Emmi-Chef zum Milchpreis, Freihandel und der SVP

Herr Riedener, verdienen Luzerner Milchbauern genug?

Der 52-Jährige gilt als guter Verkäufer.

(Bild: zvg)

«Mit Stammtisch-Argumenten kann man keine Firma führen», sagt Emmi-CEO Urs Riedener. Immer wieder muss er die Strategie der grössten Schweizer Molkerei erklären. Denn manch einer fragt sich, was das Luzerner Unternehmen in Tunesien oder Chile verloren hat. 

Emmi-CEO Urs Riedener ist in der Milchbranche ein gefragter Mann. Im ersten Teil des Interviews ging es um verändertes Konsumverhalten und das nächste Emmi-Erfolgsprodukt. Teil zwei dreht sich um eine Schicksalsfrage vieler Bauernbetriebe: Wie viel erhält der Produzent für einen Liter Milch?

Doch zu allererst wollen wir etwas über Riedeners Vorlieben für Milchprodukte wissen. 

zentralplus: Urs Riedener, man kennt die Emmi-Produkte: Energy Milk, Caffè Latte, Protein Drinks. Wie frühstücken Sie?

Riedener: Am Morgen esse ich Brot mit Butter und Honig. Und dazu etwas Kaltbach-Käse. Käse ist insofern vorteilhaft, weil er lange satt macht und Energie liefert. Wenn Sie im Gegensatz dazu morgens etwas Zuckriges essen, wirkt das schnell aber nicht anhaltend, und so haben Sie um 9 Uhr bereits wieder Hunger.

«Mir ist bewusst, wie viel Arbeit hinter dem wertvollen Rohstoff Milch steckt.»

zentralplus: Sie schauen also auf gesunde Ernährung?

Riedener: Das ist so. Als Mann wahrscheinlich überdurchschnittlich. Das hat mit meinen sportlichen Aktivitäten und meinem Beruf zu tun.

zentralplus: Sie setzen nicht überraschend auf Emmi-Produkte. Wann tranken Sie zuletzt frische Milch vom Bauernhof?

Riedener: Das ist schon länger her. Im Sommer auf einer Alp trinke ich gerne ein Glas Milch. Etwa auf einer Wanderung im Appenzeller-Land.

zentralplus: Sie wuchsen ja auf dem Bauernhof auf, heute sieht man Sie in Krawatte statt in Gummistiefeln. Wie nah sind Sie noch an der Landwirtschaft?

Riedener:  Ich verstehe das Handwerk und die Arbeit, die dahintersteckt, relativ gut. Und mir ist bewusst, wie viel Arbeit hinter dem wertvollen Rohstoff Milch steckt. Ich glaube, bei einigen Themen kann ich auch mit den Produzenten mitreden. Das hilft, denn so merke ich auch, wenn mir jemand einen «Seich» erzählt.

Urs Riedener ist seit 2008 CEO der Emmi.

Urs Riedener ist seit 2008 CEO der Emmi.

(Bild: zvg/Promarca Schweiz)

zentralplus: Wie sieht die Zukunft der Emmi im Raum Luzern aus?

Riedener: Wir sind für die Milchproduzenten ein sehr stabiler Abnehmer. Zudem kommen viele unserer Aktionäre aus Luzern. Wir sind uns unserer Bedeutung bewusst. Realität ist jedoch auch: Das Wachstum findet im Ausland statt. Und dort schauen wir, welche Schweizer Produkte wir mitnehmen können. Wenn wir im Ausland tätig sind, um Geld zu verdienen, nützt das allen. Das Geld kommt zurück in die Schweiz und wird hier, etwa wie dieses Jahr, über Sonderdividenden an die Aktionäre und damit den Zentralschweizer Milchproduzenten zurückgegeben.

zentralplus: Die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) sind Mehrheitsaktionäre der Emmi. Die Emmi entwickelt sich immer mehr zum internationalen Konzern. Sind da die Luzerner Bauern noch im Boot?

Riedener: Wir sind ja nach wie vor die grösste Milchverarbeiterin der Schweiz und die Schweiz ist mit Abstand unser wichtigster Markt. Unsere zunehmenden Aktivitäten im Ausland tangieren die Schweizer Milchbauern nicht negativ. Vielmehr geht der Gewinn, den wir weltweit erwirtschaften, mehrheitlich an die Milchbauern aus der Zentralchweiz. Und das ist auch gut so. Aber wir sind auch börsenkotiert. Das heisst, wir sind allen Aktionären gleich verpflichtet. Selbst wenn die Zentralschweizer Milchproduzenten die Mehrheit haben, müssen wir alle Aktionäre gleich behandeln. Das ist auch der Grund, weshalb alle Aktionäre von der gleichen Dividende profitieren.

«Es gibt die Kurzschlussdenke, man würde besser mehr Schweizer Milch verkaufen. Das tönt gut am Stammtisch, aber so kann man keine Firma führen.»

zentralplus: Verdienen Schweizer Milchbauern genug? Oder anders gefragt: Wenn es der Emmi so gut geht, weshalb zahlen Sie nicht höhere Milchpreise? (Es gibt mehrere Milchpreise, je nach Produktion. Der Preis für einen Liter Milch, der zu Käse verarbeitet wird, liegt ungefähr bei 75 Rappen. Für Standardmilch wird 57 Rappen bezahlt).

Riedener: Die Emmi zahlt nachweislich einen überdurchschnittlichen Milchpreis. Für Bio-Milch im Übrigen schweizweit den höchsten. Unser Wertschöpfungsmodell kann aber nicht auf einem marktfremden Milchpreis basieren. Dann wären wir gegenüber der Konkurrenz massiv im Nachteil und könnten nicht langfristig erfolgreich wirtschaften. Wir wollen am Markt Geld verdienen und mit guten Geschäftszahlen Dividenden auszahlen. Das sind übrigens mehrere Tausend Franken, die direkt zu jedem ZMP-Bauern fliessen. Im Übrigen gibt es neben dem Milchpreis noch mehr, was eine faire Partnerschaft ausmacht. Wir sind zuverlässig und helfen den Bauern auch, die Überproduktionen zu verwerten. Ein Thema, das jetzt im Frühling wieder akut wird.

zentralplus: Wie ist der Dialog mit den lokalen Milchproduzenten?

Riedener: Der ZMP stellt als Mehrheitsaktionär fünf von neun Mitgliedern im Emmi-Verwaltungsrat. Drei davon sind selber Milchbauern. In diesem Gremium wird unsere Strategie intensiv diskutiert. Auf dieser Stufe sind wir uns einig, wo wir mit Emmi hin wollen. Wichtig ist jedoch, dass wir die Strategie und den Nutzen für die Schweizer Milchbauern auch breiter erklären können.

zentralplus: Können Sie ein Beispiel machen?

Riedener: Ich erkläre das gerne an Tunesien: Wir wachsen dort und verdienen Geld. Zudem können wir dorthin Schweizer Magermilchpulver exportieren und so den Schweizer Markt von überschüssiger Milch entlasten. Wer sich mit Emmi vertieft befasst, kommt zum Schluss: Unsere Strategie funktioniert. Es gibt die Kurzschlussdenke, man würde besser mehr Schweizer Milch verkaufen. Das tönt gut am Stammtisch, aber so kann man keine Firma führen.

zentralplus: Wie schätzen Sie denn die Situation der Milchbauern und den Milchpreis ein? 

Riedener: Nicht Emmi macht den Milchpreis, sondern der Markt. Die Branchenorganisation Milch gibt ihn vor und wir orientieren uns daran. Man darf nicht vergessen: Die Schweiz produziert mehr Milch als hierzulande konsumiert wird. Wir sind dazu gezwungen, Milchprodukte zu exportieren. Dafür brauchen wir internationalen Marktzugang. Wenn man den nicht hat, muss man die Milchproduktion einschränken und sich auf den Inlandmarkt begrenzen. Das ist keine Option. Über unsere Tochtergesellschaften im Ausland verkaufen wir mehrere hundert Millionen Liter Milch aus der Schweiz.

Riedener erklärt die Preisunterschiede zum Ausland.

Riedener erklärt die Preisunterschiede zum Ausland.

(Bild: les)

zentralplus: Auch in der Politik ist es schwierig, den Durchblick zu behalten. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann und der Bauernverband liegen sich gewaltig in den Haaren. Fühlen Sie sich als Unternehmer manchmal missverstanden in dieser Diskussion? 

Riedener: Missverstanden sollte man sich nie fühlen, sonst muss man sich einfach besser erklären. In der Landwirtschaftspolitik und auch im Milchmarkt reden enorm viele mit. Nicht alle sind gleich gut informiert. Deshalb muss man die Basics immer wieder erklären. Wir produzieren mehr Milch als wir brauchen, deshalb müssen wir exportieren. Weil wir dafür offene Grenzen brauchen, werden auch Produkte in die Schweiz importiert und drücken hier den Preis. Die Milchwirtschaft ist eine sehr marktorientierte Branche. Im Gegensatz etwa zur geschützten Fleischbranche. Mehr Einflussfaktoren bringen aber halt auch Nervosität in den Markt.

«Die Milchwirtschaft ist sich einig, dass der Zugang zu ausländischen Märkten mittel- bis langfristig gesichert werden muss.»

zentralplus: Sie plädieren also für mehr Freihandelsabkommen?

Riedener: Wir müssen Milchprodukte exportieren. Und das zu möglichst guten Preisen. Dafür eignet sich Käse am besten. Unser grösster Konkurrent ist die EU. Also müssen wir gegenüber der EU gleich lange Spiesse anstreben. Der Absatzkanal für Schweizer Käse muss möglichst breit aufrecht erhalten bleiben. Dazu gehört auch das Mercosur-Thema, also der Marktzugang zum südamerikanischen Raum. Die EU kann auf internationalen Märkten mehr Druck ausüben, das haben wir etwa beim Marktzugang nach Kanada gesehen. Sie sorgt sich um ihre Absatzmöglichkeiten, das sollte die Schweiz auch tun.

zentralplus: Die SVP gilt bekanntlich als Bauernpartei. Sie setzt aber auf Abschottung. Eigenartig.

Riedener: Man kann in dieser Diskussion keine Pauschalaussagen machen. Meine Argumente gelten für die Schweizer Milchwirtschaft. Diese macht lediglich 25 Prozent der Schweizer Landwirtschaft aus. Und dieser Markt ist am meisten geöffnet. Die Milchwirtschaft ist auch die einzige Branche, in der wir mit Produkten ins Ausland müssen. Was einfach nicht funktioniert, ist zu sagen, wir wollen raus, aber keiner darf rein. Die Milchwirtschaft ist sich einig, dass der Zugang zu ausländischen Märkten mittel- bis langfristig gesichert werden muss. Für andere Teilbereiche der Landwirtschaft wird dies nicht gelten.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Die Kommentarfunktion für diesen Beitrag wurde deaktiviert.
0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon