Manfred Huber mit unkonventionellen Ideen

Zuger Architektur-Professor: «Farbige Wohncontainer auf die Dächer stellen»

Manfred Huber ist seit 1. Juni Professor für Digitales Bauen und Entwerfen an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Wir trafen ihn in seinem Büro in Baar.

(Bild: mbe.)

Der Baarer Architekt Manfred Huber ist am 1. Juni zum Professor ernannt worden. Im Wohnungsbau im Kanton Zug dominierten oft die «Copy-Paste-Bauten», sagt der frisch gebackene Professor. Huber hat eine unkonventionelle Idee, wie man ganz einfach Wohnraum schaffen könnte.

Manfred Huber bringt Studenten bei, wie man ein digitales 3D-Gebäude am Computer erstellt. Und wie man diese Technik optimal zum Entwerfen, Planen und Bauen nutzt.

Huber leitet den neu geschaffenen Lehrstuhl für Digitales Bauen und Entwerfen an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Auf Englisch heisst das Building Information Modelling (BMI). Die Schweiz habe in diesem Bereich noch Nachholbedarf, sagt er. Führend seien die USA und Skandinavien.

 

Ein Beispiel der Anwendung von Building Information Modelling (BIM) mit einem dreidimensionalen Gebäude.

Ein Beispiel der Anwendung von Building Information Modelling (BIM) mit einem dreidimensionalen Gebäude.

(Bild: zVg)

Welches sind gute Bauten in Zug? 

Nachholbedarf gäbe es auch bei spannender urbaner Architektur im Kanton Zug. zentralplus will sich deshalb einmal mit dem frischgebackenen Professor über gute Bauten in Zug unterhalten. Huber ist selbst Architekt: Wenn er nicht unterwegs ist, ist er in der früheren Victoria-Möbelfabrik in Baar anzutreffen. Das von Huber vor 17 Jahren gegründete Architekturbüro «aardeplan ag» hat sich zum Ziel gesetzt, «qualitativ hochstehende Architektur und Nachhaltigkeit» miteinander zu verbinden (siehe Kasten).

Zur Person

Manfred Huber gilt als anerkannter Experte für Building Information Modeling (BIM). Er hat am 1. Juni die neu geschaffene Professur für Digitales Entwerfen und Bauen an der Fachhochschule Nordwestschweiz übernommen. Huber wird dort lehren und Forschung betreiben. In der von ihm gegründeten Firma aardeplan AG Architektur und Consulting in Baar hat sich Huber aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, bleibt aber im Verwaltungsrat. Neue Unternehmensleiterin ist die Architektin Tanja Rösner-Meisser (sie schreibt auch im Architekturblog von zentralplus.ch).

Am Geld fehlt’s nicht, Ideen müssen her

Manfred Huber hat das vom Bauforum Zug herausgegebene Buch «Zuger Bautenführer» auf dem Tisch liegen: 275 innovative private oder öffentliche Bauten aus dem Kanton werden darin beschrieben, die zwischen 1902 und 2012 entstanden sind. Die meisten (114) stehen in Zug, erfolgt von Cham (42). Walchwil ist gerade mal mit vier, Neuheim mit zwei spannenden Bauten vertreten. Wir finden: Für eine so lange Zeit und einen so reichen Kanton ist das alles nicht gerade sehr viel. Huber widerspricht: «Es gibt natürlich viel mehr Bauten, für das Buch hat man eine Auswahl getroffen.»

«Gute Architektur ist nicht eine Frage des Geldes», sagt Huber. Ein neues Gebäude brauche seiner Ansicht nach eine Grundidee und «innere Werte». «Der Bauherr sollte sich fragen, was er mit dem Gebäude eigentlich will. Sonst muss man ihn darauf stossen, wir Architekten müssten uns da an der Nase nehmen», sagt er. Die Idee eines Gebäudes müsse neben der ansprechenden optischen Erscheinung auch soziale und nachhaltige Aspekte einschliessen, findet er.

Gebäude mit Idee dahinter: Das Kirchen- und Begegnungszentrum Chilematt in Steinhausen wird von zwei Konfessionen benutzt. Baujahr: 1979-1981, Architekt Ernst Gysel.

Gebäude mit Idee dahinter: Das Kirchen- und Begegnungszentrum Chilematt in Steinhausen wird von zwei Konfessionen benutzt. Baujahr: 1979-1981, Architekt Ernst Gysel.

(Bild: Zuger Bautenführer)

Kirchenzentrum Steinhausen, Baarer Getreidesilo…

Als Beispiel eines solchen Baus nennt er das Kirchen- und Begegnungszentrum Chilematt in Steinhausen, das Ende der 70er-Jahre entstand. Einmalig findet er den gemeinsamen Eingang für Katholiken und Protestanten. «Zwei Glaubensgemeinschaften nutzen dasselbe Gebäude, was in der Architektur zum Ausdruck kommt.» Das umgebaute Getreidesilo in Baar, in dem sich heute Wohnungen befinden, gefällt Huber ebenfalls (siehe Fotos in der Bildergalerie unten).

…Zuger Kantonalbank am Postplatz 

Im Zentrum von Zug nennt Huber als speziellen Bau den soeben wieder eröffneten Hauptsitz der Zuger Kantonalbank am Postplatz aus den 50er-Jahren. «Das Gebäude ist umgeben von historischen Gebäuden, wirkt aber nicht als Fremdkörper. Es wurde mit Sorgfalt an diesem Ort eingepflanzt.»
Das Bankgebäude habe damals die wachsende Bedeutung der Stadt zum Ausdruck gebracht. «Zug ist zwar nicht grossstädtisch, aber das Gebäude war damals ein Massstabsprung und hat dem Postplatz eine Wahrnehmung gegeben, die über die damalige Grösse der Stadt deutlich hinausging. Der Postplatz ist immer noch der grösste Platz in Zug.»

Zeitlos modern: Der Hauptsitz der Zuger Kantonalbank am Postplatz. Eröffnet 1958, Architekten Alfons Wiederkehr und Leo Hafner.

Zeitlos modern: Der Hauptsitz der Zuger Kantonalbank am Postplatz. Eröffnet 1958, Architekten Alfons Wiederkehr und Leo Hafner.

(Bild: mbe.)

Und heute?

Doch was ist mit der heutigen Architektur? Wo bleiben die grossen Sprünge heute? Gebaut wird ja viel im Kanton Zug. «Den ganz grossen Wurf hat man in den letzten Jahren nicht gewagt», ist Huber überzeugt. Und was ist mit den beiden prominenten Hochhäusern Zugs? Den Parktower beurteilt der Architekt als «deutlich besser» als das «Uptown» neben der Bossard-Arena. «Im Wettbewerb für das Uptown wurde eine Leichtigkeit versprochen», findet er. Das Gegenteil sei der Fall: «Das Gebäude wirkt wie ein Klotz in der Landschaft.» Ein Grund sei die flache Fassade.

«Copy-Paste-Architektur»

Gerade im Wohnungsbau, findet Manfred Huber, dominierten im Kanton Zug oft «Copy-Paste-Bauten». Man entwirft ein Gebäude. Dann stellt man acht bis zehn gleiche Häuser auf das Grundstück, die gestalterisch keine Rücksicht auf die Umgebung nehmen. Als schlechtes Beispiel für «Copy-Paste» nennt er eine Wohnüberbauung an der Landhausstrasse in Baar.

Die Wohnüberbauung Chriesimatt in Baar. Ausgeführt etappenweise ab 2005, Architekten Marco Graber und Thomas Pulver.

Die Wohnüberbauung Chriesimatt in Baar. Ausgeführt etappenweise ab 2005, Architekten Marco Graber und Thomas Pulver.

(Bild: Zuger Bautenführer)

Fuchsloch in Oberwil immer noch herausragend

Im beschriebenen Buch gibt es ein positives Beispiel: Die Überbauung Fuchsloch in Oberwil, Bauherr war damals die Brüdergemeinschaft der Barmherzigen Brüder von Maria-Hilf. Die Siedlung gilt als Musterbeispiel im Schweizer Wohnungsbau. «Es sind günstige Wohnungen, bei denen auch die Gestaltung mit den gestaffelten Gebäuden und den Laubengängen innovativ ist.»
Gelungen findet der Architekturprofessor auch die Überbauung Chriesimatte in Baar. «Zwischen den Gebäuden wurde viel Freiraum gelassen, es gibt Knicke in den Gebäuden, die auf die Umgebung Bezug nehmen.» Es gibt aber auch aktuellere Beispiele: Zu den jungen Wohn- und Geschäftsbauten auf dem «Suurstoffi»-Areal in Rotkreuz findet Huber, man merke, dass eine Idee dahinterstecke. Das Areal werde langsam Stück für Stück entwickelt.

Urban und verdichtet: Überbauung Kalkbreite in Zürich

Im Gegenzug zu Zug hat man in Zürich beim verdichteten und urbanen Wohnbau Zeichen gesetzt. Manfred Huber nennt die Überbauung Kalkbreite im Zürcher Kreis 4. Sie sei ein Beispiel von verdichtetem Bauen im urbanen Raum, das in der Schweiz Beachtung finde. «Die Überbauung auf einem städtischen Grundstück hat einen guten Mix von Wohnungen, von ganz kleinen bis zu 10-Zimmer-Cluster-Wohnungen.» Im Untergeschoss sind das Tramdepot, ein Kino und Läden untergebracht.

Aus dem grauen Silo ist ein Wohnhaus geworden: Obermühle in Baar. Ausgeführt 2009 bis 2010, Architektin Rosmarie Müller.

Aus dem grauen Silo ist ein Wohnhaus geworden: Obermühle in Baar. Ausgeführt 2009 bis 2010, Architektin Rosmarie Müller.

(Bild: Zuger Bautenführer)

Wohnungen in Zug zu gross – und darum teuer 

Ein Grundproblem in Zug sieht Manfred Huber darin, dass die Wohnungen oft zu gross geplant werden – und dadurch sehr teuer werden. «4,5-Zimmer-Wohnungen haben zirka 130 Quadratmeter, 5,5-Zimmer-Wohnungen bis zu 150 Quadratmeter.» Beim Fuchsloch haben die 4,5-Zimmer-Wohnungen rund 100 Quadratmeter und sind dadurch entsprechend günstiger.

Chance beim Bahnhof Zug nicht vergeben

Eine Chance, dass in Zug doch noch spannende Architektur entstehen könnte, sieht Huber östlich vom Bahnhof beim ZKB-Gebäude. Einige der bloss 30- bis 40-jährigen Gebäude sollen in den nächsten Jahren abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Die Situation erinnere ihn ein wenig an die Europaallee beim Zürcher Hauptbahnhof. «Ich hoffe, dass die Neubauten qualitativ überzeugen werden und wir nicht durch Strassenschluchten laufen werden oder ein Riegel gebaut wird. Das Erdgeschoss sollte meiner Meinung nach durchlässig sein für die Fussgänger und leben. Gut gelöst findet Huber diese Durchlässigkeit und Attraktivität für Fussgänger beim Metalli oder auch beim Grafenau-Gebäude auf der anderen Seite des Bahnhofs.

 

Eine Chance für spannendes Bauen tut sich beim Bahnhof Zug auf. Das Marc-Rich-Gebäude (links) und weitere Gebäude sollen durch Neubauten ersetzt werden.

Eine Chance für spannendes Bauen tut sich beim Bahnhof Zug auf. Das Marc-Rich-Gebäude (links) und weitere Gebäude sollen durch Neubauten ersetzt werden.

Wohin will Zug architektonisch?

Huber findet, dass die Diskussion deutlicher geführt werden sollte, wo der Kanton Zug architektonisch durch will. «Die Leute reagieren oft nur, wenn sie von einem Bauprojekt betroffen sind. Zum Beispiel, wenn die Sicht durch einen Neubau eingeschränkt werde.»  Er würde sich auch im Alltag mehr Interesse wünschen. An den Diskussionsveranstaltungen des Bauforums, wo Huber sich ebenfalls engagiert hat, würden oft nur wenige Nichtbaufachleute teilnehmen. Obwohl gerade das Bauforum die öffentliche Diskussion mit diversen Veranstaltungen immer wieder anstösst. Sehr wenige Leute.

Wohncontainer für Studenten auf Gewerbebauten 

Und fürs Gewerbegebiet Neufeld in Baar hätte der Architekt eine witzige Idee. Das Gebiet sei abends ausgestorben. «Man könnte die niedrigen Gebäude baulich verdichten, indem man Leben auf die Flachdächer bringt. «Warum nicht farbige zwei- bis dreistöckige Holzcontainer auf die Dächer stellen, wo Jugendliche günstig wohnen könnten?» – Doch solche Ideen haben es wohl eher schwer in Zug.

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