhin geschlossen. Doch war das auch die richtige Entscheidung? Zwei Mitglieder unserer Redaktion debattieren darüber.

Zugegeben, vielleicht ist es einfach diese Sehnsucht nach dem alten Leben. Auf der Restaurantterrasse sitzend könnte man sich zumindest für die Länge eines Glas Wein dieser Illusion hingeben. Dem Gefühl nachspüren, wie es mal war oder wieder sein könnte.

Ich bin überzeugt, viele werden nicken. Die Bevölkerung ist der Coronamassnahmen überdrüssig, wir alle sind müde. Ohne die Beizen zu romantisieren: Sie gelten aus gutem Grund als Ort, an dem sich der Puls der Bevölkerung messen lässt. Nun, da sie zu sind, schlägt er bei vielen auf ungesund tiefem Niveau, bei anderen hingegen über die Stränge, wie einige Bundesparlamentarier in der Frühlingssession bewiesen.

Klar: Das soll kein Freipass sein, um die Vernunft über Bord zu werfen. Es wäre töricht, das bisher Erreichte aus einer Laune heraus zu riskieren. Die Verantwortlichen sollten aber trotz aller Vorsicht die Stimmung im Volk (am Stammtisch kann man ja leider nicht sagen) nicht ignorieren. In einem freiheitlichen Land wie der Schweiz, in welchem im Unterschied zum benachbarten Ausland keine Ausgangssperren verhängt werden, funktionieren Massnahmen nur, wenn die Bevölkerung diese weitgehend mitträgt.

Manche mögen etwas überheblich sagen: Öffnet man die Terrassen, missverstehen viele Menschen, wie ernst die Lage ist. Doch diese Leute werden sich auch treffen, wenn sie sich nicht hinsetzen dürfen. Sie tun das in Parks oder am See, sie tun das neuerdings mit dem Segen des Bundesrats zu zehnt zu Hause, und vor allem tun sie das nicht immer mit Abstand und Maske. Wer an einem sonnigen Tag unterwegs ist, kann sich selber ein Bild davon machen.

Die Bistros und Gartenterrassen zu öffnen, wäre ein überschaubares Risiko gewesen. Die Gefahr, sich in einer Openair-Beiz mit dem Virus anzustecken, ist deutlich kleiner als in Innenräumen. Wer glaubt daran, dass sich die Menschen im Privaten alle an die Regeln halten?
Nehmen wir uns die Drogenpolitik zum Vorbild: Besser man lässt das, was man ohnehin nicht verhindern lässt, unter kontrollierten Bedingungen zu. Dazu bräuchte es – und das ist unbestritten – gute Schutzkonzepte: Nur sitzend konsumieren, maximal vier Leute an einem Tisch, Kontakte erfassen, Abstand zwischen den Tischen. Aus unternehmerischer Sicht ist der Betrieb einer Terrasse in unserem Land, wo es auch an Ostern noch schneien kann, ohnehin nur für die wenigsten Gastronomen rentabel.

Die paar einladenden Tische im Freien wären also in erster Linie um ein positives Zeichen an all jene gewesen, die mehr brauchen als Durchhalteparolen: Es wäre das Zuckerbrot, das wir nach diesem Peitschenwinter nur zu gerne genommen hätten. Und das auch die politischen Kreise, die aggressiv eine viel weitergehende Öffnung fordern, für eine Weile beschwichtigt hätte.

Ich fand Jo-Jo-spielen schon immer scheisse (Entschuldigungen an die Jo-Jo-Community). Das sinnlose Rauf und Runter, Rauf und Runter und zuletzt gerät sowieso alles ausser Kontrolle und das Jo-Jo verheddert sich aufs Blamabelste.

Im Gastrobereich lassen wir seit gut einem Jahr das Corona-Jo-Jo spielen: Den Betrieb runterfahren, den Betrieb wieder ein bisschen hochfahren lassen, Take-away, dann wieder herunterfahren, dann wieder hochfahren – und den Covid-Zahlen entsprechend dann wieder runterfahren. Terrassen auf, Terrassen zu, Plexiglaswände rauf, Masken runter ... bis sich alles heillos verheddert, niemand mehr weiss, welche Regeln eigentlich gelten und alle schön «Jo-Jo-gefrustet» sind.

Was hätte es also gebracht, wenn wir uns nun zu Ostern auf der Beizenterrasse alle gemeinsam ein paar Eierliköre hinter die Jalousie geklatscht hätten, nur um danach wieder alleine in die dritte, vierte und fünfte Lockdown-Verlängerung zu torkeln?

Angesichts der aktuell steigenden Covid-Zahlen und der Aussicht – dass gerade infolge solch kurzsichtiger Öffnungen –, innert weniger Wochen bereits wieder alles herunterfahren zu müssen, wäre eine solche Öffnungsstrategie so sinnlos wie das Jo-Jo-Spiel gewesen. Vernünftigerweise hat sich der Bundesrat dagegen entschieden (nochmals Entschuldigung an die Jo-Jo-Community).