Erstaunlicher Kundenauftrag in Zuger Gefängnis

Im Bostadel setzen böse Jungs Messer zusammen

Einmal jährlich findet in der Strafvollzugsanstalt Bostadel ein Konzert für Gefangene statt. Das stösst bei einigen Kantonsräten auf Unverständnis.

(Bild: wia)

In der Strafanstalt Bostadel in Menzingen sitzen die wirklich bösen Jungs ein. Und verdienen sich mit Arbeit ein Sackgeld. Wer nun aber glaubt, dass hier lediglich Körbe geflochten werden, irrt. Stattdessen montieren Gewaltverbrecher Messer, wie Recherchen von zentralplus zeigen. Messer in einer Strafanstalt? Wir haben nachgefragt.

Wer sich die Produktpalette im Webshop respektive der Boutique der interkantonalen Strafanstalt Bostadel zu Gemüte führt, kommt zum Schluss: Doch, diese Gefangenen müssen ganz schön fleissig sein! Über Geburtstafeln und Katzen-Villen bis hin zu Insektenhotels ist alles mit dabei im Angebot.

Hergestellt werden die Produkte in den sechs Werkstätten der Strafanstalt Bostadel in Menzingen. Die Betriebe umfassen die Bereiche Kartonage, Korbflechterei, Malerei/Ablaugerei, Metallbearbeitung, Montage sowie Schreinerei/Stuhlflechterei. Die Gefangenen stellen jedoch nicht nur Gegenstände her, die im Webshop und der Boutique angeboten werden.

Gefangene setzen Taschenmesser zusammen

Direktor Andreas Gigon bestätigt auf Anfrage: «Wir erhalten unsere Aufträge sowohl vom Gewerbe, als auch direkt von Privatkunden.» Diese Produkte landen entsprechend auch nicht im Shop. Einer dieser Kunden ist Peter Meyer und seine Firma Swiss Advance.

«Es ist Peter Meyer ein Anliegen, denen zu helfen, die einmal im Leben einen Fehler gemacht haben»

Urs Egli, Managing Director von Swiss Advance

Die Firma mit Sitz in Zug entwickelt und vermarktet Outdoor-Küchen-Produkte (zentralplus berichtete). Darunter sind auch Picknick- und Taschenmesser oder eine spezielle Grillzange. Das Taschenmesser beispielsweise wird in der Strafanstalt zusammengesetzt. Doch die Zusammenarbeit zwischen dem Bostadel und Swiss Advance ist weit tiefgreifender.

Helfen, wo andere einen Fehler gemacht haben

Urs Egli, Managing Director von Swiss Advance, erklärt dazu: «Bei Kundenbestellungen und unserem Online-Handel läuft alles über den Bostadel. Die Produkte werden auch alle dort verpackt.» Man sei mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden und es gebe keinen Grund, etwas an den Geschäftsbeziehungen zu ändern.

Damit lässt sich gut Weichkäse schneiden: Das Picknickmesser «Hippus«, hergestellt im Bostadel.

Damit lässt sich gut Weichkäse schneiden: Das Picknickmesser «Hippus«, hergestellt im Bostadel.

(Bild: zvg)

Initiiert wurde das Ganze von Peter Meyer, dem Manager und Gründer von Swiss Advance. Bereits kurz nach der Gründung des Unternehmens um die Jahrtausendwende sei Meyer auf das Bostadel zugegangen und habe bezüglich einer Zusammenarbeit angefragt, sagt Urs Egli stellvertretend. Meyer weilt momentan in den Ferien.

«Peter hat hohe soziale Standards. Es ist ihm ein Anliegen, auch denen zu helfen, die einmal im Leben einen Fehler gemacht haben», so Egli. So könnten auch sie bei der Resozialisierung ein Stück weit mithelfen. Neben Meyer und Egli ist lediglich eine weitere Mitarbeiterin in Vollzeit angestellt bei Swiss Advance.

Ein bis zwei Gefangene widmen sich den Messern

Laut Andreas Gigon montieren und verpacken momentan ein bis zwei Gefangene Picknick- und Reisebesteckmesser in der Montageabteilung für Swiss Advance. Wie lange ein Gefangener schon im Bostadel sitzt, habe keinen Einfluss darauf, in welchem Produktionsbetrieb er eingesetzt wird.

«Grundsätzlich können sämtliche Gefangenen im Normalvollzug, unabhängig von ihren Delikten, in allen Arbeitsbereichen eingesetzt werden» sagt Gigon, der seit gut drei Jahren Direktor ist. «Vorausgesetzt, diese bringen die nötigen Fähigkeiten mit», ergänzt er.

«Es werden alle Gefangenen nach der Arbeit systematisch auf metallische Gegenstände kontrolliert.»

Andreas Gigon, Direktor Strafanstalt Bostadel

Wie ist es um die Sicherheit der Gefangenen und Mitarbeiter im Bostadel bestellt? Klar, es werden keine Samurai-Schwerter hergestellt. Trotzdem stellt sich die Frage, ob bestimmte Massnahmen getroffen werden müssen. Ein Picknickmesser ist eben auch keine Katzen-Villa.

Sicherheitskontrollen wie am Flughafen

«Für alle Arbeitsbereiche gibt es Sicherheitsmassnahmen, die über die reine Arbeitssicherheit hinausgehen», sagt Gigon. «So werden beispielweise alle Gefangenen nach der Arbeit systematisch auf metallische Gegenstände kontrolliert, ähnlich wie man dies von Kontrollen am Flughafen kennt.»

Der neue Gefängnisdirektor Andreas Gigon

Andreas Gigon folgte als Direktor des Bostadels auf Linard Arquint.

(Bild: zvg)

Die Gefangenen sind gesetzlich dazu verpflichtet, während des Strafvollzugs zu arbeiten. Da stellt sich die Frage, wie motiviert die Gefangenen sind, in den Produktionsbetrieben mitzuwirken.

Wer arbeitet, darf fernsehen

Gigon dazu: «Die Gefangenen sind in der Regel froh, dass sie einer geregelten Arbeit nachgehen können und damit auch ein geringes Arbeitsentgelt verdienen können. Dieses wird unter anderem für Gesundheitskosten, Wiedergutmachung oder für die Miete eines TV-Geräts eingesetzt.»

Diese Crono-Taschenmesser werden von Gefangenen zusammengesetzt.

Diese Crono-Taschenmesser werden von Gefangenen zusammengesetzt.

(Bild: zvg)

Glaubt man Urs Egli, sind einige der Gefangenen besonders motiviert, die für seine Firma arbeiten. «Peter Meyer hat auch schon handgeschriebene Briefe von Gefangenen bekommen, die ihm gedankt haben für sein Engagement.» Einige hätten auch Produktvorschläge gemacht.

Es scheint, als wären die Gefangenen nicht nur fleissig, sondern denken auch noch mit.

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