Bei dieser Gitarre ist alles anders

Krienser Gitarrenbauer starten international durch

Eine spezielle Bauweise, die selbst den Gitarristen von Motörhead überzeugte.

Wie wär’s mit einer neuen Gitarre? Eine, die auf den Musiker individualisiert ist und bei Eric Claptons Gitarrentechniker für Begeisterung sorgt? Dürfen wir vorstellen: Die international gefeierten Newcomer in der Gitarrenindustrie sind jung, kommen aus Kriens und nennen sich Relish Guitars Switzerland.

60 Jahre lang wurde an der E-Gitarre nichts geändert, man hat vielleicht hie und da am Design was Neues ausprobiert, aber ansonsten sei nicht sonderlich viel passiert. Und dann kamen sie: Die Krienser Pirmin Giger (30) und Silvan Küng (30) lancierten «Relish Guitars» eine neue Ära des Guitarrenbaus, gründeten 2013 ihre eigene Firma an der Dattenmattstrasse 14 und wurden im Nu international so bekannt, dass Stevie Wonder sie höchst persönlich begrüsste. Im Herbst 2015 erhielten sie den Zentralschweizer Neuunternehmerpreis (zentralplus berichtete).

«Wir mussten ‹out-of-the-box› denken.»

Silvan Küng, Teilhaber

Wir statten den beiden in Kriens einen Besuch ab. «Jane» und «Mary» – so heissen sie, die erschaffenen Kunstwerke, die sich im Klang deutlich von anderen Modellen unterscheiden. «Die gibt es so sonst nicht», erklärt Gitarrenbauer und Teilhaber Silvan Küng. In lockerer Haltung sitzt er da, streicht über die Saiten seiner Gitarre, als ob ihn das beruhigen würde und scheint darüber nachzudenken, wie das alles so schnell so weit kommen konnte.

Pirmin Giger und Silvan Küng mit dem Modell «Jane».

Pirmin Giger und Silvan Küng mit dem Modell «Jane».

An der Wand hängen die hochgepriesenen Gitarren. Fotos von der Werkstatt erlaubt Silvan Küng keine – «Geschäftsgeheimnisse», sagt er und gibt eine kleine Kostprobe. Damit man weiss, was mit der Klangwucht gemeint ist, lässt er die Saiten schwingen. Mehr dazu später.

Ansonsten ist es im Büro der beiden ruhig. Geschäftig sieht es hier nicht gerade aus. Giger beantwortet ein paar Anfragen an seinem Schreibtisch und durch die Glastür hört man einen leichten Bass aus den Lautsprechern der Musikanlage. Sie seien gar nicht so viel hier, sondern in letzter Zeit vermehrt an internationalen Messen unterwegs, sagt Giger. Mitarbeiter Jonas Gerig arbeitet hinten in der Werkstatt an einer neuen Gitarre – barfuss, weil ihm das so bequemer sei.

Giger lächelt, während er über die Saiten streicht, in voller Zufriedenheit: «Um jeweils wieder etwas runterzukommen, spielen wir einfach ein bisschen», meint er. Hektisch scheint es bei euch nicht gerade zu sein? «Ich hab ja auch gerade Gitarre gespielt», lacht der 30-Jährige.

Mitarbeiter Jonas Gerig ist konzentriert am Werk.

Mitarbeiter Jonas Gerig ist konzentriert am Werk.

Kennern wäre bei Gigers Demonstration wohl mehr als nur die beruhigende Wirkung der Klänge aufgefallen: Die Gitarre weist rein akustisch gesehen eine viel höhere Resonanz auf als gängige Modelle. Während die meisten Gitarren aus einem Holzblock gebaut sind, ist die «Jane» ein Sandwich aus einem Aluminiumrahmen und gepressten Holzfurnieren auf der Vorder- und Rückseite.

«Phil Campbell, Gitarrist der Band Motörhead, fand die Gitarre so cool, dass er sie gleich live spielte.»

Der Innenraum des Instruments ist hohl, was für einen warmen Ton sorgt. Der Aluminiumrahmen ist aus einem Block gefräst und umfasst den ganzen Körper. Die Konstruktion ist sehr stabil, da sowohl der Hals als auch der Saitensteg auf der vertikalen Strebe des Alurahmens montiert sind.

Testserien hätten zudem ergeben, dass das Schwingungsverhalten in jedem Frequenzbereich deutlich stärker ist. Aufgrund dieser Konstruktion kann der Musiker einfacher den Ton nach seinem Charakter modellieren. Und wie das klingt? In diesem Youtube-Video führt Gitarrist Joel Van Dijk das Modell «Jane» vor.

 

Internationale Rock-Grössen als Referenz

Wie kam es denn eigentlich zum Durchbruch? «Viele Konkurrenten lebten bisher in der Komfortzone und konnten es sich leisten, die Gitarre nicht neu zu erfinden, verkauft wurden sie trotzdem. Wir mussten «out-of-the-box denken», so Silvan. Damit schaffen es die beiden Krienser, Musiker der Superlative zu begeistern: «Phil Campbell der Band Motörhead fand die Gitarre so cool, dass er sie gleich live spielte», sagt Silvan erfreut. Die Rockband Motörhead, deren Sänger Lemmy Kilmister vor kurzem verstorben ist, galt als eine der einflussreichsten Bands der Musikgeschichte.

Der Stinkefinger ist Phil Campbells Markenzeichen. Soll übersetzt heissen: Er findet sie «gut».

Der Stinkefinger ist Phil Campbells Markenzeichen. Soll übersetzt heissen: Er findet sie «gut».

(Bild: relish guitars)

Dasselbe geschah mit der amerikanischen Funk-/Soul-Band Tower of Power. Und auch der Singer-Songwriter Jack Johnson wird in den nächsten Tagen mit einer «Jane» beliefert. Der Charakter des Klangs scheint stilübergreifend verwendbar zu sein. So kommt es, dass «Jane» auch im Capitol Recording Studio in Los Angeles bereit steht – in welchem viele Grammy-Award-Platten aufgenommen werden.

«Das waren alles unglaubliche Momente, wir hätten uns das so nie erträumen lassen», erklärt Silvan. Der bisherige Erfolg sei unfassbar, aber einen kühlen Kopf zu bewahren, sei dabei wichtig.

Swiss Watchmakers

Relish Guitars Switzerland – der Name ist ganz bewusst die Symbiose zweier Botschaften. Giger und Küng setzen auf «Swiss made». Und «To relish» heisst, etwas zu begehren, etwas auf genüssliche Weise zu tun: «Bei uns steht die Leidenschaft zum Gitarrenbau im Vordergrund», so Küng. Und Switzerland verkaufe sich gut, weil damit auch automatisch Zuverlässigkeit und Präzision in Verbindung gebracht würde. Tatsächlich werden sie die «Watchmakers» der Gitarrenindustrie genannt: «Wer die Gitarre öffnet, sieht, dass sie edel, geordnet und hochwertig ist.»

Langweilig werde es den beiden Jungunternehmern nicht. «Wir haben noch einige Ideen für die Gitarrenwelt im Hinterkopf – aber alles zu seiner Zeit.» Das Modell Mary wird ab Sommer lieferbar sein. Umsatzzahlen geben die beiden keine bekannt. Eine «Jane» kostet um die 5000 Franken, eine «Mary» ist ab 2800 Franken zu haben.

Nun muss wieder gearbeitet werden. Pirmin ist mittlerweile beschäftigt, sich auf die bevorstehende Musikmesse in Frankfurt vorzubereiten. Über ihm hängt ein Bild, es zeigt den Pilatus, von Wolken und Sonnenschein umhüllt. Die Luzerner Band Mozart Heroes stehen mit Janes auf dem Hausberg, der eine von ihnen schwingt eine rot-weisse Relish-Fahne, bodenständig und dennoch rebellisch, typisch schweizerisch eben.

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