Hagendorn: Bierbrauer verewigen sich

Craft-Bier: Wer es erfunden hat, darf auf den «Walk of Fame»

Verewigt sich in Lehm: Martin Uster, Geschäftsführer der Brauerei Baar.

(Bild: Andreas Busslinger)

Die Craft-Bier-Bewegung schwappt voll auf den Kanton Zug über. Das tut sie auch an anderen Orten, aber nur hier gibt es ab jetzt auch einen «Walk of Fame» für Bierbrauer. Zu Recht, denn in Baar wohnt ein Vorreiter der Bewegung.

Das Ziegelei-Museum in Hagendorn zeigt alte Handwerkkunst und war am Donnerstag Schauplatz einer cleveren Werbeaktion der Schweizer Kleinbrauereien. Die Interessengemeinschaft unabhängiger Schweizer Brauereien richtete hier einen «Walk of Fame» des Craft-Biers ein. Die Botschaft, die transportiert werden soll: Craft-Bier, das kommt in der Schweiz vor allem von den 30 Brauereien der IG. (Was all die Mikro- und Heimbrauereien ausblendet, aber davon später mehr.)

Die Macher des «Quöllfrisch» aus Appenzell oder des «Chopfab» aus Winterthur stehen mit breiter Brauerschürze parat, um ihre Pranken in den weichen Lehm zu drücken. Daraus werden Ziegel für den «Walk of Fame» gebrannt, während die Zuger Regierungschefin Manuela Weichelt ein Passionsfruchtbier verköstigt und sich mit dem Baarer Brauer Kurt Uster unterhält.

«Think global, drink local»

Kurt Uster ist der Seniorchef der Brauerei Baar und so etwas wie ein Vorreiter der Craft-Bier-Bewegung. Er hatte bereits Anfang der 1990er-Jahre mit dem genialen Spruch «Think global, drink local» für seine Produkte geworben – etwas, was trefflich die Mentalität aller Craft-Bier-Macher der Gegenwart beschreibt. «Damals begann die Zeit der Globalisierung», erzählt Kurt Uster, «und wir wollten zeigen, dass wir auch noch da sind», sagt der frühere Präsident der Interessengemeinschaft. «Das Craft-Bier kam aber erst später.»

Kurt Uster.

Kurt Uster.

(Bild: Andreas Busslinger)

Es kam aus Nordamerika, als Gegenbewegung der Klein- und Hobbybrauer gegen die Konzentration der Grosskonzerne. «In den USA gab’s ja eine Zeit lang praktisch nur noch Budweiser und Miller», so Uster. Mittlerweile ist die Welle nicht nur auf Europa übergeschwappt, es hat auch in den USA Spezialitätenbrauereien richtig gross werden lassen, etwa die Boston Beer Company mit ihrer Marke «Samuel Adams».

Mehr oder weniger handgemacht

«In den USA gilt ein Bier bis zu einem Ausstoss von 6 Millionen Hektolitern noch als Craft-Bier», sagt sein Sohn Martin Uster, der Geschäftsleiter der Brauerei Baar. «Das ist mehr, als in der Schweiz im ganzen Jahr an Bier getrunken wird.» Doch eigentlich hat Craft-Bier nichts mit der Menge zu tun, es bedeutet einfach handwerklich hergestelltes Bier. Gemeint sind damit mehr oder weniger handgemachte Bierspezialitäten, wie es sie im Kanton Zug an mehreren Orten gibt – zum Beispiel in Baar, beim grössten lokalen Produzenten.

«Bier ist ein Volumengeschäft», sagt Martin Uster. Auch beim Baarer Bier mache das in der Schweiz am meisten getrunkene Lagerbier 70 Prozent des Absatzes aus. «Wir brauchen es, so wie man Brot braucht, um nachher Butter draufzuschmieren.» Die Butter sind im Fall von Uster die Spezialbiere, von denen die Brauerei einige permanent im Sortiment hat, andere saisonweise lanciert. Aktuell im Angebot ist das «Morgerot», das als würziges Rotbier gut zum 1. August passt. «Wir haben es bei einem Branchentreffen in Nürnberg kennengelernt», erzählt Uster. «Dort ist es typisch.» Wenn es in ein, zwei Monaten ausverkauft sei, lanciere man ein Festbier.

Die unabhängigen Brauer der Schweiz verewigen sich im Lehm des Ziegeleimuseums Hagendorn.

Die unabhängigen Brauer der Schweiz verewigen sich im Lehm des Ziegeleimuseums Hagendorn.

(Bild: Andreas Busslinger)

«Belebt das Geschäft»

«Der Spassfaktor beim Entwickeln dieser neuen Biere ist enorm hoch», sagt Martin Uster. «Das macht so richtig Freude.» Aber es ist auch eine Notwendigkeit für die Vermarktung. «Natürlich spüren auch wir den Wettbewerb durch die vielen Mikrobrauereien», sagt Uster. Die schiessen wie Pilze aus dem Boden. Wegen ihnen muss eine arrivierte Brauerei wie jene von Uster dauernd neue Bier schaffen. «So nehmen uns die Kunden weiterhin als innovativ wahr.»

«Natürlich spüren auch wir den Wettbewerb durch die vielen Mikrobrauereien.»

Martin Uster, Brauerei Baar

Kurz erklärt: Untergärig und obergärig

Untergäriges Bier gärt bei Temperaturen von 4 bis 9 Grad. Ohne Kühlgeräte kann man es deshalb nur im Winter brauen. Die Hefen setzen sich am Boden ab, deshalb der Name. Das Resultat sind eher milde Biere, die dem Geschmack breiter Schichten entsprechen. Vier von fünf Gläsern Bier, die getrunken werden, sind untergärig, die Produkte eher die Domäne von grossen Brauhäusern. Lager, Spezialbier (Pils), aber auch gewisse Starkbiere sind untergärig. 

Obergäriges Bier gärt bei 15 bis 20 Grad, die Hefe schwimmt dabei an der Oberfläche auf, deshalb der Name. Obergäriges Bier kann man auch bei wärmeren Temperaturen brauen. Obergäriges Bier hat in der Regel einen intensiven Geschmack. Weissbier, viele belgischen Bierspezialitäten, aber auch das englische Ale sind obergärig. Das absolute Modebier der Craft-Bier-Bewegung ist das Indian Pale Ale (IPA) – ursprünglich ein vom britischen Militär gebrautes Starkbier mit sehr viel Hopfen, das für die Kolonien in Indien haltbar gemacht werden musste.

«Mikrobrauer gibt es eigentlich schon lange», sagt Kurt Uster. «Aber früher haben sie ihr Bier nicht abgefüllt und verkauft, sondern selbst getrunken.» Mittlerweile gibt es im Kanton Zug neben der Brauerei Baar mindestens fünf Erzeuger, die ihr Bier auch verkaufen (siehe Kasten). Von Konkurrenz will Martin Uster dennoch nicht sprechen. «Sie sind eine Bereicherung», sagt er, «sie beleben das Geschäft.» Man kenne sich, stehe in gegenseitigem Austausch – «auch wenn ein gewisser Abstand bestehen bleibt.»

Kühltechnologie kostet viel

Das gute Einvernehmen der Zuger Biermacher mag damit zusammenhängen, dass die Mikrobrauer meist nicht in der Lage sind, untergäriges Bier herzustellen, und deshalb obergärige Sorten brauen. Erstens weil es in der Craft-Szene hipp ist und zweitens weil es für obergäriges Bier keine aufwendige und teure Kühltechnologie braucht, sondern nur ein Plastikfässli, das man auf den Estrich stellen kann (siehe Box).

Die Brauerei Baar hingegen setzt ausschliesslich auf untergäriges Bier. «Dass wir in Zukunft ein Weizenbier oder ein ein modisches IPA lancieren, ist mehr als unwahrscheinlich», sagt Martin Uster. «Unsre Gärbottiche sind offen und nicht dafür geeignet.» Und was ist mit einem Bockbier? «Ja natürlich, wir probieren immer wieder Neues aus, sagt er. «und ändern die Rezepturen unserer saisonalen Spezialitäten auch ab.» 

Nicht immer leicht zu finden: Hersteller von Craft-Bieren im Kanton Zug

Brauerei Baar. Mittelgrosse Brauerei im Familienbesitz, gegründet 1862. In Supermärkten erhältlich sind das Lager-Bier sowie das Spez (Goldmandli). Sonstige Sorten sind in vielen Restaurants der Region Zug erhältlich sowie in gut sortierten Getränkemärkten. zentralplus-Sortenempfehlung für Liebhaber: Erdmandli Amber-Bier, Goldmandli Dunkel (ein Spez) sowie das helle Bügel-Spez.

Bachweg Brewing, Menzingen. Coole, angelsächsisch angehauchte Craft-Brauerei. Vier Leute aus Unterägeri, Sattel und Luzern brauen hier alles Mögliche, inklusive dessen, was Gott und das deutsche Reinheitsgebot verboten haben. Im Klartext: Ausser Wasser, Hopfen und Malz werden teilweise auch Gewürze in die Sorten gemischt. Bachweg Brewing ist am Samstag zur Degustation offen. Im zentralplus-Einzugsgebiet gibt’s das Bier im Casillo Getränkemarkt in Baar, im Cheers in Baar und im Restaurant Parterre in Luzern.

An Phantasie mangelt's nicht: Biere der Bachweg Brewing. 

An Phantasie mangelt’s nicht: Biere der Bachweg Brewing. 

(Bild: zwg)

Einhorn Bräu, Hünenberg Craft-Brauerei von Alfred Niklaus in der Stadelmatt. Vier Sorten Spezialbier, darunter ein Weizenbier. Am Samstag Rampenverkauf. Niklaus bietet auch Braukurse an.

Abi Abi Brauerei, Cham. Hersteller von «Chomer Bier». Die Brauerei hat diesen Monat offiziell eröffnet. In der Regel Weissbier und abwechselnde Sorten von obergärigem Spezialbier vorrätig. Das Bier gibt’s in der Badi Hirsgarten in Cham.

Eisbock, Zug. Drei Heimbrauer und Biersommeliers aus der Stadt Zug vertreiben unter der Marke «Noxx» ein Indian Pale Ale, das sie nach eigenem Rezept bei einem Störbrauer herstellen liessen. Qualitativ gut. Weitere Biere sollen folgen. Vorerst muss man fernmündlich oder elektronisch bei den Brauern bestellen (oder auf Facebook).

Schnellmanns Genusswelt, Steinhausen. Karin und Thomas Schnellmann vertreiben postalisch verschiedene Delikatessen, darunter unter der Marke Tom’s Home Brew auch ein eigenes Bier, das sie «Dark Pale Ale» nennen. 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Heinrich Vogelsang
    Heinrich Vogelsang, 27.07.2017, 21:50 Uhr

    Es wird nicht lange dauern, kommen auch die Grossbrauereien auf die Idee, Craft-Biere zu verkaufen. Valaisanne zum Beispiel macht Aprikosenbier und IPA und hat einen ziemlich aggressiven Marktauftritt. Die Craft-Brauer gehören aber zum Carlsberg-Konzern, genauso wie Feldschlösschen.

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