Veganer kommen im Bahnhof Zug auf ihre Kosten

Erstes Fazit: für Durchschnitts-Hipster eine gute Alternative

Der Präsident der Veganen Gesellschaft Schweiz, Raphael Neuburger (l.), reiste nach Zug, um den neuen Laden zu inspizieren.

(Bild: mbe.)

Am Dienstag ist im Bahnhof Zug der erste vegane und vegetarische Supermarkt der Schweiz eröffnet worden. Die Meinungen sind geteilt über dessen Authentizität. zentralplus hat sich mit einem Vorzeige-Veganer ein Bild des neuen Ladens gemacht.

Der Name «Karma» prangt unübersehbar über dem neuen Ladenlokal: Wo sich über Jahre das Café Spettacolo und der Kiosk befanden, im Erdgeschoss der Bahnhofshalle, ist jetzt auf 140 Quadratmetern eine Vielzahl an veganen und vegetarischen Produkten zu finden. Der erste Vegi-Supermarkt heisst gleich wie die schon existierende Marke des Grossverteilers (zentralplus berichtete).

Angeboten wird ein Vollsortiment. Das heisst, es gibt sowohl Produkte für den sofortigen Konsum wie auch für den täglichen Bedarf (siehe Box ganz unten). Zielgruppe des neuen Ladenkonzepts sind junge und «trendbewusste» Personen, die sich für gesunde und nachhaltige Ernährung interessieren. Ebenso Veganer, nebst Vegetariern und Flexitariern (Teilzeitvegetariern).

Für den Standort Zug hat sich Coop entschieden, weil der Detailhändler am Bahnhof ein Ladenlokal an einer Toplage fand. Ebenso hofft man auf die gute Zuger Kundschaft. In Zürich soll der zweite Laden folgen, wann und wo, ist aber offen, Zug ist also die Pionierstadt.

«Die haben ja nur die normalen Standard-Honige.»
Besucher Florian Kohler

Ein Pirat im «Karma»

Wie sind die Reaktionen der ersten Besucher? Sie schauen meistens nur rasch hinein und finden es interessant, dass da ein neuer Laden aufgeht, stöbern ein wenig und gucken da und dort in ein Regal hinein.

Zum Beispiel Florian Kohler, bekannt von der Piratenpartei Zentralschweiz. Er sucht einen speziellen Honig für seine Verlobte. Fehlanzeige. «Das sind ja nur die normalen Standard-Honige von Coop», sagt er enttäuscht.

Als er die Dosen mit der Aufschrift Erithrit und Xylit erblickt – ein Zuckerersatz –, spricht er von «Chemie». Und die Ovo sei ja auch nicht vegi. Kohler fügt noch hinzu, für «Durchschnitts-Hipster» sei der Laden sicher interessant, bevor er wieder weg ist.

Fabian Braschle (Mitte) besichtigt mit seinen Kollegen von der Kanti Zug den neuen Laden.

Fabian Braschle (Mitte) besichtigt mit seinen Kollegen von der Kanti Zug den neuen Laden.

(Bild: mbe.)

Coop-Monopol im Bahnhof

Fabian Braschle aus Oberägeri ist mit seinen Kollegen von der Kanti Zug hier. Sie frotzeln, ob es wohl auch unvegetarische Fruchtsäfte gäbe. Sie fänden den Laden voll okay, sagen sie. Einkaufen würde er aber nicht unbedingt hier, er sei kein Vegetarier. «Mir ist nicht klar, warum man diese Produkte nicht im oberen Coop integrieren konnte», sagt Braschle.

Und was meint Raphael Neuburger, der Präsident der Veganen Gesellschaft Schweiz*? Er besichtigte den Karma-Supermarkt in Zug mit zentralplus zusammen am Eröffnungstag.

zentralplus: Herr Neuburger, Ihr erster Eindruck als echter Veganer?

Raphael Neuburger: Der erste Eindruck ist, gelinde gesagt, recht begeistert. Einerseits finden wir das bestehende und sehr grosse vegane Sortiment von Coop an einem Ort gebündelt vor. Zusätzlich gibt es ein paar Highlights an Spezialitäten, die man bisher in der Schweiz nicht erhielt – oder nur in Veganläden.

zentralplus: Beispielsweise was?

Neuburger: Die vegane Tiefkühl-Pizza gab es bisher nicht zu kaufen. Im süssen Aufstrich-Bereich habe ich spannende Produkte auf Kokosbasis entdeckt. Bei den Grillsaucen ebenso. Oder das vegane Gipfeli; das gibt es zwar auch schon an anderen Orten, dass Coop dieses anbietet, ist aber sympathisch.

zentralplus: Helfen Sie mir als Nicht-Veganer, was ist denn «tierisch» an einem Gipfeli?

Neuburger: Die meisten Gipfeli werden mit Butter gemacht, manchmal haben sie noch einen Eianstrich. Von daher ist das eine Backware, die fast nie vegan ist.

«An so einer Frontfläche im Bahnhof besteht sicher ein Bedürfnis für alle, die sich gesund, nachhaltig und tierfreundlich ernähren wollen.»
Raphael Neuburger, Veganer

zentralplus: Die Veganer sind nur eine kleine Bevölkerungsgruppe. Denken Sie, dass der Karma-Supermarkt für Coop funktioniert – und vor allem rentiert?

Neuburger: Ich denke, Coop hat sich das gut überlegt. Die Zahlen der Marktforschung für die Marke Karma sprechen für sich. An so einer Frontfläche im Bahnhof besteht sicher ein Bedürfnis für alle, die sich gesund, nachhaltig und tierfreundlich ernähren wollen. Der Laden kommt ausserdem nicht dogmatisch daher mit einem Spruchband «Hier bekommst du kein Fleisch». Und er spricht ebenso Vegetarier und Teilzeit-Vegetarier an. Oben befindet sich ausserdem der Coop-to-go, wo man alles bekommt. Von daher ist Karma eine gute Ergänzung als Anbieter von Alternativprodukten.

zentralplus: Wie sehen Sie die Zukunft des Veganismus, ist das eine wachsende Bewegung oder einfach ein modischer Trend?

Neuburger: Wenn man sieht, dass ein Laden entsteht, der bis zur Hälfte vegan ist, dann ist das eine Entwicklung, die Hand und Fuss hat. Auch ein Blick ins Ausland zeig, dass es ein Trend ist, der nicht wieder weggehen, sondern eher wachsen und einen grossen Einfluss auf unser Konsumverhalten haben wird. Immer mehr Leute merken, dass Veganismus erfüllend und gesund sein kann und man gar nicht so viele Einschränkungen in Kauf nehmen muss.

*Die Vegane Gesellschaft Schweiz hat laut Raphael Neuburger rund 1’000 Mitglieder. Sie  fördert die vegane Lebensweise mit Aufklärung, zeigt auf, was Veganismus für Vorteile hat und welches die problematischen Aspekte der Tierproduktion sind.

Das Angebot für Vegis

Ins Auge fällt einem im neuen Vegi-Supermarkt Karma das üppige Fruchtregal. In den anderen Regalen finden sich zum Beispiel vegane Milch-Ersatzprodukte wie Soja- oder Mandelmilch, Smoothies, Säfte, Getreide oder Pasta. Auch Alkohol wird verkauft. Einige vegane Weine sind zu finden – beim konventionellen Weinanbau würden Eiweisse wie Gelatine eingesetzt, erklärt man uns.

Es gibt vegane Pizzas und Glaces, Vegi-Streichkäse (auf Mandelbasis). An der sogenannten Fill&Chill-Station kann man sich Mandeln, Nüsse oder Müesli-Ingredienzen in Selbstbedienung in Papiertüten abfüllen. Zum Nonfood-Bereich gehört ferner vegane Kosmetik (ohne Tierversuche und
ohne Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs).

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