Alltag von Frauenarzt und Chirurg am Kantonsspital

Was Zuger Chefärzte leisten – und wie viel sie verdienen

Keine «Halbgötter in Weiss»: Die Chefärzte Michael Zünd (links) und Christoph Honegger am Zuger Kantonsspital.

(Bild: woz)

Sie gelten als die Preistreiber des Gesundheitssystems: Chefärzte. Bis zu zwei Millionen Franken sollen die «Halbgötter in Weiss» in Schweizer Spitälern kassieren. zentralplus hat die Probe aufs Exempel gemacht und zwei Chefärzten des Zuger Kantonsspitals auf den Zahn gefühlt.

18 Uhr im Büro von Chefarzt Michael Zünd im Zuger Kantonsspital. Der Chirurg kommt gerade vom Abendrapport. Er wirkt aufgekratzt und relaxed. Genauso wie sein Kollege, Christoph M. Honegger, Chefarzt der Frauenklinik. Ihr Arbeitstag ist noch längst nicht beendet.

«Ich arbeite jeden Tag 13 Stunden, von morgens um 6.45 Uhr bis abends um 20 Uhr – mit maximal 30 bis 45 Minuten Pause täglich», berichtet der Viszeral-Chirurg. Sein medizinisches Metier ist der menschliche Bauch – mit allem, was darin so an Organen und Drüsen erkranken kann und dann herausgeschnitten werden muss. Von der Blinddarmoperation über den Leistenbruch bis zur Tumorentfernung.

Der 55-jährige Operateur ist schon seit neun Jahren im Zuger Kantonsspital. Auf die direkte Frage, was er denn so verdiene, stockt er höchstens eine gefühlte Zehntelsekunde. Dann sagt er selbstbewusst: «Wenn mein Job nicht angemessen bezahlt wäre, wäre ich nicht hier.»

Konkret in Zahlen heisst das: Er verdient pro Jahr rund 500’000 Franken brutto. «Dabei muss man auch sehen, dass ich mit meiner Ausbildung zum Chefarzt erst im Alter von 38 Jahren fertig war.»

Garantiert: 400’000 Franken brutto

Sein 54-jähriger Chefarztkollege von der Frauenklinik hat das gleiche Lohnmodell. Er erhält pro Jahr garantiert 400’000 Franken brutto. «Dabei gibt es jedes Jahr zusätzlich noch einen Leistungslohn von bis zu 100’000 Franken», sagt Honegger.

Unter anderem hängt der Betrag von den anonymen Rückmeldungen der Assistenzärzte zur Qualität der Weiterbildung und der systematisch erhobenen Patientenzufriedenheit ab. «Und jedes Jahr kann noch eine Gratifikation von maximal 50’000 Franken dazukommen – die bisher aber noch nie im vollen Umfang ausbezahlt wurde.»

«Frühere Generationen von Chefärzten haben deutlich mehr verdient.»

Christoph M. Honegger, Chefarzt Frauenklinik, Zuger Kantonsspital

Unterm Strich verdienen Chefärzte im 100-Prozent-Pensum im Zuger Kantonsspital brutto also zwischen 380’000 bis maximal 550’000 Franken. Es gibt sechs Chefärzte am Zuger Kantonsspital. In der privaten Andreas-Klinik in Cham gibt es dagegen keinen einzigen. Grund: Dort gilt das Belegarztmodell.

«Frühere Generationen von Chefärzten haben deutlich mehr verdient», sagt Honegger. Wobei sich weder er noch Zünd, beide verheiratet und Familienväter von vier Kindern, über ihr Gehalt beschweren wollen. Im Gegenteil – sie lieben ihren Job. Obwohl dieser von aussen betrachtet ziemlich stressig und belastend wirkt.

Schon mal 16 Stunden am Bauch operiert

«Von 7.00 bis 7.30 Uhr mache ich erstmal ein bisschen Büro», beginnt Zünd über seine tägliche Agenda zu berichten. Zwischen 7.30 und 8.00 Uhr finde der Morgenrapport statt. Danach gehe es für rund zehn Minuten zur Visite auf die Intensivstation.

Anschliessend beginnt sein Hauptjob: «Von 8.30 bis 16.30 Uhr operiere ich dienstags, mittwochs und donnerstags – mit drei bis sechs Bauchoperationen pro Tag.» Montags und freitags hat er zur gleichen Zeit Sprechstunde.

Sagt’s und lächelt: «Bei meiner medizinischen Arbeit bin ich meistens nicht im Stress.» Bei 99,9 Prozent seiner klassischen Aufgaben als Chirurg komme er nicht an die Grenze. Wobei er auch schon einmal 16 Stunden am Bauch eines Patienten operiert habe. «Es ist alles gut gegangen.»

13 Stundentag, kaum Pausen, viel Verantwortung, viele Wochenend- und 24-Stunden-Dienste: 400'000 bis 500'000 Franken brutto bekommen sie dafür jeweils im Monat gezahlt – die beiden Chefärzte Michael Zünd und Christoph Honegger.
13-Stunden-Tag, kaum Pausen, viel Verantwortung, viele Wochenend- und 24-Stunden-Dienste: 400’000 bis 500’000 Franken brutto bekommen sie dafür jeweils jährlich gezahlt – die beiden Chefärzte Michael Zünd und Christoph Honegger.

(Bild: woz)

Belastender könne für ihn manchmal dagegen eher das Personalmanagement sein – ist er doch der Chef von 22 internen Ärzten: Leitenden Ärzten, Oberärzten, Assistenzärzten.

«Um 20 Uhr nehme ich mir dann immer vor, nach Hause zu gehen.»

Michael Zünd, Chefarzt Chirurgie, Zuger Kantonsspital

Doch das ist noch längst nicht alles. Denn: Wann immer sich für Zünd ein Intervall im Operationssaal ergibt, erledigt er zwischendurch ein bisschen Büroarbeit. Er erhält im Schnitt rund 50 E-Mails pro Tag, zusätzlich noch Briefe.

«Nach 16.30 Uhr ist dann wieder die Patientenvisite angesagt. Um 17 Uhr steht der Abendrapport auf dem Programm. Zwischen 17.30 und 19.00 Uhr habe ich oft Sitzungen, und von 19.00 bis 20.00 Uhr ist nochmals Büroarbeit angesagt», so der Viszeral-Chirurg. «Um 20.00 Uhr nehme ich mir dann immer vor, nach Hause zu gehen.»

Dreimal pro Woche 24-Stunden-Dienst, jedes dritte Wochenende Dienst

Wobei er noch anfügt, dass er jeden dritten Tag 24-Stunden-Dienst habe. Sprich: bei Notfällen jederzeit abrufbar sein müsse. «Und jedes dritte Wochenende, konkret: an 18 Wochenenden, habe ich zusätzlich Dienst.» Bei seinem Chefarztkollegen Christoph M. Honegger in der Frauenklinik, wo jährlich rund 900 Geburten und 1’200 Eingriffe registriert werden, sieht die zeitliche Arbeitsbelastung ähnlich aus.

Da bleibt nicht viel Platz für solche Arztserien-Klischees, in denen der Herr Chefarzt schon nachmittags um vier auf dem Golfplatz steht.

Wobei Michael Zünd tatsächlich Golf spielt, was am Kalender mit der kalifornischen Golfplatz-Impression an seiner Bürotür zu erkennen ist. «Ich habe aber höchstens einmal pro Woche dafür Zeit, ansonsten gehe ich zweimal ins Fitness und fahre mit dem Velo um den Zugersee – denn wir müssen uns tatsächlich körperlich von unserer Arbeit erholen», macht Zünd klar.

«Am Wochenende mache ich dann einen Long-Run zwischen 20 und 30 Kilometern.»

Christoph M. Honegger

Das ist auch bei Christoph M. Honegger so. Der 54-jährige Chefarzt der Frauenklinik geht dreimal pro Woche joggen, jeweils zwischen sieben und zehn Kilometer. «Am Wochenende mache ich dann einen Long-Run zwischen 20 und 30 Kilometern», berichtet er. Da fluten dann die Endorphine durch den Körper. «Zweimal pro Jahr laufe ich noch Marathon.»

Dieses Entlastungsprogramm der beiden Chefärzte hört sich sehr anstrengend und zeitaufwendig an. Krank sind die beiden Chefärzte so gut wie nie. «Ich war 2017 einen halben Tag krank», sagt Zünd. Honegger fehlte die letzten acht Jahre keinen einzigen Tag im Dienst.

Das Zuger Kantonsspital zählt insgesamt sechs Chefärzte.
Das Zuger Kantonsspital zählt insgesamt sechs Chefärzte.

(Bild: zvg)

Für die Familie bleibt da unterm Strich allerdings nicht mehr viel Zeit. «Meine Kinder sagen immer: Papa, du bist der Beste – dabei bin ich fast nie zu Hause», erzählt Zünd und grinst.

Honegger räumt ein, dass er seinen Kindern gegenüber immer wieder ein schlechtes Gewissen habe und dies in den Ferien oder bei Geburtstagen und sonstigen Festanlässen zu kompensieren versuche. Da schaue dann auch mal ein grösseres Geschenk raus oder ein toller Ausflug wie eine Städtereise oder Ähnliches.

«Der Beruf ist ganz klar die Nummer eins», versichert Zünd. Er sei seiner Frau deshalb sehr dankbar, dass sie so selbstständig sei und alles für die Familie organisieren könne. Zünd: «Wir sind beschäftigt – wir sind wirklich den ganzen Tag beschäftigt, und ich kann mit meiner Familie unter der Woche weder zu Mittag noch zu Abend essen.»

«Man kann den Chefärzten für die Kostenexplosion im Gesundheitswesen nicht die Schuld geben.»

Michael Zünd

Aber was sagen die beiden Chefärzte zur Kostenexplosion im Gesundheitswesen? «Man kann den Chefärzten für die Kostenexplosion nicht die Schuld geben», ist Michael Zünd überzeugt. Ausserdem findet er die Diskussionen um wachsende Gesundheitskosten teilweise heuchlerisch – «weil alle wachsen dürfen, nur wir nicht».

Wie man die Kostenexplosion im Gesundheitswesen aber substanziell und dauerhaft eindämmen könnte, wissen beide Chefärzte auch nicht. «Vielleicht müsste man die Patienten noch direkter an den Kosten beteiligen», schlägt Christoph M. Honegger vor. Klar sei, dass medizinische Neuerungen oft teuer seien, genauso wie das Personal.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von igarulo
    igarulo, 05.04.2018, 17:57 Uhr

    Ich mag den beiden ihr Gehalt von Herzen gönnen. Im Vergleich zu CEOs von Banken und Hedgefondsmanagern sind sie eigentlich völlig unterbezahlt. Diese Ärzte leisten viel für die Gesellschaft, während die Bänker und Rohstoffhändler, die Immobilienspekulanten und Unternehmer vor allem ihren Gewinn optimieren. Die Umwelt und die Angestellten sind dabei zweitrangig.

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