Auch Luzerner Architekten dürfen mitplanen

«Mutig» und «poetisch» wird die Luzerner Industriestrasse belebt

Rolf Mühlethaler und Christian Schläppi posieren vor ihrem Siegerprojekt «mon oncle».

(Bild: ida)

Die Genossenschafts-Kooperation der Luzerner Industriestrasse präsentierte am Donnerstag 13 Projektideen zur Belebung des Quartiers. Das Konzept «mon oncle» eines Berner Architektenteams gewann. Doch auch Luzerner Architekten werden in die Planung miteinbezogen.

Ein belebtes Quartier soll es werden, von Kleinkindern, Onkeln bis hin zum Senior genutzt und geliebt werden. Ein kreatives Biotop inmitten der Stadt: die Luzerner Industriestrasse. Bis 2025 wird eine innovative Bebauung in den Bereichen Wohnen, Arbeiten und Kultur für insgesamt 600 Personen realisiert (zentralplus berichtete). Kosten wird es 83 Millionen Franken.

Dazu hat die Genossenschafts-Kooperation einen Architekturwettbewerb lanciert, der in zwei Phasen erfolgte. Vergangenes Jahr wurden 21 Architekturbüros aus Luzern, der restlichen Schweiz und gar London, Athen und Paris eingeladen. Charakteristisch für das Industriestrasse-Projekt seien der grosse Umfang, die vielfältigen Vorgaben und der emotionale und kulturelle Wert des Ortes (zentralplus berichtete). 

Im zweiten Schritt wurden 13 Büros erkoren, die ihre Idee in einem konkreten Projektvorschlag umsetzen konnten. Am Donnerstag wurden die Gewinner bekannt gegeben. Ein Preisgericht sowie Experten haben ein Projekt für den Städtebau sowie drei Konzepte für die Gebäudetypologie zur Weiterbearbeitung empfohlen. Die Berner Rolf Mühlethaler und Christian Schläppi überzeugten mit ihrem Projekt «mon oncle», welches nun bis Ende 2019 konkretisiert wird. Die erste Bauetappe soll 2021 erfolgen.

Gemeinschaft zelebrieren

Die spielerische Gestaltung der Innenhöfe, der Plätze, der Geschosse wie auch die offenen Gassen haben die Erwartungen übertroffen, wie Ilinca Manaila, Vertreterin des Fachpreisgerichts, sagt. Im Konzept wurden Gemeinschaftsräume erarbeitet – eine Gemeinschaftsküche und eine Dachterrasse, die gemeinsam genutzt werden. «Bewohner können die Gemeinschaft erleben, sich aber zugleich auch individuell zurückziehen», so Manaila. «Der Gedanke der Gemeinschaftlichkeit scheint hier realisierbar zu sein, ohne dem einzelnen Bewohner diesen Gedanken aufzwingen zu wollen.»

«Der Gedanke der Gemeinschaftlichkeit scheint realisierbar zu sein, ohne dem einzelnen Bewohner diesen Gedanken aufzwingen zu wollen.»

Ilinca Manaila, Architektin und Vertreterin des Fachpreisgerichts

Ab diesem Sommer beginnt das Berner Team mit der Ausarbeitung des Regelwerks. Zwei Luzerner Architektenteams – «toblergmür» und «ro.ma. architekten röösli-maeder» –, die ebenfalls ausgezeichnet wurden, werden in die Planung miteinbezogen – müssen sich jedoch an den Rahmenbedingungen des Siegerteams orientieren.

Die Vertreterin des Fachpreisgerichts Ilinca Manaila.

Die Vertreterin des Fachpreisgerichts Ilinca Manaila.

(Bild: ida)

Viele alte Bauten bleiben bestehen – acht neue kommen dazu

«Mon oncle» schaffe eine hohe Identifikation mit dem Ort und der Geschichte des Areals sowie mit den Nachbarschaften, meint Ilinca Manaila. Insgesamt sollen acht neue kleinere Bauten entstehen. Das Konzept liesse überdurchschnittlich viele Altbauten bestehen und nicht nur das Käselager – was von den Genossenschaften gefordert wurde. Auch das «Sinnlicht»-Gebäude soll erhalten bleiben.

Marcel Budmiger von der IG Industriestrasse Luzern ist von der Idee der beiden Berner sichtlich angetan: «Es ist ein mutiges Projekt, welches hoffen lässt, dass ein Miteinander von alt und neu wirklich realisierbar ist – als ein heterogenes Ganzes und nicht bloss in zwei verschiedenen Parallelwelten.»

Menschenbezogener und nachhaltiger Städtebau

Die Berner Rolf Mühlethaler und Christian Schläppi freuen sich über den Erfolg – stellen sich jedoch nicht in den Fokus des Geschehens. «Es war faszinierend, das klassische Architekten-Dasein in den Hintergrund zu stellen und den Gedanken von Raum und Zusammenleben auf allen Ebenen durchschlagen zu lassen», sagt Architekt Mühlethaler.

«Wir wollen nicht überall unsere Marke aufsetzen.» Als Architekten möchten sich die beiden aus dem Spiel nehmen – das Konzept, das Schüler des Schulhauses Wartegg entworfen haben, werde miteinbezogen. Man sei eher poetisch vorgegangen, wie Christian Schläppi ergänzt.

«Wir wollen einen Ort realisieren, an dem Menschen jahrzehntelang und mit hohen Standards wohnen und glücklich leben.»

Rolf Mühlethaler, Berner Architekt

Wenn man sein Metier beherrsche, könne man Experimente wagen, was bei «mon oncle» der Fall gewesen sei, so Schläppi. «Der Charme, die Emotionen des Ortes und die Vorstellungen des Zusammenlebens haben wir berücksichtigt – was der heutige Städtebau zumeist nicht mehr schafft», so Mühlethaler. «Der heutige Städtebau versagt zumeist an vielen Orten.»

«Wir wollen einen Ort realisieren, an dem Menschen jahrzehntelang und mit hohen Standards wohnen und glücklich leben», fährt er fort. Es sei wichtig, Visionen zu entwickeln, die sich vertieft mit nachhaltigem Wohnen auseinandersetzen. Er sei vom Ort, aber auch dem Spirit der Genossenschafter angetan, habe das Engagement der Auftraggeber gespürt. Nun sei man auf die Zusammenarbeit von allen Partnern angewiesen, benötige ein Grundvertrauen in das Konzept. «Es war auch für uns ein Steilpass, weil das Konzept viel enthält, was im heutigen Baurecht nicht möglich erscheint.»

So soll es bald in der Industriestrasse aussehen. Eine Visualisierung des Projekts «mon oncle».

So soll es bald in der Industriestrasse aussehen. Eine Visualisierung des Projekts «mon oncle».

(Bild: zvg)

Inspiriert von einer Filmkomödie

Der Name des Projekts «mon oncle» basiert auf der französischen Filmkomödie von Jacques Tati aus dem Jahr 1958. Im Film gibt es mehrere Sequenzen, in welchen der Protagonist in seinem Haus rauf- und runterläuft. «Auf verschiedenen Ebenen trifft er zufällig Leute – ein kleines Mädchen, eine alte Dame, aber auch die Natur und einen Kanarienvogel», erklärt Mühlethaler. «Der Weg in seine Wohnung bietet extrem viel an Erlebnissen – was wir als Idee aufgenommen und umgesetzt haben.»

«Spielstadt» von Luzerner Architekten

Doch auch Luzerner Architekten werden in die Planung der Gebäudetypologie miteinbezogen – wie beispielsweise bei der Gestaltung der Dachterrasse. Die Projekte «Indu» von «ro.ma.architekten röösli maeder» und «Ludoville» von «toblergmür Architekten» wurden ebenfalls geehrt.

«Ludoville» wurde in der Kategorie Städtebau mit dem dritten Preis ausgezeichnet wie auch in der Kategorie Gebäudetypologie prämiert. Mit «Ludoville», auf Deutsch eine «Spielstadt», wollten die beiden Architekten Gabriel Gmür und Samuel Tobler einen spielerischen Umgang des genossenschaftlichen Zusammenlebens erarbeiten. 

«In der Mitte des ganzen Areals befindet sich das Herz, in dem die Gemeinschaftsräume Platz finden», so Gmür. Alle Genossenschaften sollen zusammen einen Wäscheraum, einen Dachgarten sowie eine Eingangshalle bauen. Bis zum Ende habe man den Gedanken weitergesponnen, eine eigene kleine Stadt, in der man arbeitet, lebt und seine Freizeit verbringt, zu entwickeln. «Es ist ein grosses Haus, das nicht einfach aus vielen kleinen Häusern besteht.»

Die Luzerner Gabriel Gmür und Samuel Tobler sind mit ihrem Projekt «Ludoville» dürfen ebenfalls mitreden.

Die Luzerner Gabriel Gmür und Samuel Tobler mit ihrem Projekt «Ludoville» dürfen ebenfalls mitreden.

(Bild: ida)

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