Ebikoner Lifthersteller will 120 Stellen auslagern

Unia will Schindler zum Umdenken bewegen

Schindler verlagert immer mehr Arbeitsplätze ins Ausland. (Bild: schindler.com)

Zu teuer, zu weit weg von den Wachstumsmärkten: Schindler will 120 Arbeitsplätze von Ebikon ins Ausland verlagern. Es geht nicht anders, sagt der Liftkonzern. Es geht doch anders, sagt die Gewerkschaft Unia. Und ist zuversichtlich, Schindler eine bessere Lösung schmackhaft machen zu können.

Diese Meldung beunruhigt: Der international tätige Liftbauer Schindler mit Hauptsitz in Ebikon baut dort bis Ende 2017 rund 120 Stellen ab. «Durch das starke Marktwachstum in Asien und die hohen Produktionskosten in der Schweiz werden immer mehr Aufträge im Ausland abgewickelt. Daher ist es nicht mehr möglich, das Werk auszulasten, und Schindler muss sich den neuen Marktgegebenheiten anpassen», begründet der 1874 in Ebikon gegründete Konzern diesen Schritt (zentral+ berichtete).

Schindler ist nach der Otis Elevator Company der weltweit zweitgrösste Hersteller von Aufzugsanlagen und grösster Hersteller von Fahrtreppen und Fahrsteigen.

Unia: Preise sind überall die gleichen

Doch die Gewerkschaft Unia will diesen Abbau nicht hinnehmen. Christian Gusset ist Branchenleiter MEM bei Unia. Mit der Begründung von Schindler für den Abbau gibt er sich nicht zufrieden: «Schindler hat nicht klar gesagt, was genau in der Schweiz teuer ist. Hier weisen wir darauf hin, dass bei uns sehr rational produziert wird, was sich positiv auf die Kosten auswirkt.»

«Schindler hat fast 750 Millionen Franken Gewinn erzielt letztes Jahr, die Firma nagt nicht am Hungertuch. Hier geht’s bloss um eine kurzfristige Gewinnmaximierung.»

Christian Gusset, Branchenleiter MEM bei Unia

Auch dass Schindler das Werk in Ebikon nicht mehr genügend auslasten könne, akzeptiert Gusset nicht so einfach. «Was die Auslastung betrifft, handelt es sich beim vom Abbau im betroffenen Bereich ja um Spezialanfertigungen. Schindler hat für diese Produkte auch Firmen in China, Indien und den USA aufgebaut. Damit hat Schindler den Druck auf das Werk in Ebikon selber erhöht.» Nun gelte es zu bedenken, dass für diese Produkte auf dem Weltmarkt fast überall die gleichen Preise gelten würden. «Egal, ob sie in Ebikon oder China produziert werden. Schindler verdient immer eine gute Marge daran.»

Sparen trotz 750 Millionen Franken Gewinn

Die Auslagerung nach China und Indien geschieht laut Gusset folglich nicht in erster Linie aus einer finanziellen Not heraus. «Das ist vielmehr ein strategischer Entscheid. Zwar mag es sein, dass gewisse Werke im Ausland noch rentabler sind als jenes in Ebikon. Aber Schindler hat fast 750 Millionen Franken Gewinn erzielt letztes Jahr, die Firma nagt nicht am Hungertuch. Hier geht’s bloss um eine kurzfristige Gewinnmaximierung.»

Unia appelliert nun an die soziale Verantwortung von Schindler. Das Unternehmen, betont Gusset, sei stark in der Region verankert. Viele der vom Abbau betroffenen Mitarbeiter würden seit 15 Jahren oder länger für die Firma arbeiten. «Zudem werden wir sicher aufzeigen können, dass es gute Argumente gibt, auch weiterhin in der Schweiz zu produzieren. Wir sind zuversichtlich, wenigstens einen Teil des geplanten Stellenabbaus in den nun folgenden Verhandlungen verhindern zu können.»

Ebikon soll Kompetenzzentrum bleiben

zentral+ hat am Dienstagabend auch der Firma Schindler noch Fragen zum Abbau gestellt. Kommunikationschefin Barbara Schmidhauser hat diese schriftlich beantwortet:

zentral+: Barbara Schmidhauser, wie viele Personen arbeiten aktuell noch am Hauptsitz in Ebikon?

Schmidhauser: Auf dem Campus in Ebikon arbeiten rund 1600 Personen.

zentral+: Gemäss Unia kam es bereits 2009 zu rund 30 Entlassungen. Gab es vor- oder nachher weitere?

Schmidhauser: In einem Unternehmen kommt es immer wieder zu natürlichen Fluktuationen. Die Entlassungen im 2009 können wir aber bestätigen. Insgesamt hat die Schweizer Marktorganisation in den vergangenen 10 Jahren aber über 1000 Arbeitsplätze geschaffen.

zentral+: Die Unia argumentiert, salopp gesagt, dass sich Schindler bei einem Vorjahresgewinn von 747 Millionen Franken auch den teureren Produktionsstandort Schweiz leisten könne. Die Rede ist von Gewinnmaximierung auf dem Buckel der Angestellten. Was sagen Sie dazu?

Schmidhauser: Das Neuanlagengeschäft wird heute von der Marktregion Asien-Pazifik dominiert. Schindler muss diesen Märkten folgen und dort produzieren, wo die Nachfrage steigt. Wir sind gezwungen, eine dauerhafte Lösung zu erarbeiten, die die Konkurrenzfähigkeit der Produktion und die verbleibenden Arbeitsplätze am Standort Ebikon sichert.

zentral+: Können Sie für Otto Normalbürger kurz beschreiben, wie sich die hohen Produktionskosten aufs Geschäft auswirken?

Schmidhauser: Durch die hohen Produktionskosten in der Schweiz, die Verschiebung der Märkte nach Asien und den Ausbau unserer Produktion in den Hauptmärkten sind in den vergangenen Monaten immer mehr konzerninterne Aufträge ins Ausland abgewandert.

zentral+: Wie schlecht ist das Werk in Ebikon wirklich ausgelastet und wie schlimm ist das?

Schmidhauser: Es handelt sich nicht um eine zeitweilig schlechte Auftragslage, sondern es muss eine dauerhafte Lösung erarbeitet werden, die die Konkurrenzfähigkeit der Produktion am Standort Ebikon sichert.

zentral+: Unia beklagt einen «enormen Know-how-Verlust für den Standort Ebikon» – trifft das zu?

Schmidhauser: Unser Ziel ist es, jene Produkte und Komponenten in Ebikon zu fertigen, bei denen hochqualifizierte Mitarbeiter benötigt werden. Das Unternehmen bekennt sich klar zum Standort Schweiz und plant ein globales Kompetenzzentrum für Spezialanfertigungen in Ebikon aufzubauen. Damit wird auch in die Fabrik in Ebikon investiert.

zentral+: Wird Schindler auch künftig vermehrt im Ausland produzieren lassen?

Schmidhauser: Das Neuanlagengeschäft wird heute von der Marktregion Asien-Pazifik dominiert. Schindler muss diesen Märkten folgen und dort produzieren, wo die Nachfrage steigt.

zentral+: Was bedeutet das für den Standort Ebikon und deren Mitarbeiter?

Schmidhauser: Auf dem Campus in Ebikon arbeiten rund 1600 Mitarbeiter, davon circa 200 in der Fabrik. Der Standort Ebikon ist und bleibt auch künftig das Kompetenzzentrum für innovative Aufzüge und Fahrtreppen und wird seine zentrale Rolle behalten. Geplant sind ein neues Besucherzentrum und die Renovierung des Management-Gebäudes auf dem Campus Ebikon.

Von null auf 54’000 Mitarbeiter

Die Firma Schindler wurde 1874 durch Robert Schindler gegründet. Zuerst konzentrierte er sich auf landwirtschaftliche Maschinen. Anbei ein paar wichtige Daten zur erfolgreichen Firmengeschichte:

1883: Die neue Fabrik an der Sentimattstrasse in Luzern wird eröffnet (siehe Bild). Die ersten Betriebsregelungen umfassen eine 63,5-Stunden-Woche, eine 14-tägige Kündigungsfrist sowie eine Unfallversicherung.

1892: Schindler beginnt mit der Fabrikation elektrisch betriebener Aufzüge. Aufgrund des Hotelbaubooms Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich dies zum mit Abstand wichtigsten Geschäftsfeld.

1906: Schindler ist erfolgreich unterwegs und gründet in Berlin die erste Niederlassung ausserhalb der Schweiz.

1920: Tod von Firmengründer Robert Schindler. Unternehmenspartner Fritz Geilfuss verunglückt tödlich. Adolf Sigg tritt in das Unternehmen ein.

1925: Lieferung des ersten Aufzuges mit einer Geschwindigkeit von 1,5 Metern pro Sekunde.

1936: Modernisierung des damals schnellsten und höchsten Personenaufzugs in Europa: des Bürgenstock-Hammetschwandlifts mit 2,7 Metern pro Sekunde.

1957: Am 27. Juni zieht die Schindler Aufzüge AG von Luzern ins neue Werk nach Ebikon um.

1954–1957: Bau einer damals hochmodernen Fabrik auf der grünen Wiese in Ebikon plus Bau des Schindler-Pavillons in Ebikon (laut damaliger Presse «Europas modernstes Wohlfahrtshaus», siehe Bild).

1990: Spatenstich für das neue Gebäude der Schindler Informatik AG, Ebikon, auf dem Schindler-Firmengelände in Ebikon.

1991: Am 25. Januar geht der Alarm ein: Die Abteilung Kabinenbau brennt. Ein Grossbrand verwüstet das Werk. Nach wenigen Monaten kann die Produktion an alter Stelle wieder aufgenommen werden.

2014: Schindler eröffnet im Herbst im indischen Pune eine neue Aufzugsfabrik mit 150 Mitarbeitenden. Indien gilt als weltweit zweitgrösster Aufzugsmarkt. Zudem erwirbt der Schindler-Konzern in diesem Jahr eine Mehrheit am chinesischen Joint Venture, der XJ-Schindler (Xuchang), indem er seinen Aktienanteil von 46 auf 51 Prozent erhöht.

2015: Der Schindler-Konzern beschäftigt weltweit 54’000 Mitarbeitende.

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