Wirtschaftskriminalität bleibt auf hohem Niveau

Zuger Polizei als verlängerter Arm des Nachrichtendienstes

«Die Zuger Polizei hat neu einen spezialisierten Cyber-Ermittler», sagt der Chef der Kriminalpolizei, Thomas Armbruster.

(Bild: zentralplus)

Es gibt kaum mehr eine Straftat, die nicht in irgendeiner Form elektronische Spuren aufweist. Obwohl Zug besonders im Fokus der Cyberkriminellen steht, beschäftigt sich nur gerade ein Polizist mit diesen Delikten. Kripo-Chef Thomas Armbruster über den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität – und die Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst des Bundes.

Wirtschaftskriminelle beschränken sich nicht auf bestimmte Branchen oder Länder. Oft haben es die Ermittler im Kanton Zug mit internationalen Firmenkonstrukten und Netzwerken sowie komplexen Geldflüssen in der ganzen Welt zu tun. Kripo-Chef Thomas Armbruster gibt zentralplus Einblick in die Welt der Cyber- und Wirtschaftskriminalität.

zentralplus: Thomas Armbruster, Sie sagten an der Pressekonferenz zur Kriminalstatistik, das Thema Cyberkriminalität beschäftige die Zuger Bevölkerung stark. Zählen Verbrechen im Netz eigentlich zur Wirtschaftskriminalität?

Thomas Armbruster: Wir reden vom «Cyberphänomen». Es werden Mittel aus dem Cyberraum angewendet und die Taten finden im virtuellen Raum statt. Cybermittel können bei Betrugsfällen angewendet werden oder bei anderen Straftaten (siehe Kasten ganz unten). Aber sie tauchen nicht gesondert in der Statistik auf.

Mehr Rechtshilfe und Amtshilfe

2016 erledigte der «Dienst Wirtschaftsdelikte» des Kantons Zug insgesamt 101 Ermittlungsverfahren (2015: 104). Diese Verfahren machten 44 Hausdurchsuchungsaktionen notwendig; Ende Jahr waren noch 67 Verfahren hängig (61). Es ging um klassische Wirtschaftsdelikte wie Betrug, aber auch um Sozialhilfe- und Sozialversicherungsbetrug oder Konkursdelikte.

Besonders stark stiegen die Fälle von Internetkriminalität. Der Dienst erledigte ausserdem 416 nationale und internationale Rechts- und Amtshilfe-Ersuchen (2015: 357).

zentralplus: Gibt es Zahlen dazu?

Armbruster: Noch nicht, aber man prüft das auf Bundesebene. Der Kanton Zug arbeitet eng mit der Bundes-Präventionsstelle gegen Cyberkriminalität zusammen. Es handelt sich um die Melde- und Analysestelle Informationssicherung namens «MELANI». Die Stelle berät und hilft Opfern in technischer Hinsicht. Die kriminellen Machenschaften zu untersuchen, ist Aufgabe der Zuger Strafverfolgungsbehörden und der Bundeskriminalpolizei.

zentralplus: Wie viele Personen beschäftigen sich momentan bei der Kripo Zug ausschliesslich mit der Cyberkriminalität?

Armbruster: Ein Mitarbeiter. Andreas Eugster wurde im Sommer 2016 angestellt, er ist Polizist und Wirtschaftsinformatiker zugleich.

zentralplus: Braucht es angesichts des wachsenden Phänomens keinen Ausbau?

Armbruster: Natürlich würde ich das begrüssen. Doch wie Regierungsrat Beat Villiger bereits sagte, steht der Kanton Zug unter einem Spardruck. Zum Vergleich: Der Kanton Zürich plant, zirka 15 Leute anzustellen. Doch die Anzahl Personen ist sekundär, wichtiger ist, dass es Personen mit einem Fachwissen im Bereich der Informatik und des virtuellen Raums sind.

«Die Wirtschaftskriminalität bleibt im Kanton Zug auf hohem Niveau.»
Thomas Armbruster

zentralplus: 2016 gab es 101 Verfahren wegen Wirtschaftskriminalität, im Vorjahr 104, also ein kleiner Rückgang. Wie lautet ihre generelle Einschätzung zur Entwicklung?

Armbruster: Die Wirtschaftskriminalität bleibt im Kanton Zug auf hohem Niveau. Entscheidend ist nicht nur die Anzahl der Delikte, sondern auch ihre Komplexität. Es sind oft sehr umfangreiche Verfahren mit grossen Vermögenswerten, internationalen Verflechtungen und Hunderten von Geschädigten. Das ist eine personelle Herausforderung für uns. Was mit einer kleinen Anzeige beginnt, kann sich oft zu einem Riesenfall entwickeln. Die Maschen ändern sich ausserdem stetig und werden immer raffinierter.

Die nationalen und internationalen Rechts- und Amtshilfe-Ersuchen an den Kanton Zug sind 2016 erneut angestiegen.

Die nationalen und internationalen Rechts- und Amtshilfe-Ersuchen an den Kanton Zug sind 2016 erneut angestiegen.

(Bild: Kriminalstatistik 2016)

zentralplus: Welche neuen Maschen werden angewendet, und wie unterscheiden sie sich von früheren?

Armbruster: Das Grundprinzip ist immer dasselbe: Leuten, die Geld anlegen, wird versprochen, dass sie einen grösseren Profit erzielen können, als wenn sie das Geld auf dem Bankkonto ruhen lassen. Früher war der Handel mit Bankgarantien populär: Hier wurde versprochen, dass man in 60 Tagen 6 bis 7 Prozent Gewinn erwirtschaften könne.
Heute geht die Masche eher Richtung Investitionen in neue oder nachhaltige Technologien. Man verspricht den Börsengang einer Firma und dass deren Aktienkurs sprunghaft ansteigen werde. Ein prominentes Beispiel war die «rauchlose Zigarette» Nic-Stic mit Sitz im Kanton Zug. Die Firmenverantwortlichen wurden im März in Deutschland verurteilt.

«Die Zuger Polizei nimmt aber auch im Auftrag des Nachrichtendienstes gewisse Aufgaben wahr.»

zentralplus: Der Kanton Zug mit seinen über 30’000 Unternehmen zieht offenbar dubiose Gestalten magisch an. Bräuchte es nicht mehr Kontrollen vonseiten anderer Ämter?

Armbruster: Diese Kontrollen existieren bereits. Das Handelsregisteramt ist die erste Kontrollstelle, dort kann man schon viel erkennen. Die Steuerämter prüfen die juristischen Personen ebenfalls und erkennen oft Unregelmässigkeiten. Die Zuger Polizei nimmt aber auch im Auftrag des Nachrichtendienstes gewisse Aufgaben wahr. Liegen beispielsweise Erkenntnisse vor, dass Firmen Kriegsmaterial oder atomare Güter an Länder liefern, obwohl Lieferungen aufgrund einer Uno-Resolution oder eines Boykotts verboten sind, gehen wir aktiv auf diese Firmen zu und klären sie auf.

zentralplus: Taucht diese Tätigkeit in der Kriminalstatistik auf?

Armbruster: Nein. Im Bericht des Nachrichtendienstes gibt es gesamtschweizerische Zahlen. Aber ich kann sagen, dass Zug einer der Kantone ist, die sehr aktiv sind in diesem Bereich.

«Wir spüren seit einigen Jahren deliktische Vermögenswerte auf nach der Devise ‹Crime doesn’t pay›.»

zentralplus: Die Zahl der nationalen und internationalen Rechts- und Amtshilfegesuche hat stark zugenommen, von 357 im Vorjahr auf 416 im letzten Jahr. Wie erklären Sie sich das?

Armbruster: Ein Grund ist die internationale Kriminalität. Weil Zug ein wichtiger und grosser Wirtschaftsstandort ist, gibt es immer mehr Anfragen. Im Schengen-Raum funktioniert die Zusammenarbeit gut, deshalb leisten wir Amtshilfe und erhalten ebenfalls Hilfe. Wir erhalten viele Meldungen aus Schengen-Staaten, müssen zum Beispiel Domizilabklärungen von gemeldeten Firmen machen. Das heisst, wir prüfen das Domizil einer Firma, die geschäftlichen Aktivitäten oder wer im Verwaltungsrat sitzt. Wir führen aber auch Hausdurchsuchungen durch. Auch die Vermögenseinziehung wird immer wichtiger. Wir spüren seit einigen Jahren deliktische Vermögenswerte auf, geben diese den Geschädigten oder dem Staat zurück nach der Devise «Crime doesn’t pay». 2016 zogen wir 496’136 Franken ein.

zentralplus: Bekommen Sie viele Amtshilfegesuche wegen sogenannter Briefkastenfirmen?

Armbruster: Ja, aber nicht nur. Auch Holdinggesellschaften können betroffen sein, zum Beispiel wenn nur die Holdingstruktur im Kanton Zug ihren Sitz hat, aber das operative Geschäft in anderen Ländern stattfindet. Das stellt die Ermittler natürlich vor Herausforderungen.

zentralplus: Beim Dienst Wirtschaftsdelikte des Kantons Zug arbeiten rund ein Dutzend Personen. Wie viele sind effektiv für die Untersuchung von Wirtschaftskriminalität zuständig?

Armbruster: Die Zuger Polizei beschäftigt aktuell sieben reine Wirtschaftsermittler. Natürlich haben wir immer Engpässe, aber das betrifft auch andere Abteilungen der Kriminalpolizei. In der Schweiz gibt es im Durchschnitt pro 453 Einwohner einen Polizisten, im Kanton Zug hingegen gibt es pro 501 Einwohner einen Polizisten, gleichzeitig wächst die Bevölkerung und die Anzahl Firmen.

Häufige Cybercrime-Machenschaften

Im Bereich der Cyberkriminalität gab es 2016 im Kanton Zug laut Thomas Armbruster mehrere Fälle von Phishing, Moneymuling und Romance Scam. Wir erklären die Begriffe.

Phishing: Beim Phishing erhält der Empfänger eine E-Mail mit einem Virus zugeschickt. Manche haben es auf das E-Banking von Privaten abgesehen. Opfer werden aber auch viele Firmen, sie können dann nicht mehr auf die Systeme zugreifen. Der Kriminelle nimmt oft per E-Mail Kontakt auf und verlangt einen Geld- oder Bitcoinbetrag. Erst wenn man diesen überweist, erhält man den Schlüssel geliefert, der einem den Zugang zu seinen Daten wieder ermöglicht. Phishingfälle werden laut der Zuger Polizei von Firmen oft nicht zur Anzeige gebracht, weil es für Unternehmen einen Renommeeschaden bedeutet, gehackt worden zu sein.

Moneymuling: Schweizer eröffnen ein Konto, über das kriminelle Gelder aus dem Ausland gewaschen werden. Die Schweizer fungieren also als Strohmänner von Kriminellen.

Romance Scam: Es geht um «romantische» Dating-Plattformen im Internet. Personen entblössen sich, schicken Bilder und werden aber dann von ihren Chatpartnern erpresst. Diese drohen, die Fotos zu veröffentlichen, wenn man nicht zahlt. Oft bleibt es nicht bei einer einmaligen Zahlung, sondern die Erpresser stellen weitere Forderungen.

Um die Bevölkerung zu informieren und zu sensibilisieren, veranstaltet die Zuger Polizei am Montag, 10. April eine erste öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema Internet-Kriminalität. Der neue Cyber-Ermittler Andreas Eugster informiert über seine Arbeit. Der Abend findet bei der Zuger Polizei, Aabachstrasse 4, in Zug statt. Beginn 18.30 Uhr. Das Interesse ist gross, es haben sich bereits 80 Personen angemeldet. Anmeldung bis 10. April möglich an E-Mail-Adresse: [email protected].

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