Abspaltung vom Wirtschaftsverband

«Das kann ich nicht nachvollziehen»

Alexander Gonzalez begrüsst die Gäste des Behördenapéros diesen September in der Kornschütte. (Bild: lwo)

Der Stadtluzerner Wirtschaftsverband setzt sich in der Öffentlichkeit immer öfter für wirtschaftspolitische Anliegen ein. Doch seine rechtsbürgerliche Ausrichtung passt nicht allen. Kleingewerbler wollen gar einen eigenen Verband gründen. Alexander Gonzalez nimmt als Präsident des Wirtschaftsverbandes Stellung – und weist die Vorwürfe zurück.

Dem städtischen Wirtschaftsverband weht derzeit eine steife Brise entgegen. Alexander Gonzalez ist seit vier Jahren Präsident des WVL – und nimmt nun Stellung (siehe Artikel zu den Hintergründen und Zusammenfassung in Box).

zentral+: Alexander Gonzalez, am vom Wirtschaftsverband organisierten Behördenapéro Ende September durften ausschliesslich bürgerliche Nationalratskandidaten an der Podiumsdiskussion teilnehmen. Eine «Farce» sei das, kritisierten SP und Grüne und boykottierten den Anlass. Was sagen Sie dazu?

WVL «zu weit rechts»

- SP und Grüne ärgern sich, weil am Behördenapéro des Wirtschaftsverbandes diesen September keiner von ihren Nationalratskandidaten am Podium teilnehmen durfte.
- GLP und CVP-Politiker kritisieren, der Wirtschaftsverband der Stadt Luzern (WVL) sei zu rechtslastig und zu konservativ, speziell in Verkehrsfragen.
- Weil sich Kleingewerbler vom WVL nicht gut vertreten fühlen, wollen sie eine eigene Vereinigung gründen.

Alexander Gonzalez: Ich habe diesen Vorwurf sehr bedauert, will das aber nicht überbewerten. Es handelte sich nicht um die Parteien, sondern um drei Personen, welche nach meinem Wissen unserer Einladung auch früher nicht gefolgt waren. Unsere Türe war geöffnet für alle Parlamentarier. Wir wollten damit zeigen, dass wir offen sind für den Austausch über Parteigrenzen hinweg. Es handelte sich zudem nicht um ein eigentliches Wahlpodium, sondern um einen Wirtschafts- und Polit-Talk. Diesen wollten wir aus Zeit- und Platzgründen auf vier Personen beschränken und haben dabei unseren Verbands-Mitgliedern den Vorzug gegeben. Dieses Recht muss man uns als Veranstalter einräumen.

zentral+: Der Wirtschaftsverband Stadt Luzern ist ein bürgerlicher Verband – haben Sie überhaupt linke Mitglieder? Und gibt es eigentlich viele linke Wirtschaftsvertreter in der Stadt?

Gonzalez: Wir haben Mitglieder, von denen ich weiss, dass sie wirtschaftsfreundlich, parteipolitisch, aber eher nicht bürgerlich sind. Grundsätzlich ist es sicher so, dass es mehr bürgerliche Unternehmer gibt. Ich schätze den Austausch mit Unternehmerinnen und Unternehmern sehr, mir sind alle gleich wichtig, unabhängig von ihrer politischen Herkunft.

«Ich würde nicht behaupten, dass wir zu konservativ oder zu rechts sind.»

zentral+: Mitte und linke Politiker kritisieren, der WVL sei zu wenig liberal und zu konservativ. Und in gewissen Fragen zu rechts. Speziell beim Thema Verkehr. Wie sehen Sie das?

Gonzalez: Ich würde nicht behaupten, dass wir zu konservativ oder zu rechts sind. Die SVP-Verkehrsinitiative ist kein repräsentatives Beispiel. Wir waren damit auch nicht zu hundert Prozent glücklich. Aber wir wollten am Schluss nicht eine Initiative wegen einzelner Sätze oder Wörter kippen, sondern unsere Haltung dazu gegen aussen vertreten.

zentral+: Nun gibt es Bestrebungen von Kleingewerblern, eine eigene Vereinigung zu gründen, weil man sich vom WVL nicht vertreten fühlt. Wussten Sie davon?

Gonzalez: Nein, davon habe ich nichts gewusst. Drei Dinge fallen mir dazu ein: Erstens leben wir in einer offenen Gesellschaft, wo sich jeder formieren kann, wie er es für richtig findet. Ich finde das absolut legitim.

«Diese Aussagen sind zu allgemein und zu wenig konkret formuliert.»

Zweitens: Ich kann aber nicht nachvollziehen, inwiefern man sich von uns zu wenig unterstützt fühlt. Diese Aussagen sind zu allgemein und zu wenig konkret formuliert. Solche Rückmeldungen erhalte ich erfreulicherweise höchst selten. Drittens: Wir versuchen, mit unseren Partnerorganisationen eine möglichst starke einheitliche Kraft zu entwickeln, gemeinsam zu lobbyieren. Wir versuchen zu verhindern, dass das jeder für sich macht und sich unsere Kräfte so verzetteln. Wir wollen die Kräfte bündeln.

zentral+: Dann wärs besser, wenn sich diese Kleingewerbler dem Wirtschaftsverband der Stadt anschliessen würden?

Gonzalez: Definitiv. So verzetteln wir uns nicht, sondern gewinnen mehr Einfluss. Ich zweifle daran, ob der Alleingang ein gewinnbringender Weg ist.

zentral+: Die Initianten der geplanten Vereinigung argumentieren, dass man nicht die gleichen Interessen habe wie der Wirtschaftsverband. Ohne allerdings konkret zu werden. Gibt es denn innerhalb des WVL viele unterschiedliche Interessen der Mitglieder?

Gonzalez: In der Hauptlinie stehen unsere Mitglieder sehr stark hinter unserer Arbeit und unserer Haltung. Hauptthemen sind Mobilität, also gute Erreichbarkeit und Parkplätze, der Ausbau der Schlüsselareale mit den Hochhäusern, etwa am Bundes- oder Pilatusplatz, sowie eine auf Planungssicherheit ausgelegte Steuerpolitik. Aber bei einzelnen Abstimmungsvorlagen haben wir zum Teil durchaus auch unterschiedliche Meinungen.

zentral+: Der WVL konnte in den letzten fünf Jahren 20 Prozent neue Mitglieder gewinnen. Wie hat sich der Verband insgesamt entwickelt?

Gonzalez: Die neuen Mitglieder sind ein Gradmesser, dass die Mitglieder unsere Arbeit schätzen und auch respektieren, dass wir die die Meinung aller 500 Mitglieder nicht immer vollumfänglich vertreten können. Wir sind sicher aktiver geworden in Bezug auf unsere wirtschaftspolitische Arbeit. Mit der Konsequenz, dass wir öfters mal in Gegenwind geraten und angreifbar sind.

«Wir sind insgesamt auch als Netzwerkorganisation offener, aktiver und interessanter geworden.»

Das hat sich verändert in den letzten Jahren. Zudem haben wir bessere und offenere Kontakte zu den Medien. Wir sind insgesamt auch als Netzwerkorganisation offener, aktiver und interessanter geworden. Wir geben unseren Mitgliedern mehr Plattformen, um sich zu treffen, oder machen mehr gemeinsame Veranstaltungen, wie etwa kürzlich zur Mall of Switzerland, zusammen mit der City Vereinigung. Auch hat sich die Vernetzung mit anderen wirtschaftsnahen Organisationen stark intensiviert. Ich denke da nebst der City Vereinigung etwa an Luzern Hotels, die Industrie- und Handelskammer (IHZ) oder das Info-Forum freies Unternehmertum (IFU). Auch sind wir bei Abstimmungsvorlagen aktiver als früher.

Alexander Gonzalez (rechts) bedankt sich nach dem Podium Ende September bei Moderator Andy Wolf. (Bild:zVg)

Alexander Gonzalez (rechts) bedankt sich nach dem Podium Ende September bei Moderator Andy Wolf. (Bild:zVg)

zentral+: Täuscht es oder liegen sich WVL und der Luzerner Stadtrat ununterbrochen in den Haaren?

Gonzalez: Das ist nicht so (überlegt). Klar, in den Medien werden manchmal die Extremstandpunkte vertreten, das kann dann nach Streit aussehen. Aber wir treffen uns regelmässig mit dem Stadtrat und pflegen einen sehr partnerschaftlichen und respektvollen Austausch. Aber in den Inhalten sind wir naturgemäss nicht immer einer Meinung.

zentral+: Wie wirtschaftsfreundlich agiert denn nun gemäss WVL der Stadtrat?

Gonzalez: (überlegt) Der Stadtrat möchte sehr gern wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen. Aber über den Weg und die Möglichkeiten haben wir punktuell unterschiedliche Ansichten, speziell bezüglich Mobilität. Die Mobilität hat sich zum Hauptthema entwickelt, das täglich sicht- und spürbar ist. Hier möchten wir gut erreichbar sein und genügend Parkplätze in der Nähe haben, das sind für uns wichtige Pfeiler.

zentral+: In der Neustadt sind in den letzten Monaten diverse Parkplätze verschwunden. Dafür sieht es, etwa an der Sempacherstrasse, dank neuen Bäumchen und Velostreifen schöner aus; auch sicherer ist es geworden. Zählt das für den WVL nichts?

Gonzalez: Ich schätze die damit erreichte Aufwertung des Stadtraumes sehr. Das Stadtbild ist uns nicht gleichgültig.

«Die Leute sollen genügend Kurzparkiermöglichkeiten vorfinden.»

Auf der anderen Seite müssen wir eine gute Balance finden. Es darf nicht immer nur einseitig zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs und der Parkplätze gehen. Die Leute sollen genügend Kurzparkiermöglichkeiten vorfinden. Deshalb wehren wir uns gegen einen allzu lockeren Umgang beim Streichen von Parkplätzen. Ich werde diesbezüglich regelmässig, insbesondere im Bereich des Detailhandels, angesprochen. Die Gewerbler sind diesbezüglich sehr besorgt, und wir nehmen ihre Anliegen ernst.

zentral+: In den Parkhäusern hätte es meist genügend Platz. Das würde die Quartiere vom Suchverkehr und Lärm entlasten. Aber die Stadtbesucher müssten so meist länger zu Fuss gehen, bis sie bei ihrem Laden/Büro/Betrieb sind. Ist diese Strategie des Stadtrates für den WVL zu wirtschaftsfeindlich?

Gonzalez: Das würden wir auch unterstützen. Aber wir wollen die Konsumenten nicht bevormunden. Einzelne passen sich den neuen Gegebenheiten an, andere wollen die Möglichkeit haben, in unmittelbarer Nähe der Geschäfte parkieren zu können. Auf die müssen wir auch Rücksicht nehmen.

zentral+: Wie stehts grundsätzlich um die Luzerner Wirtschaft? Nach der Halbierung der Unternehmenssteuern 2012 bleibt den Betrieben nun mehr vom Gewinn übrig. Wie ist der Effekt auf die Wirtschaft: Spüren Sie viel mehr Zuzüge, dass mehr in die Firmen investiert und mehr Arbeitsplätze geschaffen werden?

Gonzalez: Das ist eine schwierige Frage. Aber die Rückmeldungen sind sehr positiv. Die Firmen verfügen über ein zusätzliches Substrat, etwa für Investitionen oder neues Personal. Ein Grossteil reagiert denn auch sehr sensibel auf die Diskussion nach höheren Steuern. Wir dürfen den Wettbewerbsfaktor Steuern nicht unterschätzen.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon