Widersacher des Mieterverbandes vor Zuger Gericht

Steinhauser «Mieterschutz» auf der Anklagebank

In diesem Tower in Steinhausen soll die Mieterschutz Schweiz MSS GmbH ihr Domizil haben.

 

(Bild: hch)

Wer Probleme mit seinem Vermieter hat und online nach einer Rechtsberatung sucht, stösst fast unweigerlich auf sie: die Mieterschutz Schweiz GmbH. Nach vielen Jahren glauben Seco und Zuger Staatsanwaltschaft nun einen Weg gefunden zu haben, wie man das Unternehmen für dessen gewollte Verwechslung mit dem Mieterverband zur Rechenschaft ziehen kann.

«Diese Verhandlung dürfte es eigentlich gar nicht geben», ereiferte sich der Verteidiger am Montag gleich zu Beginn. «Das Seco torpediert den freien Wettbewerb, den es doch eigentlich fördern sollte. Denn hinter dem Verfahren steht der Schweizerische Mieterverband, der so seinen Konkurrenten loswerden und ein Monopol zementieren will.»

Seine Mandantin, die sich am Montag vor dem Zuger Strafgericht zu verantworten hatte, ist die Mieterschutz Schweiz MSS GmbH. Knapp 8’000 Mitglieder zählt das Unternehmen derzeit. Sein Geschäftsmodell: Mitgliedschaften, die jährlich zwischen 95 und 110 Franken kosten. Dafür bietet es einen Rechtsdienst, der seinen Mitgliedern rund um ihr Mietobjekt weiterhelfen will. Den Einnahmen gegenüber stehen der Lohn des Geschäftsführers, Administration und Marketingausgaben. Sowie – und dies dürfte in den letzten Jahren nicht selten der Fall gewesen sein – Kosten für Anwälte.

Mitglied beim falschen Verband

Einen solchen brauchte der angeklagte Geschäftsführer auch vor dem Zuger Gericht. Für Verstösse gegen den unlauteren Wettbewerb sollte er mit einer bedingten Geldstrafe von 30’000 Franken sowie mit einer Busse von 7’500 Franken bestraft werden. Noch viel härter würde ihn jedoch der beantragte Einzug von 19 Internet-Domains treffen. Denn auf diesen Internet-Adressen beruht das ganze Geschäft mit den verkauften Mitgliedschaften.

Die Krux dabei: Viele Mitglieder würden teilweise erst Jahre nach ihrem Beitritt bemerken, dass sie nicht wie gemeint dem Schweizer Mieterverband angehören, sondern stattdessen bei einem Kleinunternehmen mit Sitz in Steinhausen Mitglied wurden. «Oftmals merken sie das erst», so der Rechtsvertreter des als Privatkläger auftretenden Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, «wenn sie mit der gebotenen Dienstleistung nicht zufrieden sind.» Dies stelle eine Widerhandlung gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar.

Tatsächlich berichten Konsumentenmagazine wie der «Kassensturz» seit Jahren immer wieder über das Unternehmen. Mit Titeln wie «Abo-Falle statt seriöser Beratung» warnen sie vor oberflächlichen Beratungen und Verwechslungen mit dem Mieterverband. Ein früherer Versuch eines Geschädigten, rechtlich gegen das Steinhauser Unternehmen vorzugehen, scheiterte – das Verfahren wurden eingestellt.

Gutes Marketing oder unlautere Methoden?

Einen neuen Anlauf nahm nun die Zuger Staatsanwaltschaft. Zugrunde liegen der aktuellen Anklage die Beschwerden von 38 Personen. Die Beweisführung gestaltete sich vor Gericht jedoch nicht ganz einfach. Der Internet-Auftritt ist zwar in zahlreiche Mikrosites unterteilt und unklar strukturiert, mit Informationen zur Organisation und den Verantwortlichen wird gegeizt und das Unternehmen selbst verwirrt durch zahlreiche Wechsel beim Domizil und den Verantwortlichen.

Doch wo genau liegt die Abgrenzung zwischen (gerade noch erlaubtem) aggressivem Marketing, und wo beginnt der unlautere Wettbewerb? Für die Staatsanwältin jedenfalls macht sich der Angeklagte grösser als er sei und «segelt im Windschatten eines etablierten Unternehmens mit».

Einmannbetrieb mit «Zentralsekretariat»

So schreibt das Unternehmen auf den Websites und in Mails denn auch immer wieder von Zentralsekretariat oder Zentralbuchhaltung, oder auch von Rechtsexperten. Für die Anklage gaukle man damit vor, über eine mittlere bis grosse Unternehmensstruktur zu verfügen. So wurde auch eine der Websites in kantonale Auftritte aufgeteilt. Damit gäbe man ortsansässige kantonale Niederlassungen vor. Stattdessen verfügt das Unternehmen nur gerade über einen selten besetzten kleinen Raum in Steinhausen, von dem die ganze Geschäftstätigkeit ausgeht.

Google Adwords: Was ist erlaubt?

Eine für viele Werbetreibende spannende Kontroverse entspann sich um Google-Anzeigen, sogenannte Adwords. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, das Keyword «Mieterschutz» eingesetzt zu haben. Dass Firmen Keywords ihres Konkurrenten hinterlegen, kommt immer wieder vor, endet aber kaum je vor Gericht. Allerdings konnte die Anklage den Einsatz der Keywords nicht schlüssig nachweisen, da sie diese bei Google nicht eingefordert hatte. Stattdessen versuchte sie deren Hinterlegung durch Ausdrucke der Anzeige auf den Suchergebnisseiten selbst zu belegen.

Der Verteidiger des Angeklagten bestritt denn auch deren Verwendung. Vielmehr sei es durch den Algorithmus der Suchmaschine zu dieser thematisch nahen Ausspielung gekommen. Und selbst wenn das Keyword des Mitbewerbers eingesetzt worden wäre, wäre dies nicht strafbar. Ein Argument, welches das Thurgauer Obergericht in einem Urteil aus dem Jahr 2012 stützt.

Aber auch die genannten «Rechtsexperten» bestehen lediglich aus einer einzigen Person, nämlich dem Geschäftsführer selbst. Mit dieser Bezeichnung erwecke er den Anschein besonderer Auszeichnungen oder Fähigkeiten, über die er nicht verfüge. Dieser jedoch sieht sich durchaus in der Lage, bei komplexen Streitfällen zu beraten oder juristische Korrespondenz zu führen. Dazu brauche er kein Anwalt zu sein, seine langjährige Praxis in der Immobilienbranche und eine Ausbildung als Immobilienverwalter würden ihn ausreichend befähigen. Die Anklage wiederum sieht durch unrichtige und irreführende Angaben das Wahrheitsgebot verletzt.

Gewollte Annäherung an Mieterverband

Ein weiterer Vorwurf betraf die Verwendung des Begriffes «Mieterschutzverband». In der Schweiz besteht seit 1915 der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband (Mieterverband genannt), der als Verein konstituiert ist. Allerdings betreibt das Steinhauser Unternehmen die Domain Mieterschutzverband.ch. Während die Anklage darin eine gewollte begriffliche Annäherung ausgemacht hat, macht der Geschäftsführer historische Gründe geltend. Er habe schon 2004 über einen Verein eine Helpline betrieben. Erst später habe er sein Unternehmen gegründet, weil er mit der Beratung in Sachen Mietfragen Geld verdienen wollte.

Nachdem er eingangs des Verfahrens mit einem Antrag auf Einstellung scheiterte, sprach der Anwalt des Geschäftsführers in seinem einstündigen Plädoyer von «cleverem Marketing», das sein Mandant betreibe. Der Eindruck, ein mittelgrosses Unternehmen zu betreiben, sei genauso wenig strafbar wie der Betrieb von mehreren Internet-Seiten. Da man auf diesen Werbeplätze für lokale Inserenten wie beispielsweise Reinigungsunternehmen anbieten wollte, mache die Unterteilung in kantonale Instanzen durchaus Sinn.

Forderungen weit auseinander

Zwar sei es tatsächlich zu Verwechslungen zwischen dem Unternehmen seines Mandanten und dem Mieterverband gekommen. Dies lasse sich bei Dienstleistern, die annähernd identische Produkte anbieten, aber auch nicht ausschliessen. Es sei nie seine Motivation gewesen, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Auch die Auswirkungen der Taten seien gering. Aus diesem Grund solle das Gericht selbst bei einem Schuldspruch auf eine Strafe verzichten, forderte sein Anwalt. Genau das Gegenteil verlangte die Anklage: Selbst bei einem Freispruch seien dem Angeklagten die Untersuchungs- und Gerichtskosten zu belasten, weil er mehrfach Abmahnungen des Seco ignoriert hätte und so die Verhandlung verschuldete.

Das Urteil ergeht zu einem späteren Zeitpunkt.

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