Luzerner Kleingewerbe-Verein tritt auf die Bremse

Fehlstart? Erst 80 Mitglieder und kaum konkrete Ideen

André Egli, Präsident von «LU – Luzerner Unternehmen», gibt sich zurückhaltend, was die Ziele des Vereins betrifft.

(Bild: lru)

Der Aufschrei bei den etablierten Wirtschaftsverbänden war gross, als Luzerner Kleingewerbler 2015 eine eigene Vereinigung ankündigten. Ein halbes Jahr nach der Gründung von «LU – Luzerner Unternehmen» zeigt sich: Der Aufbau verläuft viel harziger als erhofft. Der Präsident bleibt aber optimistisch.

«Ein Auffangbecken für alle, die sich in den etablierten Verbänden nicht wohlfühlen» – so beschreibt Präsident André Egli den Verein «LU – Luzerner Unternehmen». Dieser ist im Frühling gegründet worden als Alternative zum bürgerlich geprägten Wirtschaftsverband der Stadt Luzern (WVL), einem Ableger des kantonalen Gewerbeverbands. Bereits die Ankündigung des neuen, alternativen Wirtschaftsvereins Ende 2015 sorgte für viel Zündstoff und harsche Reaktionen unter den etablierten bürgerlichen Playern (hier geht’s zum Artikel).

Nach der Gründung letzten April wurde es aber schnell wieder ruhig um «LU – Luzerner Unternehmen». Doch nun hört man wieder von ihm: Am Neubad Talk stand diesen Dienstagabend der erste öffentliche Auftritt des Vereinspräsidenten an. André Egli, Inhaber galvano republic GmbH, diskutierte mit Alexander Gonzalez, Präsident des Wirtschaftsverbands, und Markus Elmiger vom Atelier Treger über die Perspektiven des Kleingewerbes.

Ansprüche zurückbuchstabiert

Was ist im letzten halben Jahr hinter den Kulissen gelaufen? Inzwischen zählt der Verein rund 80 Mitglieder, sagt Präsident André Egli. Täglich kämen weitere dazu – meist kleine oder sogar Einmann-Betriebe. Die Branchen seien breit gefächert. Von Grafikbetrieben über Rechtsanwälte bis hin zu Metallbauern und Schreinern sei alles vertreten.

«150 Mitglieder bis Ende Jahr – das wird wohl etwas knapp.»

André Egli, Präsident «LU – Luzerner Unternehmen»

Und doch sind 80 Mitglieder deutlich weniger als ursprünglich erhofft. Heinz Marti von der Sinnlicht GmbH, der im November 2015 den neuen Verein mit initierte, sprach damals von einem Potenzial von bis zu 500 Mitgliedern. Später buchstabierte man die Ansprüche zurück und formulierte im Frühling 150 Mitglieder als Ziel bis Ende Jahr. Das werde wohl etwas knapp, gesteht Egli. «Aber es werden bestimmt über 100 sein.» Die lockere Atmosphäre am ersten Kick-Off-Meeting Mitte September stimmt ihn zuversichtlich.

Sorge, Mitglieder zu vergraulen?

Doch wohin will der neue Verein, was sind seine Ziele? Auch rund ein halbes Jahr nach der Gründung ist noch vieles offen – obwohl auch diesbezüglich letzten Dezember ein ambitioniertes Tempo angeschlagen wurde.

Auf der Website finden sich nur relativ vage Forderungen, und auch Präsident André Egli gibt sich zurückhaltend. Offensichtlich will man sich politisch nicht gleich zu Beginn in die Nesseln setzen – und dadurch potenzielle Neumitglieder abschrecken. So wird der Verein zum Beispiel keine Wahlempfehlung für die Stadtratswahlen am 27. November abgeben – anders als womöglich der Wirtschaftsverband. Dieser weibelte zumindest letzten Frühling stark für eine bürgerliche Mehrheit, und setzte sich für den SVP-Präsidenten Peter With ein.

Klar könne man das als opportunistische Haltung verstehen, räumt Egli ein – um zugleich zu entgegnen: «Dass wir die politischen Leitlinien für Wahlen oder Abstimmungsvorlagen noch nicht diskutiert haben, geschah aus der tiefen Überzeugung, dass dies von den Mitgliedern bestimmt werden muss.» Und dazu ist es offenbar noch zu früh.

Eher links und liberal

Klar ist indes: Drei Vorstandsmitglieder gehören der SP an, darunter die beiden SP-Grossstadträte Daniel Furrer und Yannick Gauch (siehe Box). Der Verein will zudem nicht nur bürokratische Hürden abbauen und für günstige Kredite sorgen, sondern auch explizit die Durchmischung der Quartiere fördern. Versteht sich «LU – Luzerner Unternehmen» denn nun als linke Alternative?

«Ich persönlich bin ausserordentlich liberal und könnte punktuell auch SVP-Anliegen vertreten.»

André Egli, Präsident «LU – Luzerner Unternehmen»

Egli weicht der Frage gewollt aus und sagt, er könne nur für sich selber sprechen. «Ich persönlich bin ausserordentlich liberal und könnte punktuell auch SVP-Anliegen vertreten.» Doch der Chemiker lässt durchblicken, dass die Stossrichtung von «LU – Luzerner Unternehmen» nicht zur SVP tendiert: «Der Wirtschaftsverband ist gemäss den Statuten dezidiert bürgerlich, wir dagegen unabhängig. Davon kann man ableiten, dass wir einen Ausgleich auf der linken Seite präsentieren.»

Wie genau der aussehen wird, und wo sich der neue Verein positioniert, müsse die Basis entscheiden. Wenn die von Egli definierte «Grundgrösse» von 150 Mitgliedern erreicht sei, werde man politisch Stellung beziehen – und einen Konsens finden, ist der Inhaber eines Galvanikbetriebs in Rothenburg überzeugt.

Für höhere Firmensteuern

Mangels klarer Positionen und damit klarer Abgrenzung bleibt nach wie vor die Frage: Braucht es in der Stadt Luzern einen zusätzlichen Gewerbeverein? Für Egli ist die Antwort klar: «Der Verein entspricht dem Bedürfnis einer nicht vernachlässigbaren Minderheit.» Und diese Minderheit – das Kleingewerbe – habe andere Wünsche als die «tonangebenden Stimmen der etablierten Verbände». Egli hält fest: «Wir sehen uns eher als die unabhängige, urbane Variante eines Wirtschaftsverbandes.»

«Es ist keineswegs unser Ziel, gegen den Wirtschaftsverband zu kämpfen oder Mitglieder zu uns zu locken.»

André Egli, Präsident «LU – Luzerner Unternehmen»

Das zeigt sich beispielsweise in der Steuerpolitik des Kantons, die laut Egli dem Kleingewerbe «nichts bringt oder sogar negativ ist, weil dadurch in der Kantonskasse Geld für anderes fehlt». Bei der Abstimmung am 25. September zur Erhöhung der Unternehmenssteuer hätte «LU – Luzerner Unternehmen» laut Egli vermutlich die Ja-Parole herausgegeben, wenn man in der politischen Positionierung bereits so weit fortgeschritten gewesen wäre.

Unterschiede gibt es auch in der Verkehrspolitik, wo sich der WVL stets gegen Einschränkungen des Autoverkehrs wehre – der neue Verein hingegen nicht grundsätzlich, so André Egli. «Die Parkplatzsituation zum Beispiel muss jeweils situativ angeschaut werden.»

Verein will sich nicht anbiedern

Doch damit hat es sich schon bald mit konkreten Standpunkten. Was ist zum Beispiel mit den Ladenöffnungszeiten? André Egli zögert nicht lange und sagt, er wäre persönlich für eine Liberalisierung. Doch er wolle damit nicht die Meinung der Mitglieder vorgeben, und verweist erneut darauf, dass eine Positionierung später erfolge.

Drei SP-Mitglieder im Vorstand

Der Verein «LU – Luzerner Unternehmen» zählt gemäss Angaben von Präsident André Egli zurzeit rund 80 Mitglieder – diese werden auf der Website demnächst aufgeschaltet. Der Vorstand besteht aus folgenden acht Personen:

  • André Egli, Inhaber galvano republic GmbH (Präsident)
  • Heinz Marti, Inhaber sinnlicht GmbH (Vizepräsident)
  • Renata Boog, Inhaberin Renata Boog Photography
  • Andrea Bucher, Mitinhaberin Stilwerkstatt GmbH
  • Daniel Furrer, Leiter Finanzen und Dienste, und SP-Grossstadtrat
  • Dominique Becht, Inhaber bestideasgroup AG, und Mitglied SP Meggen
  • Astrid Buys, Ökonomin
  • Yannick Gauch, Mitinhaber Büro Zwoi Kommunikationskanzlei, und SP-Grossstadtrat

Und Egli macht klar, dass auch die Herausforderungen fürs Kleingewerbe anders seien. «Webshops und Globalisierung kann man nicht wegdiskutieren. Deshalb müssen wir Innovationen fördern.»

Trotz dieser Unterschiede: Egli will den Verein «LU – Luzerner Unternehmen» nicht als Gegenpol zum Wirtschaftsverband mit seinen 500 Mitgliedern verstanden wissen. «Wir sind eine Ideengruppe und keine Kampforganisation.» Auch wenn man sich zurzeit nicht beim WVL anbiedern und eine Zusammenarbeit suchen wolle, schliesst Egli eine solche nicht aus. Lösungsorientiert wolle man arbeiten, auch wenn das «jetzt etwas gar schweizerisch tönt», sagt er.

Entsprechend dementiert er auch die Absicht, Mitglieder beim städtischen Wirtschaftsverband abzuwerben. Es gebe zurzeit etwa fünf Mitglieder, die in beiden Verbänden seien. «Es ist keineswegs unser Ziel, gegen den Wirtschaftsverband zu kämpfen oder Mitglieder zu uns zu locken.»

Und Egli bestreitet auch, dass der Sololauf des Kleingewerbes eine Verzettelung der Stimme der Wirtschaft verursache, was ihnen andere Verbände teils vorwerfen. «Im Gegenteil: Dank uns erhalten viele Kleinunternehmen eine Stimme und somit die Wirtschaft insgesamt mehr Gehör. Denn ein Grossteil der Mitglieder wäre sonst in keinem Verband organisiert.»

 
 
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