Veganer machen Emmi-CEO Urs Riedener keine Sorgen

Er macht Luzerner Milchkühe zu Goldeseln

CEO Urs Riedener ist zufrieden mit der Performance der Emmi.

(Bild: les)

Die Luzerner Emmi trumpft immer wieder mit neuen Produkten auf: zuckerarme Joghurts oder proteinhaltige Milchshakes. Doch wann folgt ein nächster Kassenschlager wie das Caffè Latte? CEO Urs Riedener über Pläne, die Ski-Erfolge der Emmi-Botschafterinnen an Olympia und das legendäre Emmentaler-Skidress.

«Seine Präsentationen sind legendär», hiess es einst, als er noch bei der Migros tätig war. «Der beste Marketing-Chef der Schweiz», als er den orangen Riesen verliess.

Als «extrem karrieresüchtig» beschreiben ihn Kritiker. Als ungeduldig und einer, der mit seinem schnellen Denken viele überfordert.

Die Rede ist von Emmi-CEO Urs Riedener. Mit den neulich publizierten Geschäftszahlen überraschte er sogar die Analysten, die Aktie stand noch nie höher. Die grösste Schweizer Molkerei ist auf Kurs. Und der 52-jährige Ostschweizer hat grossen Anteil daran.

Seit 2008 steht Urs Riedener an der Spitze des Milchkonzerns. Die Emmi hat sich unter ihm strategisch neu ausgerichtet. Heute ist das Luzerner Unternehmen ein globaler Player und setzt jeden zweiten Franken im Ausland um: in Destinationen wie Chile, den USA, Tunesien oder Spanien.

zentralplus trifft Urs Riedener in Luzern. Ein kräftiger Händedruck, kurz ein Glas Wasser und los geht’s. Riedener wirkt nicht gestresst, aber er drückt aufs Gaspedal.

zentralplus: Urs Riedener, die Emmi befindet sich auf Kurs. Sie müssen glücklich sein?

Urs Riedener: (Lacht) Die Zahlen waren uns ja bereits bekannt. Sie sind gut – sogar mehr als gut – und so geht es mir auch.

zentralplus: Laktose-Intoleranz wird häufiger und alternative Ernährungsformen wie Veganismus liegen im Trend. Wenn weniger Milch getrunken wird, könnten die Zahlen bald düsterer aussehen.

Riedener: Klar, die Vielfältigkeit des Ernährungsverhaltens steigt. Wenn man auf Milch-Produkte verzichten will, sind die Alternativen gering. Oder anders ausgedrückt: Unser Job besteht darin, die Milchprodukte so attraktiv zu machen – etwa laktosefrei, dass es gar keine Alternativen braucht. International können wir sogar von einem Rückgang des Kuhmilch-Konsums profitieren, weil die erste Alternative zu Kuhmilch die Ziegenmilch ist und wir dort stark aufgestellt sind.

zentralplus: Das Produkt Caffè Latte war ein riesiger Erfolg. Aus dem Produkt einer Milchkuh wurde ein Goldesel. Wann kommt der nächste Kassenschlager?

Riedener: Diese Denkweise ist falsch. Natürlich haben wir immer wieder Innovationen, gerade bei den sogenannten Frischprodukten – also beispielsweise Joghurts und Drinks. Aber ein «neues» Caffè Latte machen zu wollen, ist der falsche Ansatz.

«Die Entwicklung bei Caffè Latte ist für die Entwicklung von Emmi ein Glücksfall.»

zentralplus: Weshalb?

Riedener: Für ein solches Erfolgsprodukt müssen so viele unplanbare Faktoren optimal zusammenkommen – das können Sie gar nicht planen. Aber wenn einem mal ein so grosser Wurf gelingt, dann gilt es, das Beste herauszuholen. Wir sehen bei Caffè Latte auch über zehn Jahre nach der Lancierung Wachstumspotenzial. Erstens weil Kaffee nach wie vor ein Trendprodukt ist und zweitens, weil wir – im Gegensatz zu den grossen Konkurrenten – mit frischem Kaffee arbeiten. Wir haben einen grossen Konkurrenzvorteil und diesen müssen wir in noch mehr Umsatz umsetzen. Erste Priorität hat also nicht, was wir alles noch neu machen könnten, sondern wie wir Caffè Latte im täglichen Leben von Konsumenten noch besser verankern können – europaweit.

zentralplus: Würden Sie das Produkt als Glücksfall bezeichnen?

Riedener: Innovationen kann man strategisch angehen, eine Erfolgsgarantie hat man aber nicht. Man muss den Nerv der Zeit treffen. Bei Caffè Latte hat alles gepasst. Obwohl uns zu Beginn viele wegen des kalten Kaffees belächelt haben.

zentralplus: Mit der Marke Caffè Latte ist man im Skisport als Sponsor und Partner unterwegs. Haben Sie die Auftritte von Wendy Holdener und Tina Weirather an Olympia nachts am TV mitverfolgt?

Riedener: In der Nacht stand ich nie auf. Aber ich verfolgte Olympia zeitversetzt. Es sind zwei sympathische Damen. Und es ist sehr erfreulich, dass sie so erfolgreich sind.

Tina Weirather (links) und Wendy Holdener sind Markenbotschafterinnen von Caffè Latte:


 

zentralplus: Sie kommen aus dem Marketing-Business, waren bis 2008 bei der Migros für diesen Bereich zuständig. Wie wär’s mit einem Revival des Emmentaler-Skidress aus den Neunzigerjahren?

Riedener: (erklärt sachlich) Über das Marketing entscheidet die Sortenorganisation Emmentaler. Ob sie die Swisscom als Dress-Sponsor verdrängen will und ob sie sich das leisten kann, müssen die Verantwortlichen selbst entscheiden.

zentralplus: Wäre das nicht ein toller Coup?

Riedener: (denkt kurz nach) Ich glaube, das war damals eine super Geschichte, weil sie mit verschiedenen Konventionen gebrochen hat. Ob Sachen, die 20 Jahre her sind, in neuer Auflage wieder funktionieren, betrachte ich kritisch. Die Innovation besteht darin, was man gut machte neu zu interpretieren. Das Gleiche wieder zu tun, ist selten eine gute Idee.

Urs Lehmann rast zu WM-Gold – im legendären Skianzug:

 

zentralplus: Es gab in Ihrer Zeit als Emmi-CEO auch Rückschläge. Ein Beispiel sind die YoBars. Die Joghurt-Take-away-Shops in Luzern und Zürich wurden nach nur einem Jahr wieder geschlossen (zentralplus berichtete). Wie gehen Sie mit Niederlagen um?

Riedener: (Prompt) Problemlos. Wir haben von Anfang an deklariert, dass es ein Experimentierfeld ist. Wir wären gerne erfolgreich gewesen, doch es ging auch um einen Lerneffekt. Beim direkten Kundenkontakt, dem Einbezug von technologischen Hilfsmitteln im Verkauf, bei Marketingaktivitäten oder der Produkt-Entwicklung konnten wir etwas lernen. Und auch wirtschaftlich hat’s etwas gebracht. Aus dem Projekt entstand eine Kooperation mit «MyMüsli», wir bringen jetzt gemeinsam Produkte in den Verkauf.

«Wenn man es nicht versucht, lernt man auch nichts.»

zentralplus: Jetzt reden Sie den Abstecher ins Take-Away-Business aber schön.

Riedener: Auch aus einem vermeintlichen Flop kann man etwas lernen. Die Frage stellt sich nur, ob man bereit dazu ist. Wir haben die beiden Shops schnell geschlossen, weil wir erkannten, es funktioniert nicht. Man muss über seinen Schatten springen. Ob ich die Yobars wieder eröffnen würde? Ich weiss es nicht. Vielleicht waren wir übermütig. Es standen jedoch alle dahinter und mit den Erfahrungen können wir durchaus weiterarbeiten.

zentralplus: Ist das Ihr Naturell? Muss man als erfolgreicher Unternehmer einfach den Mut haben, loszulegen? 

Riedener: Natürlich muss man immer analysieren, sonst geht man mit dem Geld nicht sorgfältig um. Je grösser der mögliche Schaden, umso besser muss man sich einen Entscheid überlegen. Aber es gibt auch Dinge, die lässt man am besten einfach laufen und minimiert laufend das Risiko. Wenn man von einer Idee überzeugt ist und eine Lernbereitschaft vorhanden ist, profitiert man sowieso. Wenn man es nicht versucht, lernt man auch nichts.

Wechselte von der Migros zur Emmi: Urs Riedener.

Wechselte von der Migros zur Emmi: Urs Riedener.

(Bild: zvg)

zentralplus: Die Emmi hat sich in vielen Tätigkeitsfeldern ausgeweitet: Man setzt auf Bio- oder Ziegenmilch und wirtschaftet in Ländern wie Tunesien und Chile. Wie geht’s weiter?

Riedener: Wir haben in der Schweiz einen sehr starken Heimmarkt. Diesen wollen wir pflegen. Gleichzeitig haben wir auch immer gesagt, die Konzentration in der Schweiz birgt Risiken. Grosses Wachstum ist nicht mehr möglich.

zentralplus: Wo sind die Grenzen der internationalen Tätigkeit?

Riedener: Ziel ist nicht, möglichst viele Länder in unser Portfolio zu holen. Wir sind überzeugt, mittelfristig in bis zu 17 Ländern ausserhalb der Schweiz aktiv sein zu können. Wo wir den Markteintritt geschafft haben, wollen wir erfolgreich sein und uns entwickeln. Mit Mexiko und Brasilien haben wir zwei neue, interessante Länder mit Wachstumspotenzial.

Hinweis: Es folgt in Kürze ein zweites Gespräch mit Urs Riedener über die Luzerner Bauern, den Milchpreis und die aussen- und wirtschaftspolitischen Forderungen des Emmi-CEOs.

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