Mietpreise kommen wegen Bauboom ins Rutschen

Luzern Süd: Jahrelange Leerstände bei Wohnungen erwartet

Wohnen beim Mattenhof mit Blick auf den Pilatus: In Luzern Süd zwischen Eichhof und Horw herrscht derzeit Bauboom.

(Bild: giw)

Tausende neue Wohnungen entstehen in den kommenden Jahren rund um das Kuonimattquartier in Luzern Süd. Doch der Bauboom schafft ein Überangebot: Zahlreiche Wohnungen werden wohl über Jahre leerstehen, schätzen Experten. Das sind gute Nachrichten für die Mieter.

«Das Kuonimattquartier ist ein ruhiges Wohnquartier im Grünen mit rund 2’000 Einwohnern, welche vorwiegend in Ein- und Zweifamilienhäusern wohnen.» So steht es auf der Webseite des Quartiervereins. Doch der gemütliche, dorfähnliche Flecken zwischen Horw, Kriens und Luzern erfährt grosse Veränderungen, mit der wohlgeordneten Ruhe ist es bald vorbei. Rund um das geographische Herz der Kuonimatt zieht sich derzeit ein regelrechter Gürtel aus Kränen und eine erste Generation Miethäuser steht bereits.

Auf dem Quartiergebiet sollen bald über fünf Mal soviele Menschen leben. Denn in den Gebieten Nidfeld, Mattenhof, Schlund, Eichhof und Horw entstehen 10’000 bis 15’000 Wohn- und Arbeitsplätze (zentralplus berichtete). Alleine die Grossüberbauung Schweighofpark im Schlund wird bis 2025 Platz für 1’200 bis 1’500 Personen bieten.

Preise zehn Prozent zu hoch

Bereits in diesem Frühjahr sollten die ersten neuen Nachbarn in das Quartiergebiet ziehen. So hoffen die Investoren. Doch ein Experte geht davon aus, dass die Suche nach Mietern schwierig wird. Christian Marbet, Präsident des Schweizerischen Verbandes der Immobilienwirtschaft Zentralschweiz (SVIT), rechnet damit, dass zahlreiche Wohnungen über Jahre nicht besetzt werden in Siedlungen wie dem Schweighofpark oder der anliegenden Mikropolis auf dem Mattenhof sowie im Nidfeld.

Das liege einerseits an den zu hohen Mietpreisen. Der Immobilienunternehmer schätzt am Beispiel Schweighof, dass diese mindestens rund zehn Prozent zu hoch angesetzt sind im Vergleich zum bestehenden Markt. Das Niveau liegt zu hoch über dem Marktpreis, womit potenzielle Mietinteressenten ausbleiben. Beim Schweighof setzt man auf nachhaltiges Wohnen. Marbet geht davon aus, dass dies nicht honoriert werde. «Die meisten Leuten sind nicht bereit mehr zu bezahlen, nur weil es sich um eine 2000-Watt-Siedlung handelt», sagt Marbet.

Mit der grossen Kelle angerührt

Erschwerend hinzu kommen die grossen Dimensionen für die beschauliche Region. «Das ist ein riesen Ding. Da werden Überbauungen realisiert in einem Ausmass, die der Wohnungsmarkt nicht so schnell absorbieren kann.» Ein enormes Plus an neuen Wohnungen, gleichzeitig entspannt sich die Lage für die Mieter: Im Jahr 2013 standen 0.7 Prozent aller Wohnungen im Kanton leer. Inzwischen kletterte diese Zahl 2017 auf 1.1 Prozent. Oder in absoluten Zahlen ausgedrückt waren 2’178 Appartements nicht bewohnt (siehe Diagramm).

Ein Überangebot auf dem Markt

Wer eine neue Bleibe sucht, wird deshalb tendenziell einfacher fündig als noch vor vier Jahren. Und nun werden Hunderte zusätzliche Wohnungen gebaut auf dem ehemaligen Schwemmland am Rande von Kriens: 300 Wohnungen im Mattenhof bis 2019, die Hälfte der 500 Wohnungen im Nidfeld bis 2021, rund 600 Wohnungen im Schweighof bis 2025 und insgesamt 520 im Zentrum von Horw die ebenfalls laufend fertiggestellt werden.

Wann die zusätzlich geplanten 250 Wohnungen in Eichhof West auf den Markt kommen, ist nicht gesichert. Das Projekt verzögert sich, weil hier das Bundesgericht über Einsprachen entscheiden muss. Und auf dem Areal Mattenhof II, wo die Pilatus-Arena entsteht, ist ausserdem ein Hochhaus mit rund 350 weiteren Wohnungen vorgesehen. Macht zusammen alleine für Luzern Süd über 2’500 neue Mietobjekte auf dem Immobilienmarkt – deutlich mehr Wohnungen als 2017 im gesamten Kanton Luzern überhaupt leerstanden. Und das sind noch lange nicht alle geplanten Grossprojekte rund um die Stadt Luzern.

Haben sich die Investoren verkalkuliert? «Nicht unbedingt, das Problem ist, dass der Immobilienmarkt immer nur mit einer zeitlichen Verzögerung – meist von Jahren – auf eine veränderte Nachfrage  reagieren kann», sagt Marbet. Die verschiedenen Überbauungen seien vor über zwei Jahren geplant worden, als das Wohnungsangebot knapper war. Jetzt würden die Projekte zu einem Zeitpunkt realisiert, bei dem bereits ein Überangebot bestehe. «Es gibt eine kleine Immobilienblase», sagt Marbet. Nicht nur in Luzern, sondern in der Gesamtschweiz.

So soll eine beispielhafte 2.5-Zimmer-Wohnung im Schweighof aussehen.

So soll eine beispielhafte 2.5-Zimmer-Wohnung im Schweighof aussehen.

(Bild: zvg / Schweighof.ch)

Sinkende Mieten möglich

Mitverantwortlich sei hier unter anderem die Nationalbank mit ihrer expansiven Währungspolitik zum Schutz der Exportwirtschaft, die für tiefe Zinssätze sorgt. Man habe damit das Problem in die Immobilienwirtschaft verschoben. Deshalb seien die Investoren in den vergangenen Jahren unter anderem auf Immobilien ausgewichen. Mit dem Resultat, dass nun zu viel gebaut wurde. Nun sinken die Erträge auf dem Immobilienmarkt.

Was die Geldgeber schmerzt, kommt den Mietern zugute. Marbet rechnet aufgrund des Überangebots in der Region Luzern mit gesamthaft fallenden Mieten von zwischen drei bis zehn Prozent. Aber nicht in der Innenstadt, sagt Marbet. «Das ist ein ganz anderer Markt, das bleibt eine begehrte Lage. Zu spüren bekommen werden es vor allem auch Überbauungen, die in der Agglomeration vor 20, 30 oder 40 Jahren gebaut wurden.» Da müssten die Vermieter den Bewohnern bei den Mieten vermutlich entgegenkommen, um diese nicht zu verlieren.

«Die Blase schmerzt nur, wenn sie platzt.»
Christian Marbet, Unternehmer und Immobilienexperte

Michael Trübestein, Experte für Real Estate an der Hochschule für Wirtschaft, teilt die Analyse von Marbet. «Die Bauvolumen sind tatsächlich extrem.» In Luzern handle es sich um einen Sonderfall, weil sich hier alles auf die Innenstadt konzentriere, und die könne kaum mehr wachsen. Auch Trübestein kann sich vorstellen, dass die Mietpreise sinken – und gar einzelne Bauvorhaben zurückgestellt werden. Er geht davon aus, dass bereits heute die Vermieter reagieren und bei einzelnen Projekten die Mieten nach unten korrigieren.

Immobilienmakler bleibt positiv gestimmt

Obwohl einige Investoren nun mit ausbleibenden Einnahmen rechnen müssen und gewisse Vermieter leiden würden, hielten sich die Probleme für die Geldgeber in Grenzen. Marbet sagt, letztlich sei es für die meisten Bauherren nicht allzu schmerzlich, wenn Wohnungen nicht vermietet werden können. «Leere Wohnungen kosten nichts, da die Zinsen extrem tief sind, der Schmerz der Blase ist also gering.» Die meisten Bauherren hätten diese Risiken miteinkalkuliert. Problematisch werde es nur, wenn entweder die Zinsen markant ansteigen oder die Wirtschaft einbricht. «Die Blase schmerzt nur, wenn sie platzt», sagt Marbet.

Michael Trübestein (Hochschule Luzern, links), Christian Marbet (Präsident SVIT), Thomas Peter (Arlewo).

Michael Trübestein (Hochschule Luzern, links), Christian Marbet (Präsident SVIT), Thomas Peter (Arlewo).

(Bild: zvg / Montage giw)

Thomas Peter, Inhaber von Arlewo, ist im Schweighof für die Vermarktung der Wohnungen zuständig. Er sagt: «Ich bin positiv gestimmt für das Areal.» Der direkte und schnelle Anschluss mit der S-Bahn in die Stadt spreche für den Standort. Allgemein die guten Anbindungen ans Strassen- und Velonetz mit dem neuen Freigleis und die ringsum vorhandenen Infrastrukturen machten den Standort attraktiv. Das gelte auch für das Velonetz über das Freigleis sowie das Strassennetz. Ausserdem seien junge Paare, die erstmals zusammen ziehen, sehr an Neuwohnungen interessiert, der Markt spiele hier.

Aufgrund des grossen Angebots von rund 320 Mietwohnungen, welche dieses Jahr fertiggestellt werden, und weil es sich um ein neues Entwicklungsgebiet handelt, sei gemäss Peter mit einer etwas längeren Vermarktungszeit zu rechnen. Auch die 350 Wohnungen in der Mikropolis Mattenhof werden bereits ab Mai 2018 vermarktet. Tatsächlich könne sich die Leerstandsquote etwas erhöhen und die Absorption der neuen Wohnungen länger dauern als früher, bestätigt die Investorin Mobimo. «Wir sind, was unser Projekt anbelangt, sehr zuversichtlich», sagt Sprechrin Marion Schihin. Bei Mobimo geht man deshalb nicht davon aus, dass eine Mietsenkung nötig sein wird.

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