Medienexperten vermuten politische Strategie

Was Blochers Zeitungs-Coup für die Zentralschweiz bedeutet

Politiker, Milliardär, SVP-Übervater und Medienmogul: Christoph Blocher (Bild) hat über die Baz Holding auf einen Schlag 25 Gratiszeitungen in der Schweiz gepostet.

(Bild: Montage pze)

Mit dem Kauf des Gratiszeitungs-Verlags der Familie Zehnder gelangt SVP-Übervater Christoph Blocher auf einen Schlag in den Besitz von 25 Gratiszeitungen. Darunter die «Luzerner Rundschau» und die «Zuger Woche». Reaktionen von Medienexperten und den Verlagen auf den Medien-Coup.

Die Baz Holding übernimmt rückwirkend per 1. Januar 2017 von Andreas und Jacqueline Zehnder die Zehnder Regiomedia sowie von Rolf Peter und Trudy Zehnder die Zuger Woche (zentralplus berichtete). Neuer CEO ist Rolf Bollmann. Die «Luzerner Rundschau», die bisher zu den Zehnder-Blättern gehörte,  hat eine Auflage von 63’280; die «Zuger Woche» eine solche von 49’118 Exemplaren.

MAZ-Direktor nicht überrascht über Coup Blochers

«Mein Ziel sind eine Million Leser!», sagt Bollmann zum Coup in der Medienbranche (siehe Box). Was aber meinen unabhängige Stimmen zu Blochers neustem Medien-Shopping? Diego Yanez, Direktor des Medienausbildungszentrums (MAZ), sagt auf Anfrage, er sei überrascht über den Verkauf der Zehnder-Medien. «Übernahmen passieren meistens, wenn es einer Firma schlecht geht. Das ist meines Wissens hier nicht der Fall.»

Nicht überrascht ist Yanez, dass die Baz Holding mit Christoph Blocher im Hintergrund die Gelegenheit ergreift. «Die kleinen Produkte mit hoher Auflage können eine gewisse Kraft darstellen», sagt der MAZ-Direktor, «es gibt sicher einen Willen von Blocher, publizistisch neben der Basler Zeitung in der Schweiz noch mehr Fuss zu fassen.»

«Jetzt hat er mit Zehnder ein offenbar ideales Kaufobjekt gefunden.»
Nick Lüthi, Redaktionsleiter der «Medienwoche»

Diese Einschätzung teilt auch Nick Lüthi, Redaktionsleiter der Branchenzeitung «Medienwoche». «Ziel des Kaufs ist es, die Stellung der Blocher-Medien zu stärken», sagt er auf Anfrage, «Christoph Blocher hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihm die Baz allein nicht genug ist. In den letzten Jahren war etwa von den Plänen einer Sonntagszeitung die Rede, Gerüchte kursierten auch, er wolle der Tamedia einzelne Titel abkaufen – jetzt hat er mit Zehnder ein offenbar ideales Kaufobjekt gefunden.»

Politisch eher rechts positioniert

MAZ-Direktor Diego Yanez schätzt die Relevanz der «Luzerner Rundschau» und weiterer Gratiszeitungen aus dem Hause Zehnder als gering ein. «Bei zentralplus und der Luzerner Zeitung spüre ich ein ernsthaftes Bemühen, die Region journalistisch abzudecken. Diesen Eindruck hatte ich nicht bei meinen wenigen Einblicken in die ‹Luzerner Rundschau›.» Ein Grund: Die Kapazität fehlt: Bei den Zehnder-Blättern arbeiteten «Mini-Redaktionen».

«Gefällige Blättli insgesamt: Viel Gesellschaft, lokale People, ein bisschen Politik, viel Service.»
Nick Lüthi, Journalist

Nick Lüthi sieht das ein wenig anders. Auf unsere Frage, ob die bisherigen Zehnder-Blätter nun vermehrt als SVP-Kampfblätter benutzt würden, meint er, das sei gar nicht nötig. «Manche Zehnder-Blätter stehen schon auf der rechten Seite. Dieser Ruf rührt vor allem von einem Autor her – Charly Pichler, Kürzel: pic –, ist Kolumnist aller Zehnder-Blätter und legt oft ziemlich weit nach rechts aus», so Lüthi.

Pichler für aggressive Schreibe bekannt

Das Onlineportal Watson schrieb dazu: «Die Zehnder-Gruppe fällt nicht das erste Mal im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit auf, und der Behauptung, bewusst erfundene Geschichten zu verbreiten. Charly Pichler, journalistisches Faktotum der Zehnder-Gruppe, der auch schon der verlängerte journalistische Arm der Verlegerfamilie genannt wurde, ist für seine aggressive Schreibe bekannt.» (siehe auch Links rechte Spalte).

Auf unsere Frage, wie er die redaktionellen Inhalte der Anzeigenblätter umschreiben würde, meint Nick Lüthi, die Zehnder-Zeitungen entsprächen in ihrer Mehrheit dem Typus der regionalen Wochenzeitung, wie es sie in der ganzen Schweiz in grosser Zahl gebe. «Viel Gesellschaft, lokale People, ein bisschen Politik, viel Service», charakterisiert Lüthi diese Art von Blättern. Es seien «gefällige Blättli insgesamt». Mit den erwähnten Ausreissern nach rechts.

Und was sagen die betroffenen Verlage?

Die Mitarbeiter der «Luzerner Rundschau» und der «Zuger Woche» wurden am Mittwoch über die Änderung der Besitzerschaft informiert. Stellungnahmen der Redaktionsleiter oder der Journalisten waren nicht erhältlich. Bei der «Zuger Woche» verweist man auf Anfrage an Rolf Bollmann in Basel für Informationen.

«Auf den Punkt gebracht, machen wir alles, was die Tageszeitungen nicht machen.»
Martin Plazzer, Geschäftsführer «Luzerner Rundschau»

In Luzern gibt man sich weniger zugeknöpft, auch wenn einige Aussagen wieder zurückgezogen wurden. Geschäftsführer Martin Plazzer sagte gegenüber zentralplus zur Frage der heutigen politischen Ausrichtung der «Luzerner Rundschau»: «Unsere Berichterstattung fokussiert sich auf lokale und regionale Events und Aktualitäten, die mit Politik nicht gross oder gar nicht im Zusammenhang stehen.»

Man stelle «Leute wie du und ich« vor, verfolge das lokale Sportgeschehen, berücksichtige auch Randsportarten. «Auf den Punkt gebracht, machen wir alles, was die Tageszeitungen nicht machen.»

Parteipolitisch unabhängig

Die Redaktionen würden wie im bisherigen Rahmen tätig sein, also parteipolitisch unabhängig und die Inhalte selber bestimmen, so Plazzer. Reaktionen von Lesern habe die Zeitung bisher keine bekommen. «Die werden erwartungsgemäss im Verlaufe der Woche kommen», sagt der Geschäftsführer. Lesereinbussen befürchtet er keine wegen des Besitzerwechsels. «Am Schluss werden wir mit der gleichen Qualität und dem gleichen Engagement wie in den letzten 20 Jahren vor Ort lokal tätig sein.»

Zur Frage, was sich allenfalls für Redaktion und Verlag ändern könne, verweist Plazzer an Rolf Bollmann in Basel. «Das müssen sie unseren neuen CEO Herr Bollmann fragen, der mit grosser Wahrscheinlichkeit eine profitable Strategie in der Pipeline hat.»
Bollmann war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar und ein Mail an den CEO blieb bis jetzt unbeanwortet.

«Herr Blocher und ich glauben weiterhin an die Kraft des gedruckten Wortes»

In einem Interview gegenüber persoenlich.com sagt der neue CEO Rolf Bollmann: «Herr Blocher und ich glauben weiterhin an die Kraft des gedruckten Wortes.» Man kaufe die Zehnder-Medien nicht etwa, weil sie schlecht liefen. Sie hätten in den vergangenen fünf Jahren sogar ein leichtes Medienwachstum im Inseratenmarkt verzeichnet. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Die Rede ist davon, die neuerworbenen Lokalzeitungen, «wenn notwendig, journalistisch auszubauen». Für diesen Ausbau habe der Familie Zehnder die grössere Finanzkraft gefehlt. «Wir haben diese», sagt Bollmann, gegenüber dem Verleger und Chefredaktor des Onlineportals, Matthias Ackeret. Dieser interviewt den Ex-Bundesrat regelmässig auf Teleblocher.ch.

Zehnder beschäftigt momentan rund 200 Mitarbeiter in elf Aussenbüros. «Mein mittelfristiges Ziel ist es, die Leserschaft auf eine Million Leserinnen und Leser zu erhöhen», erklärt CEO Bollmann. Zur Frage von Ackeret, ob die Zeitungen durch den Kauf zum SVP-Kampfblatt werden, meint Bollmann, «nationale Politik wird in den Lokalzeitungen keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der Hauptfokus liegt im Lokalen.»

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