Züslis erster Auftritt vor Luzerner Wirtschaft

Der linke «Stapi» wagt sich in die Höhle des Löwen

Alexander Gonzalez vom Wirtschaftsverband dankt Stadtpräsident Beat Züsli (rechts) zu seinem Grusswort am Behörden-Apéro.

(Bild: fotolia.com/Emanuel Ammon, Aura)

Linke Politiker sind wirtschaftsfeindlich – argwöhnen viele Gewerbler. Mit Spannung erwartet wurde deshalb der erste Auftritt von SP-Stadtpräsident Beat Züsli vor dem Wirtschaftsverband. Zumal es im Jahr zuvor zum Eklat zwischen den Linken und dem Verband kam. Obwohl Züsli einen flotten Auftritt hinlegte – gewisse Befürchtungen bleiben.

Richtig hässig waren sie, die SP- und Grüne-Vertreter im Luzerner Stadtparlament. Da hatte doch der Wirtschaftsverband vergangenes Jahr für seinen alljährlichen Behörden-Apéro keinen Linken für das Stadtrats-Podium aufgeboten. Aus Frust boykottierten sie den Anlass, an dem sich für gewöhnlich Wirtschaftsvertreter und Politiker aus allen Lagern im gemütlichen Rahmen austauschen.

Mit Spannung wurde am Behörden-Apéro letzten Donnerstag deshalb der Auftritt von Beat Züsli (SP) erwartet. Neo-Stadtpräsident Züsli – der erste Linke Luzerns in dieser Funktion – durfte kraft seines Amtes eine Grussbotschaft an die Anwesenden richten. Ein linker «Stapi» – damit dürften einige der bürgerlich dominierten Wirtschaftsvertreter zu kauen haben. Denn: Wenn der Stadtrat schon unter Ex-Stadtpräsident Stefan Roth (CVP) angeblich zu wenig wirtschaftsfreundlich war – wie schlimm wird es dann mit einem SPler in dieser Funktion?

Wirtschaftspräsident lobt Stadtpräsidenten

Doch Züsli machte eine gute Falle. Dabei half ihm zweifellos der Umstand, dass er vor seiner Wahl 20 Jahre lang selber Unternehmer war: als Energie-Ingenieur. Alexander Gonzalez präsidiert den städtischen Wirtschaftsverband (WVL). Er anerkennt: «Von Züslis Begrüssungsrede hatte ich einen durchaus guten Eindruck. Er liess zwar verständlicherweise durchblicken, dass punktuelle inhaltliche Abweichungen naturgemäss nicht auszuschliessen seien. Aber er konnte uns auch vermitteln, dass er aus seiner eigenen unternehmerischen Erfahrung durchaus Verständnis für unsere Anliegen aufbringen könne.»

Neo-Stadtpräsident Beat Züsli (SP) richtet sich am Behörden-Apéro mit einer Grussbotschaft an die Anwesenden (Bild: Emanuel Ammon/Aura).

Neo-Stadtpräsident Beat Züsli (SP) richtet sich am Behörden-Apéro mit einer Grussbotschaft an die Anwesenden (Bild: Emanuel Ammon/Aura).

Züsli hat sich laut Gonzalez in einer «offenen, unkomplizierten und authentischen Art» präsentiert. Gonzalez weiss auch: «Wie ich aus Einzelvoten entnommen habe, haben auch die Anwesenden seine Kurzrede als positiv empfunden. Unser neuer Stapi hat sich denn auch offen und ohne Berührungsängste unter die Mitglieder und Gäste gemischt.»

«Ich habe Beat Züsli gebeten, noch vermehrt Brücken zwischen den politischen Polen zu schlagen.»

Alexander Gonzalez, Wirtschaftsverband Stadt Luzern

Der für seine besonnene Art bekannte WVL-Präsident hat dem Neo-Stapi keine Liste mit Forderungen überreicht. «Aber im persönlichen Gespräch habe ich ihm nochmals unsere Anliegen, speziell im Bereich Mobilität, Infrastruktur und Steuerpolitik, vermittelt. Und ich habe ihn gebeten, dass er hier als neuer Stadtrat und Stadtpräsident die aus unserer Optik wichtige Aufgabe wahrnehmen könnte: nämlich noch vermehrt Brücken zwischen den politischen Polen zu schlagen.»

Züsli probierte es mit Humor

Züsli war bei seinem Auftritt im Grand Casino klar, dass er sich in die Höhle des Löwen begab. Diesem Aspekt begegnete er mit Humor: «Ich bin mir bewusst, dass ich als SP-Vertreter nicht als Inbegriff des gewerbefreundlichen Politikers gelte. Andererseits war ich die letzten 20 Jahre selbstständig tätig und habe dadurch einen starken Bezug zum Gewerbe.»

Beat Züsli (links) am Behörden-Apéro im Gespräch mit SP-Grossstadtrat Cyrill Studer Korevaar (Bild: Emanuel Ammon/Aura).

Beat Züsli (links) am Behörden-Apéro im Gespräch mit SP-Grossstadtrat Cyrill Studer Korevaar (Bild: Emanuel Ammon/Aura).

Es sei ihm ein Anliegen, ein Stadtpräsident für alle zu werden. Die Anliegen des Gewerbes und der Wirtschaft seien ihm bekannt. Hier gelte es jeweils, einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Ansprüchen zu finden. Das sei sicher machbar. Denn: «Wir teilen viele gemeinsame Werte. Stadt und Gewerbe, beide wollen einen Mehrwert schaffen.»

«Beat Züsli muss zuerst den Tatbeweis erbringen, dass er sich für eine wirtschaftsfreundliche Politik einsetzt.»

Fabian Reinhard, Präsident städtische FDP

Züsli versprach, dass er für die bereits heute hohe Lebensqualität der Stadt einstehen werde. Dann wagte er sich auch an das Streitthema Nummer 1 der Bürgerlichen heran: die städtische Verkehrspolitik, die den öV vor dem Autoverkehr priorisiert. «Verkehrsprobleme lassen sich langfristig nur lösen, wenn wir die ‹Stadt der kurzen Wege› als Ziel verfolgen: also wenn möglichst viele Menschen am selben Ort arbeiten, wie sie wohnen, und auch Einkaufsmöglichkeiten und Freizeiteinrichtungen mit dem Wohnen gemischt werden.» Wenn mehr Leute zu Fuss oder mit dem Velo zur Arbeit gehen könnten, entlaste dies die Strassen. Dadurch würde für das Gewerbe mehr Platz frei.

Züslis Bilanz ein paar Tage nach dem Anlass: «Ich habe viele positive Reaktionen von allen politischen Seiten erhalten. Die Parteizugehörigkeit war weniger ein Thema als meine Funktion in der Rolle des Stadtpräsidenten.» Ihm habe der Anlass auch wieder gezeigt, wie vielfältig die Interessen sowohl der Wirtschaft als auch der Mitglieder des Wirtschaftsverbandes seien.

FDP ist beunruhigt

Nicht ganz so harmonisch wie Züsli oder Gonzalez äussert sich Fabian Reinhard. Der Präsident der städtischen FDP sagt: «Beat Züsli muss zuerst den Tatbeweis erbringen, dass er sich für eine wirtschaftsfreundliche Politik einsetzt.» Züslis Partei, die SP, sei dafür ja nicht bekannt. Reinhard erinnert daran, dass Züsli unter anderem ein vehementer Gegner der beiden Allmendhochhäuser war. Für den FDP-Präsidenten ist klar: «Es macht durchaus einen Unterschied, ob ein Bürgerlicher oder ein Linker Stadtpräsident ist. In diesem Amt hat man mehr Einfluss.» Reinhard befürchtet also, dass der Stadtrat nun weiter nach links abdriften könnte – was schlecht für die Wirtschaft sei.

«Züsli schafft das»

André Bachmann wiederum bleibt gelassen. Das Vorstandsmitglied der City-Vereinigung Luzern sagt: «Ich habe Beat Züsli zuletzt an einer Sitzung betreffend Parkhaus Musegg erlebt. Er war sehr aufmerksam und scheint sich seiner Verantwortung bewusst zu sein.» Laut Bachmann muss Züsli aber viele seiner linken Haltungen überdenken und aus der Oppositionsrolle rauskommen. «Ich bin zuversichtlich, dass Züsli diesen Wechsel zum Exekutivmitglied schafft.»

SP sieht sich dem Volk verpflichtet

Am Behörden-Apéro vom 29. September waren übrigens auch wieder linke Stadtparlamentarier anwesend. Das Jahr des Schmollens ist vorbei. «In unserer Partei gibt es dazu unterschiedliche Haltungen», sagt Parteipräsident Claudio Soldati. «Ich persönlich finde es gut, wenn wir den Kontakt zum Wirtschaftsverband aufrechterhalten können. Deshalb nahm ich teil.»

Stadtparlamentarier unter sich: Jörg Krähenbühl (SVP, links), Roger Sonderegger (CVP), Daniel Furrer (SP) und Claudio Soldati (SP) diskutieren am Behörden-Apéro vom 29. September (Bild: Emanuel Ammon/Aura).

Stadtparlamentarier unter sich: Jörg Krähenbühl (SVP, links), Roger Sonderegger (CVP), Daniel Furrer (SP) und Claudio Soldati (SP) diskutieren am Behörden-Apéro vom 29. September (Bild: Emanuel Ammon/Aura).

Zu den Befürchtungen, dass der erste linke Stadtpräsident eine wirtschaftsfeindliche Politik einläuten könnte, sagt Soldati: «Hauptstreitpunkt sind ja fast ausschliesslich die Autoparkplätze. Als ob die Wirtschaft nur daran hängen würde.» Auch der SP sei das Gewerbe, besonders auch Klein- und Kleinstgewerbe wichtig. Soldati erinnert jedoch daran, dass es um das Wohl auch der städtischen Bevölkerung gehe. «Und diese hat beispielsweise am 25. September für höhere Firmensteuern gestimmt. Und sie hat sich stets für die Förderung des öVs und Fuss- und Velowege ausgesprochen.» Für diese Anliegen werde sich die SP auch weiterhin einsetzen.

 

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