Luzerner Guetzlipatron Werner Hug im Gespräch

«Die Leute denken, wir basteln hier mit einfachen Zutaten wie zu Hause»

Werner Hug vor dem Familienstammbaum: Die Hug AG ist seit vier Generationen in Familienbesitz – und die fünfte Generation rückt bereits nach.

(Bild: pze)

Wer in die Familie Hug hineingeboren wird, dessen Berufung ist klar: Guetzli. Wir wollten von Verwaltungsratspräsident Werner Hug wissen: Was sind die Freuden und Leiden eines Guetzlibäckers? Und wie wichtig ist für das Luzerner Familienunternehmen das Schweizer Kreuz?

zentralplus: Werner Hug, Sie haben Jahrzehnte in der Backindustrie hinter sich. Was ist die Faszination bei der Herstellung von Guetzli?

Werner Hug: Man macht etwas, was allen Leuten Freude bereitet. Guetzli haben einen positiven Lebenssinn, wenn man es nicht übertreibt. Ein Guetzli zum Kaffee ist nicht wie ein Hamburger, den man verdrückt, weil man Hunger hat. Es kann mehr Lebensfreude vermitteln.

zentralplus: Und mit welchen Schwierigkeiten hat man zu kämpfen?

Hug: In der heutigen Massengesellschaft, in der es so viele Angebote und Wettbewerb gibt, muss man aktiv und präsent sein, sonst geht man unter. Es gibt nämlich genügend Alternativen. Andererseits ist es eine Chance, sich kreativ zu positionieren. Wenn man es richtig macht, kann man überleben. Aber die Schweiz als Kosteninsel dezimiert viele Möglichkeiten, das Geschäftsmodell international zu etablieren.

zentralplus: Reden wir über das Geschäft. Seit Januar gilt in der Schweiz das neue Swissness-Gesetz. Für Lebensmittelproduzenten bedeutet das: 80 Prozent der Inhaltsstoffe müssen aus der Schweiz kommen. Ihr Bruder Andreas Hug kritisierte das Gesetz als «äusserst bürokratisch» und an der Grenze zur «Nötigung». Was genau stört Sie an der neuen Regelung?

Hug: Das Gesetz wurde einfach über unsere Köpfe hinweg umgesetzt. Wir haben uns lange gewehrt, bis das Parlament irgendwann die Geduld verlor und das Gesetz verabschiedete. Was man verstehen muss: Lebensmittelfabrikanten erhalten ihre Inhaltsstoffe oft als Mischung. Die Leute denken, wir basteln hier etwas mit einfachen Zutaten wie zu Hause. Was wir hier tun, ist aber viel komplexer.

«Dieses Gesetz ist von A bis Z ein Chaos für diejenigen, die sich in diesem Feld bewegen.»

Weiter muss man sehen: Das Gesetz muss auch durchgesetzt werden. Jemand muss diejenigen sanktionieren, welche das Schweizer Kreuz im Ausland unrechtmässig verwenden. Ich bin ja gespannt, wie das funktionieren soll.

zentralplus: Hätten Sie denn eine Alternative zum Gesetz?

Hug: Sehen Sie, ich war zu Beginn für ein Swissness-Gesetz. Nur bedeutet «schweizerisch» für uns Lebensmittelproduzenten, dass das Produkt in der Schweiz hergestellt wird. Das ist für uns das Wichtigste. Wir wussten während der Gesetzesdebatte um die Problematik der Rohstoffe. Für viele gibt es gar keine Produktionsstellen in der Schweiz – oder zumindest nicht in dem Umfang, wie wir sie benötigen. Dieses Gesetz ist also von A bis Z ein Chaos für diejenigen, die sich in diesem Feld bewegen. Wir sind jetzt froh, konnte eine Ausnahmeregelung geschaffen werden, sodass wir weiterhin die Waren als «Schweizer Produkte» verkaufen können.

zentralplus: Was steht denn in dieser Ausnahmeregelung?

Hug: Die Vorstellung, alle Produkte werden in der Schweizer Landwirtschaft hergestellt, steckt noch in vielen Köpfen. Aber in der Schweiz kann man nicht alles produzieren! Das lässt sich am Beispiel von Honig gut aufzeigen: Schweizer Honig ist berechtigterweise ein Vielfaches teurer. Es gibt aber gar nicht genug, weil es keine Grossproduzenten gibt. Es grenzt also an Träumerei, wenn man glaubt, wir könnten unseren Honig aus der Schweiz beziehen. Hätte es da keine Ausnahmeregelung gegeben, wäre das Willisauer Ringli kein «Schweizer Produkt» mehr – obwohl es ausschliesslich in Willisau hergestellt wird.

zentralplus: Wie wichtig ist es überhaupt, dass Hug-Produkte mit einem Schweizer Kreuz versehen sind?

Hug: Vor allem bei Produkten, welche Schokolade beinhalten, ist das Schweizer Kreuz sehr wichtig. Im asiatischen Markt ist es ein wichtiges Mittel fürs Marketing. Man kann es aber nicht so generell sagen. Bei Tortenböden und halbfertigen Produkten ist das Label weniger entscheidend.

zentralplus: Momentan gibt es einen Gesundheits- und Ökotrend, gerade in der Lebensmittelindustrie. Guetzli dagegen gelten als konservativ und eher ungesund. Sind Guetzli zu wenig hip?

Hug: Der Konsum von Guetzli in der Schweiz stagniert tatsächlich. Aber auch wenn die Zahlen nicht steigen, so wollen wir erreichen, dass man wenigstens unsere Guetzli isst und nicht die importierten oder die der Konkurrenz. Der Gesundheitstrend aber ist klar spürbar – wir haben den Vorteil, diesen durch die Marke Darvida abdecken zu können. Dort spielt uns der Gesundheitstrend natürlich zu.

zentralplus: Haben Sie Ihre Rezepte aufgrund der Trends angepasst?

Hug: Ja, für den Regionaltrend haben wir tatsächlich Willisauer Ringli mit Birnel anstatt Honig hergestellt. Dieses Produkt wurde in der Migros unter dem Label «Aus der Region, für die Region» verkauft. Also wollten wir auch die Rohstoffe aus der Region beziehen. Zusätzlich sind Willisauer Ringli ja schon in ihrem Wesen ein regionales Produkt.

Guezli so weit das Auge reicht: Seit 2008 gehört Wernli zur Hug-Gruppe.

Guezli so weit das Auge reicht: Seit 2008 gehört Wernli zur Hug-Gruppe.

(Bild: pze)

zentralplus: Ihre Nachfolge ist ja bereits aufgegleist (siehe Box). Aber ein Familienunternehmen ist dann doch etwas anderes als ein x-beliebiger Grosskonzern: Sie sind mit 71 eigentlich bereits pensioniert, aber noch immer Präsident des Verwaltungsrats. Daneben nehmen Sie beratende Funktionen ein. Können Sie gar nicht aufhören?

Hug: (lacht) Man muss schon seinen Weg suchen. Ich habe mit 60 die operative Führung, das Tagesgeschäft, abgegeben. Ich habe mich auf strategische Fragen beschränkt, Marketingfragen, Verwaltungsrat und gewisse Exportprojekte, beispielsweise in China, unterstützt. Das ist die Kraft der Erfahrung. Wenn die Jungen nachkommen, werde ich wohl weitere Dinge abgeben. Aber: Man kommt wirklich nicht weg. Aber so lange ich noch die Kraft dazu habe, ist das ja etwas Gutes.

zentralplus: Ihr Unternehmen hat in den letzten Jahren 20 Millionen Franken investiert – und dabei vor allem die Automatisierung vorwärtsgetrieben. Auch künftig soll investiert werden. Da klingeln doch die Alarmglocken bei den Mitarbeitern: Muss man sich als Angestellter Sorgen machen, dass einem bald ein Roboter die Arbeit wegnimmt?

Hug: Es gibt natürlich eine Umschichtung. Die ganz einfache Handarbeit ist in dem Umfang und der Preiskategorie, in der wir uns bewegen, gar nicht mehr möglich. Das heisst aber, wir müssen andere Leute haben, nämlich geschultes Personal, welches diese komplizierten neuen Maschinen bedienen kann. Diese Mitarbeiter sind teurer – das kann man jedoch durch das Wachstum finanzieren.

Wir müssen kein Personal entlassen, weil die Umschichtung fortlaufend vonstatten geht. Wir werden einfach gewisse Arbeitsstellen nicht mehr ersetzen, dafür an anderen Orten neue schaffen. Aber zahlenmässig zulegen werden wir wohl nicht. Viele Leute konnten wir betriebsintern schulen.

«Man muss sehen: Auch wir sind Migranten!»

zentralplus: Müssen Sie sich auf einen Fachkräftemangel vorbereiten?

Hug: Bisher haben wir noch immer die nötigen Leute gefunden. Unsere Bekanntheit hilft dabei. Gerade im Informatikbereich haben wir genügend neues Personal. Anders ist es in der Betriebsmechanik. Die neuen Maschinen führen teilweise zum 24-Stunden-Betrieb und damit zu Abend- und Nachtschichten für die Mitarbeiter. Dort ist es schwieriger, kompetentes Personal zu finden.

zentralplus: Müssen Sie in Zukunft Fachkräfte aus dem Ausland holen? Auch da – wie beim Swissness-Gesetz – gilt es, politische Hürden zu überwinden, Stichwort: Masseneinwanderungsinitiative.

Hug: Wenn das Personal knapp wird, gibt es einen Kampf um die besten Mitarbeiter. Wenn die Wirtschaft so weiterläuft wie bisher, muss die Schweiz keine Angst haben. Wenn aber gewisse Produktionen nicht mehr gemacht werden können, weil hier die Leute fehlen, wandern die Firmen ins Ausland ab. Aber gewissen politischen Kreisen ist das egal, wenn es zu wenige Leute hat. Ich bin der Meinung: Es ist nicht schlimm, wenn es ein bisschen mehr Leute in der Schweiz gibt. Ich glaube, wenn der Staat zu sehr eingreift, kommt es immer «lätz».

Die Familientradition wird fortgeführt

Die Hug Backwaren AG besteht seit 140 Jahren. Das Unternehmen aus Malters wird noch stets als Familienbetrieb geführt (hier geht es zur historischen Bilderreihe). Bereits in vierter Generation führen Andreas Hug (56) als Geschäftsleiter und Werner Hug (71) als Präsident des Verwaltungsrats das Guezli-Iimperium. Die nächste Generation wird bereits nachgenommen: Anna und Fabian Hug sind die fünfte Generation der Hugfamilie, die sukzessive das Zwieback-Unternehmen aus Malters übernehmen sollen. Anna Hug (Tochter von Werner Hug) leitet bereits die Geschäfte im Bereich Entwicklung und Innovation, Fabian Hug (Sohn von Andreas Hug) ist im Export tätig.

Das Unternehmen vermeldete für 2016 einen Umsatz von 113,5 Millionen Franken bei einer Eigenproduktion von 8801 Tonnen. Die Hug AG beschäftigt 381 Mitarbeitende in Malters, Willisau und Trimbach (Solothurn).

Und man muss sehen: Auch wir sind Migranten! Joseph Hug kam damals aus dem Schwarzwald und hat Arbeit gesucht. Er ist in Zug hängen geblieben, bis er vor 140 Jahren gesehen hat, dass die Bäckerei Zumbühl zum Verkauf steht. Die Luzerner Bäckerfamilie Hug kommt also eigentlich aus Deutschland. Den Schweizer Pass bekam er dann aber relativ bald. Ich bin froh, hat er ihn genommen, das macht die Dinge heute um einiges einfacher (lacht).

zentralplus: Sie sind aufgewachsen als Kind in der Hug-Dynastie: War Ihr Weg immer vorgespurt?

Hug: Ja, das kann man schon sagen. In Malters war man damals sehr exponiert, wenn man in eine Unternehmerfamilie hineingeboren wurde. Ich war oft in der Fabrik, habe geholfen, wenn es sein musste. Ich war immer involviert. Man läuft jeden Tag an der Fabrik vorbei, der Vater hat oft zu Hause davon erzählt, oder man hat sich als Schüler in den Ferien ein Sackgeld verdient.

zentralplus: Wurde denn zu Hause oft über die Firma gesprochen?

Hug: Ja, denn wir machten ja nichts Kompliziertes. Wir produzierten keine komplexen Maschinen, sondern Guetzli. Dadurch war es auch für Kinder verständlich, was da in der Fabrik gemacht wurde.

zentralplus: Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Ihr Name nicht Hug gewesen wäre?

Hug: (überlegt) Ich wäre wohl auch so in einen kaufmännischen Beruf eingestiegen. Ich glaube, ich hätte keinen technischen Beruf gewählt – ich bin kein Bäcker wie mein Vater. Mich interessieren kreative Marketingfragen, deshalb habe ich mich dann auch dieser Themen angenommen.

zentralplus: Sie haben Ihr ganzes Leben mit Backwaren verbracht, Sie sind also ein Spezialist. Welches ist ihr bevorzugtes Guetzli?

Werner Hug: Das Hug-Guetzli «Amandes» mag ich besonders gerne. Es ist ein ganz einfaches caramellisiertes Guetzli und passt sehr gut zu einer Tasse Kaffee. Oder die Petit-Beurre mit Schokolade. Aber man muss ja auch die Konkurrenz etwas beobachten. Die Brezeln von Kambli mag ich ganz gerne, die sind nicht so süss wie andere.

zentralplus: Und die letzte Frage: Was können uns Guetzli über das Leben lehren?

Hug: Dass man sich Zeit nimmt, um das Leben zu geniessen. Und dass man auch an kleinen Dingen Freude haben kann.

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