Luzerner Weine

Lobhudelei: «Dörfs no es bitzeli meh si?»

Die Rebsorte Zweigelt kommt ursprünglich aus Österreich, wächst aber auch in kleinen Mengen im Kanton Luzern. Aus diesen Trauben werden substanzreiche und fruchtige Weine gekeltert. (Bild: PD)

Traumhaft, aussergewöhnlich, so gut wie noch nie: Die amtliche Weinlesekontrolle hat kaum genügend passende Adjektive, um den diesjährigen Luzerner Wein über alle Massen zu loben. Lustig ist nur, dass es fast jedes Jahr ähnlich tönt. Haben wir Luzerner tatsächlich so guten Wein – oder wird er einfach gerne schöngeredet?

Passend zur Wahl des ersten Weinbauers Guy Parmelin in den Bundesrat erscheint diesen Mittwoch die Medienmitteilung der Dienstelle Landwirtschaft und Wald des Kantons Luzern. «Gesunde Trauben, hervorragende Zuckergehalte und eine gute Menge waren die Merkmale der Weinlese 2015», heisst es da etwa. Und weiter: «Der Luzerner Wein 2015 verspricht, ein ausgezeichneter Jahrgang zu werden.»

Luzerner Klima wie in Italien

Die Mitteilung liest sich wie eine Offenbarung – und ein wenig wie das Wetterbulletin von Meteo Schweiz: «Die Luzerner Winzerinnen und Winzer haben ein hervorragendes Rebjahr hinter sich. Der Winter war mild und im Frühjahr herrschte mehrheitlich trockene Witterung. Im Mai fiel reichlich Regen, und so standen die Reben bei sommerlich warmer Witterung kurz vor Mitte Juni in voller Blüte. Der Sommer brachte viel Sonnenschein und wenig Regen. Die mediterranen Bedingungen förderten die Entwicklung und die frühe Reife der Trauben.» Toll, das tönt nach perfekten Bedingungen.

Zugegeben: Der Sommer war wirklich grandios, wir erinnern uns gerne an die heissen und schönen Tage. Die amtliche Weinlesekontrolle – übrigens eine schmucke Bezeichnung, die viel schöner tönt als «Dienststelle Landwirtschaft und Wald, Spezialkulturen» – fährt in blumig informativen Sätzen fort, erzählt, warum die Kirschessigfliege dieses Jahr nicht als Partykiller in Erscheinung trat. Der Trockenheit sei an dieser Stelle ein grosses Dankeschön ausgesprochen.

Oechsle vor, noch ein Tor!

Für Hobbywinzer und Weinkenner interessant ist der Abschnitt über die berühmt-berüchtigten Oechsle-Grade. Für alle, die es nicht grad abrufbereit haben: Diese geben den Anteil Zucker in den Trauben an, was ein wichtiges Qualitätskriterium für den daraus entstehenden Wein ist. Und die Oechsle-Grade sind dieses Jahr gemäss dem amtlichen Schreiben formidabel: «Beim Blauburgunder wurden im Durchschnitt 99,5 Grad Oechsle, beim Riesling-Silvaner 82 gemessen. Den höchsten Wert erreichte Frühsorte Solaris mit 103 Grad Oechsle. Über der magischen Grenze von 100 Grad Oechsle blieben beispielsweise auch Pinot gris, Muscaris oder Viognier.»

Mit diesen Rekordwerten steigt der Luzerner Wein in höhere Sphären auf, meinen die Weinfachleute: Die gemessenen Zuckergehalte können nun mit den «renommierten Rebbaukantonen Graubünden und Schaffhausen» mithalten. Wer sagts denn: Von wegen Luzern und Schweinekanton. Wir sind ein Winzer-Mekka!

«Beim Genuss der Weine wird man wohl noch lange von diesem ausserordentlichen Jahrgang schwärmen.»

Auszug aus der «amtlichen Weinlesekontrolle» Luzern

Klein, aber fein?

Auch bei der Menge ist man voll des Lobes: Zwar wurde die Rekordernte des Vorjahres nicht ganz erreicht (310 Tonnen), aber 308 sind auch nicht schlecht. Was in der Euphorie der Weinkontrolleure etwas vergessen geht, ist die Tatsache, dass Luzerner Wein, so leid es uns tut, eigentlich vernachlässigbar ist. Auf 54 «Hektärchen» wird Wein angebaut, das ist gegenüber den fast 15’000 Hektaren schweizweit praktisch nichts. Etwas mehr als 0,3 Prozent kommt aus Luzern.

Aber 300 Tonnen sind 300 Tonnen, die müssen erst mal getrunken werden. Und wenn von einer Traumernte die Rede ist, dürfen wir ja schliesslich auch einen traumhaften Tropfen erwarten. Immerhin heisst es in der Mitteilung, dass es diesmal einen «Jahrgang für die Geschichte» gebe. Und gleich noch eins obendrauf: «Beim Genuss der Weine wird man wohl noch lange von diesem ausserordentlichen Jahrgang schwärmen.»

«Unglaublich, sensationell, einmalig»

So weit, so gut. Bei allem Respekt gilt es dennoch, die Schwärmerei – nicht den Wein – mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen, denn: Ein Blick zurück zeigt, dass eigentlich fast jedes Jahr ein ausserordentlicher Wein prognostiziert wird. So hiess es zum Beispiel vor einem Jahr in der Neuen Luzerner Zeitung: «Der Jahrgang 2014 verspricht auch qualitativ ein sehr guter zu werden.» Und ein Jahr zuvor hiess in derselben Zeitung, dass der Luzerner Wein mit Jahrgang 2013 verspreche, vorzüglich zu werden.

308 Tonnen Trauben geerntet

Im Kanton Luzern wurden dieses Jahr 308 Tonnen Weintrauben geerntet. Der Rekord vom Vorjahr (310 Tonnen) wurde damit knapp nicht erreicht, wie die Dienststelle Landwirtschaft und Wald, Spezialkulturen des Kantons mitteilt. 142 Tonnen sind rote, 166 weisse Trauben. 94 Prozent der Menge wird zu Weinen mit kontrollierter Ursprungsbezeichnung (AOC Luzern) verarbeitet. Die Dienststelle erfasste auf 45 Betrieben 38 Sorten auf einer Fläche von 54 Hektaren (im Vorjahr waren es noch 50 Hektaren).

Auch weiter zurück in der Vergangenheit sparte man nicht mit Lob. 2006 sprach man von einem «qualitativ höchst erfreulichen» Wein. Und im Sommer 2003, dem Hitzesommer schlechthin, hagelte es nur so von Lobhudeleien: Unglaublich, sensationell und einmalig bezeichnete damals Beat Felder von der Fachstelle für Spezialkulturen die Weinernte. Er hat übrigens unterdessen auch einen kleinen Weinberg in Sursee – wenn er den Luzerner Wein derart in den Himmel lobt, ist natürlich sein eigenes Gewächs immer auch gemeint. Versteht sich.

Ehret einheimisches Schaffen

Dem Herrn Felder und seinen «Mannen» vorsätzlich übertriebene Lobreden auf Luzerner Weine zu unterstellen, wäre aber doch etwas übertrieben. Dahinter steckt wohl vielmehr eine gesunde Portion Begeisterung für die Ehrung von «einheimischem Schaffen». Schliesslich sind die Luzerner Weine in der Tat nicht so schlecht. Im Luzerner Seetal wachsen feine Tropfen, ebenso am Vierwaldstättersee, im Wiggertal oder im Surental und am Sempachersee.

Da darf man ruhig alljährlich wieder einmal mit Nachdruck darauf hinweisen. Wir haben eben nicht nur feine Luzerner Biere und vorzügliche Schweinskoteletten, sondern auch guten Wein. Jetzt, wo die Weinbauern einen eigenen Bundesrat haben, ist das besonders wichtig. Wer weiss, vielleicht schafft es auch mal ein Luzerner Winzer bis nach Bern?

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