Zug: Unternehmer spricht über Integrationsprobleme

«Flüchtlinge brauchen mindestens das Wissen eines Realschülers»

Arno Matter ist Patron seines eigenen Malergeschäfts in Baar.

(Bild: mbe.)

Der Baarer Malermeister Arno Matter hat eine andere Sicht auf Flüchtlinge und ihre Integration in die Arbeitwelt als viele seiner Kollegen. «Ich möchte von ihnen profitieren und ihr Know-how nutzen», sagt er. Doch momentan hat er niemanden mehr beschäftigt aus dem Sozialbereich. Und das hat seine Gründe.

Der Arbeit kommt eine zentrale Rolle zu bei der Integration von Flüchtlingen. Das Flüchtlingsthema wird von den Politikern «bewirtschaftet», von staatlichen Stellen und sozialen Institutionen.

Doch was sind die Erfahrungen der Wirtschaft? Und vor allem von Chefs, die Erfahrungen haben mit Praktika oder der Festanstellung von Flüchtlingen. Ein Baarer Unternehmer war bereit, mit zentralplus zu reden.

«Es gibt viele Player auf dem Feld, die momentan versuchen, ihre Schützlinge zu positionieren», sagt Arno Matter (43) zum Thema Flüchtlinge. Sein Malergeschäft, das er 2003 von seinem Vater übernahm, war lange ein solcher Player.

Betrieb mit sozialer Ader

Der Handwerksbetrieb hat die letzten 50 Jahre neben der Lehrlingsausbildung auch immer wieder soziale Aufgaben wahrgenommen und Menschen am Rand der Gesellschaft eine Chance gegeben. «Nicht immer zur Begeisterung meiner Mitarbeiter übrigens», sagt Matter. Ex-Junkies, Menschen mit psychischen Problemen, Flüchtlinge wirkten im Betrieb mit.

In letzter Zeit habe es aber ein Mass angenommen, bei dem er und seine Mitarbeiter nicht mehr bereit seien, den Extraaufwand für die Betreuung auf sich zu nehmen. «Ich habe einen Leistungsauftrag, und wir müssen schliesslich Geld verdienen», sagt Matter.

«Sie sind ja nicht dümmer oder gescheiter als wir.»
Arno Matter, Malermeister, Baar

Zu wenige Fachleute in Handwerksberufen

Dabei gäbe es durchaus Bedarf für neue Fachleute. «In Handwerksberufen gibt es ein Rekrutierungsproblem», erklärt er. Es gäbe zu wenig Nachwuchs. Deshalb rekrutiere man schon länger fertig ausgebildete Fachleute aus dem Ausland, vor allem im deutschsprachigen Raum.

Die Flüchtlinge seien ein weiterer potenzieller Pool für Arbeitskräfte. «Sie sind ja nicht dümmer oder gescheiter als wir», sagt der Malermeister. In aller Regel seien es jedoch keine ausgebildeten Leute und sie müssten deshalb zuerst in den Beruf eingeführt werden.

Das ist mit Aufwand verbunden.«Dazu kommt die fehlende sprachliche Ausbildung. Wenn man nicht miteinander reden kann in einem Geschäft, wird’s schwierig», sagt Matter. Und es brauche überdies ein gesellschaftliches Grundwissen über die Regeln in unserem Land. Das fehle eben oft.

«Dass Frauen gleiche Recht wie Männer haben in der Schweiz, ist nicht diskutabel.»

Frauen nicht akzeptiert

Er nennt Beispiele. Er habe einmal einen Türken und einen Syrer beschäftigt, der eine in den 20er-, der andere in den 40er-Jahren. Sie seien nicht aufgefallen im Betrieb und arbeiteten gut. Beide hatten aber ein Problem damit, die Anweisungen von Frauen zu befolgen. «Sie wollten nicht auf die Malerinnen hören.» Dass Frauen gleiche Recht wie Männer haben in der Schweiz, sei aber nicht diskutabel.

Arno Matter und seine Projektleiter beim Znüni.

Arno Matter und seine Projektleiter beim Znüni.

(Bild: mbe.)

Ein Afrikaner, der wegen der Liebe in die Schweiz kam und bei Matter arbeitete, hatte Mühe mit der Anerkennung von Hierarchie und Autorität. «Mich hat er als obersten Chef akzeptiert. Aber nur mich», sagt Arno Matter. Das alles seien zwar lösbare Probleme für einen kleinen Betrieb. «Aber man merkt bei vielen Immigranten, dass sie gar nicht richtig da sind», erklärt der Patron.

Kunden sind anspruchsvoller

Es gebe aber auch unterschwellige Probleme. Zum Beispiel wegen der unterschiedlichen Umgangsformen. «Unsere Maler müssen oft bei den Kunden zu Hause arbeiten.» Früher habe die Kundschaft eher akzeptiert, wenn ein Lehrling – oder eben ein Flüchtling – mitarbeitete. «Heute heisst es oft: Bringt mir einen guten und fachlich gut ausgebildeten Mann.» Die Selbstbezogenheit der Leute und die Tendenz, für sich nur das Beste zu wollen, habe stark zugenommen.

«Die Flüchtlinge brauchen mindestens das Grundwissen eines Realabschlusses in der dritten Klasse. Ich sage immer, bevor sie dieses Grundwissen nicht haben, sollte man sie nicht auf die Wirtschaft loslassen.»

Matter ist der Meinung, dass es zur erfolgreichen Integration von Flüchtlingen in die erste Arbeitswelt an vielem hapert. «Es braucht meiner Meinung nach das Grundwissen eines Realabschlusses in der dritten Klasse.» Das sei aber ein Problem bei den 15 bis 25 Jahre alten Asylbewerbern. Sie seien nicht mehr schulpflichtig und auch nicht mehr schulberechtigt. «Ich sage immer, bevor sie dieses Grundwissen nicht haben, sollte man sie nicht auf die Wirtschaft loslassen.» Ansonsten dümpelten sie irgendwo in einem Praktikum daher oder in einem Arbeitseinsatz, ohne recht weiterzukommen. Das sei für beide Seiten nicht befriedigend.

Arno Matter hat den Familienbetrieb 2003 übernommen und ist auch Präsident des Gewerbevereins Baar.

Arno Matter ist auch Präsident des Gewerbevereins Baar.

(Bild: mbe.)

Die Kritik ist nicht gegen die Flüchtlinge als Personen gerichtet. Im Gegenteil: Matter ist recht offen und neugierig ihnen gegenüber. Der Gewerbler ist in der Schulkommission der Gemeinde Baar. Jemand habe einmal gesagt, warum man eigentlich nicht frage, was wir von den Flüchtlingen profitieren könnten – statt sie nur immer als Problem zu sehen. Arno Matter: «So denke ich heute auch.» Es gehe darum, «ihr Know-how rauskitzeln». «Die einen haben Erfahrungen mit Entbehrungen und Hunger, die uns interessieren könnten. Ein anderer hat vielleicht als Kuhhirt in einem Dürregebiet gearbeitet. Wir haben auch immer mehr Trockenheit hier, und dieses Wissen könnte uns nutzen.»

Lichterkette und schräge Blicke in der «Braui»

Arno Matter hat auch schon privat Projekte mit Asylbewerbern realisiert. So leitete er am Anfang ehrenamtlich den Bau des Baarer Advents-Lichterwegs beim Schiessstand. Am Anfang bauten er, Silvan Meier und Kollegen den Weg. Später halfen Personen aus verschiedensten Nationalitäten beim Aufstellen.

«Wir waren eine Gruppe mit zwei Eritreern, einem Syrer, einem Philippino und mir. Ich war sehr beeindruckt, wie ein Syrer jeden Pfosten mit Keilen stabil im Boden verankerte», erinnert sich Matter. Später fand er heraus: Der Mann war ein Ingenieur. Nach dem Abschluss der Arbeit ging die Gruppe in die «Braui» etwas trinken. Matter wollte von jedem wissen, was er früher gemacht hatte und was seine Stärken sind. So ergab sich folgendes Bild: Der Gewerbevereinspräsident am Tisch mit Flüchtlingen. «Sie hätten die Blicke der anderen Gäste sehen sollen», sagt Matter und lacht.

In Arbeitsgruppen Lösungen suchen

Matter beschäftigt zwar momentan niemanden mehr aus dem Flüchtlingsbereich. Er engagiert sich aber in Arbeitsgruppen, welche die Integration in die Wirtschaft erleichtern wollen. Die eine ist in der Zuger Bildungsdirektion, die andere bei der Direktion des Innern angesiedelt.  «Meiner Meinung nach braucht es eine Leistungsanforderung für Arbeitskräfte. Und eventuell einen Vertrag.»

Einen guten Ansatz findet Arno Matter die vom Bund eingeführte Integrationsvorlehre. Dabei ist ein Flüchtling ein Jahr lang im Betrieb. Er oder sie arbeitet drei Tage und besucht an zwei Tagen die Schule. Allerdings findet der Baarer, dass der Betrieb dafür entlöhnt werden müsste. Heute müsse er bezahlen.

Arno Matter ist nicht knausrig. Er ermöglichte einmal einem jungen Türken, der von Sozialhilfe abhängig war, ein Arbeitspraktikum. Nach einigen Tagen merkte Matter, dass er nicht motiviert war zu arbeiten. Der Grund: «Wir zahlten ihm 480 Franken pro Monat. Davon musste er 300 wieder abgeben, blieben 180 Franken für ihn.» Er bemerkte gegenüber der Betreuerin, dass dieser Lohn nicht angemessen sei.

Diese reagierte erstaunt. Sie meinte, er fände ihn zu hoch. Aber Matter fand ihn zu tief. «Man hätte ihm mindestens 1’800 Franken im Monat zahlen müssen, damit er motiviert gewesen wäre, den ganzen Monat zu arbeiten.» Und dann hätte man schauen müssen, dass er das Geld nicht gleich den Verwandten schicke. Er habe zwar gut gearbeitet. Aber wegen fehlender Deutschkenntnisse wurde dann doch keine Festanstellung daraus.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


2 Kommentare
  • Profilfoto von zombie1969
    zombie1969, 25.11.2017, 19:18 Uhr

    Die Linken, Grünen und NGO-Mitglieder sollten verpflichtet werden, Patenschaften für die angeblichen «Flüchtlinge» zu übernehmen. Im Moment klopfen sie sich nur selbst auf die Schulter für ihre vermeintliche moralische Überlegenheit, bürden aber die Last, Kosten und Verantwortung für die Migranten ohne Einwanderungsberechtigung und realistische Chancen auf das erhoffte Wohlleben in Europa den Steuerzahlern auf.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 25.11.2017, 12:33 Uhr

    Sehr geehrter Herr Matter,
    Erstens mal, Chapeau vor ihrem sozialen Engagement. Nicht jeder Arbeitgeber ist willens, Leuten die am Rande der Gesellschaft stehen eine Chance zu geben.
    Ich gebe ihnen recht ohne einen «Grundstock» an Ausbildung macht es keinen Sinn Flüchtlinge zu beschäftigen. Da ist aber auch das Problem, dass viele Flüchtlinge meinen, diese Mindestanforderungen zu erfüllen, es aber offensichtlich eben Diskrepanzen zwischen dem Schulwissen in der Schweiz und dem ihrer Herkunftsländern gibt.
    Ich wünsche Ihnen nun weiterhin ein gutes Händchen und viel Geduld mit dem «Experiment» Flüchtlinge und Randständige als Arbeitnehmer…

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon